Wankender Grund
Die Erdoberfläche ist ständig in Bewegung, oft durch menschliches Zutun. Mit lassen sich von Satelliten aus Bedrohungen erkennen.
Erdbebenfolgen lassen sich zeigen, Erdbebenursachen bisweilen auch.
Wenn Bergwerke geschlossen werden, dann senkt sich allmählich der Erdboden über den nicht mehr gestützten und ausgepumpten Schächten, so war das zunächst auch bei Minen in Belgien, in denen von den 1920er- bis in die 1980er-Jahre Kohle aus Tiefen von bis zu 1050 Metern geholt wurde. Aber bald hob sich der Boden wieder, gegen alle Erwartungen und aus nicht restlos geklärten Gründen, vermutlich spielte das Aufquellen von Mineralien durch das eindringende Wasser mit.
Wie auch immer, der Boden hob sich, in zwei Jahrzehnten um zwei Zentimeter, das ging zweifelsfrei aus Satellitenmessungen mit Radar hervor, die Andre´ Vervoort (Leuven) ausgewertet hatte (International Journal of Mining Science and Technology 28, S. 53). Messungen mit GPS-Stationen hätten das Gleiche ergeben, sie können Bewegungen der Erdoberfläche im Bereich von unter einem Millimeter detektieren, aber nur punktuell. Satelliten hingegen können riesige Flächen in ihren Detektoren behalten, sei es im visuellen Bereich, sei es in dem der Gravitation: In Letzterem hat man – mit Grace-Satelliten der Nasa – etwa bemerkt, dass in Indien großflächig Grundwasser übernutzt wird, man kann daraus schließen, dass das den Boden sinken lässt (Nature 460, S. 999). Und mit Lasern kann man etwa die Dicke und den Fluss von Gletschereis dokumentieren (Science, 368, S. 1239).
Aber aus Gravitationsmessungen kann man nur schließen, und optische Verfahren brauchen unverhangenes Tageslicht. Radar dringt immer durch, das Militär setzte deshalb schon in den 1950er-Jahren Satelliten ein, die in regelmäßigen Abständen die gleiche Region in den Blick nahmen. Aus den minimal unterschiedlichen Echos lassen sich Veränderungen der Morphologie errechnen, mit einer Technik, die Insar heißt (Interferometric Synthetic Aperture Radar, deutsch: Radarinterferometrie). Eine frühe zivile Anwendung kam 1978 mit dem Nasa-Satelliten Seasat,
der über zwölf Tage hinweg das Imperial Valley in Kalifornien im Auge hielt und zeigte, dass das Agrarland sich hob, als es mit Oberflächenwasser bewässert wurde und sich vollsaugte. „Es ist nicht schwer, sich zahllose Anwendungen für den Typ des benutzten Instruments vorzustellen“, schlossen die Autoren (Science 371, S. 877).
Der Durchbruch brauchte trotzdem bis 1992, als wieder von hoch über Kalifornien das Landers-Erdbeben dokumentiert wurde – es war mit einer Magnitude von 7,5 das schwerste seit 40 Jahren –, mit all seinen Verwerfungen, Nature bewarb den Artikel mit dem Titelbild (361, S. 340). Man dachte auch an Vorhersagen von Beben, aber die blieben schwierig, mit Ausnahme mancher, die vom Menschen verursacht werden: Von 1973 bis 2008 wurden die zentralen USA von durchschnittlich 20 Beben einer Stärke über drei im Jahr erschüttert, dann schossen die Zahlen hoch, 2009 waren es 99, 2014 659. Manoochehr Shirzaei (Arizona State University) ging dem mit Insar-Daten von Texas nach und sah einen Zusammenhang mit dem ErdölSchürfen durch Fracking. Dabei wird der Boden mit Wasser und Chemikalien aufgesprengt, hinterher wird die ganze Mischung zum Entsorgen wieder hineingepumpt. Dadurch hob er sich, das war für Shirzaei die Ursache vieler dieser Beben (Science 353, S. 1416).
Vulkanwarnung. Das blieb umstritten, klarer ist die Lage bei Vulkanen, die nicht direkt überwacht werden, weil sie zu entlegen sind oder über lange Zeiten scheinbar zur Ruhe gekommen. Das sind manche auch wirklich, in Regionen der Türkei etwa, dort konnte Juliet Biggs (Bristol), die die Insar-Forschung vorantreibt wie wenige andere, gerade Entwarnung geben: Hebungen um einen Vulkan in Anatolien haben sich als atmosphärisch verursachte Artefakte in den Radarechos erwiesen (Journal of Applied Volcanology 15. 2.). Ganz anders in der Afar-Senke in Äthiopien, wo sich der Oberfläche ablesen lässt, dass unter ihr Magma in Bewegung ist: Der Corbetti-Vulkan nahe der stark wachsenden Stadt Hawassa hebt sich um 6,6 Zentimeter im Jahr (Geochemistry, Geophysics, Geosystems, 18. 1.), er wurde durch Biggs’ Warnung in die Liste derer aufgenommen, die aus der Nähe überwacht werden.
Auch regional begrenztere Gefahren kann man im Blick halten, drohende Hangrutschungen in den österreichischen Alpen stehen ebenso auf der Liste der außeruniversitären Forschungseinrichtung Georesearch (Puch bei Hallein) wie solche in Kirgistan, die radioaktive Altlasten eines Uranbergbaus treffen könnten. In beiden Fällen überlappen sich Kräfte der Natur mit von Menschen freigesetzten, etwa durch globale Erwärmung. Und für immer mehr Bewegungen sorgt er auch allein, indem er die Erde durcheinanderbringt, sie belastet – mit Infrastruktur wie Eisenbahnen oder Hochhäusern – oder sie auspumpt, fossile Reserven oder Wasser aus ihr holt.
Drohende Aktivitäten von Vulkanen können frühzeitig detektiert werden.
Lang musste das Monitoring auf wenige Satelliten staatlicher Raumfahrtorganisationen wie Nasa und ESA verteilt werden, inzwischen drängen immer mehr Privatfirmen ins Geschäft, die finnische Iceye etwa hat derzeit sechs Satelliten – in der Größe kleiner Kühlschränke – im Orbit und hofft, die Zahl auf 100 erhöhen zu können, damit ginge es in das Dokumentieren von Feinheiten wie denen der Belastungen von Staudämmen durch die wechselnden Temperaturen im Tageslauf bzw. die dadurch verursachte Expansionen und Kontraktionen der Mauern. Es wird einen „objektiven Blick in Echtzeit auf die Welt geben“, hofft Pekka Laurila von Iceye (Science 371, S. 877).
An Überraschungen wird es nicht mangeln, die jüngste kam von Morgan Levy (UC San Diego), sie betrifft wieder Bodensenkungen durch Grundwasserentnahmen für die Agrikultur in Kalifornien, im San Joaquin Valley (Environmental Research Letters 15: 104083): Bisher ging man davon aus, dass durstige Pflanzen wie Mandeln für die stärksten Verwerfungen verantwortlich sind, und dass man zum Minimieren der Schäden auf genügsamere Feldfrüchte wie Mais umstellen müsste. Es ist aber umgekehrt, bei den Feldfrüchten sind die Senkungen größer. Das ist wieder rätselhaft, liegt aber vermutlich daran, dass Mandeln etc. mit effizienteren Methoden bewässert werden.