»Dieses Team ist aufgefordert, ein Statement
Peter Schöttel, Sportdirektor des ÖFB, spricht eine Woche vor Österreichs EM-Auftakt gegen Nordmazedonien über Ansprüche an die goldene Generation und die angeblich schlechte Stimmung innerhalb der Mannschaft. Und er verteidigt die viel kritisierte Spielweise des ÖFB-Teams unter Franco Foda.
Herr Schöttel, was muss in den nächsten Wochen passieren, damit die Fußball-EM aus österreichischer Sicht ein Erfolg ist? Peter Schöttel: Unser Ziel ist der Aufstieg ins Achtelfinale. Wir wollen endlich bei einer Endrunde die Vorrunde überstehen. Dass es eine schwierige Aufgabe wird, ist jedem Beteiligten klar.
Die Aufgabe ist aber gewiss bewältigbar, zumal das ÖFB-Team zweifelsfrei über Qualität verfügt. Es ist mitunter von einer goldenen Generation die Rede. Wären zwei Qualifikationen (EM 2016, EM 2020) mit Spielern wie David Alaba oder Marko Arnautovi´c nicht zu wenig?
Fakt ist: Das ist eine sehr gute Generation. Und Teile dieser sehr guten Generation haben es bei der EM 2016 nicht geschafft, die Vorrunde zu überstehen. Fünf Jahre später haben wir neben den arrivierten einige neue interessante Spieler im Kader. Diese Generation und dieses Team sind nun gefordert, ihr Potenzial zu zeigen, am besten schon bei diesem Turnier. Sie sind aufgefordert, ein Statement zu setzen: Mit Topleistungen, womöglich mit Überraschungen und hoffentlich mit dem Überstehen der Vorrunde.
Endrunden sind oftmals ein Spiegelbild des Fußballs. Was erwarten Sie von dieser EM – fußballerisch, taktisch?
Es würde mich wirklich überraschen, wenn Mannschaften intensives Pressing betreiben. Es wird Phasen in Spielen geben, in welchen Teams das Pressing forcieren werden, aber keines wird es vom ersten bis zum letzten Spiel durchziehen. Dafür ist die Saison schon zu lang, die Belastung bei einem Turnier zu groß. Es wird also umso wichtiger sein, in den entscheidenden Momenten hellwach zu sein. Die Belastungssteuerung wird besonders wichtig.
Die Uefa hat im Vorfeld eine Kader-Aufstockung von 23 auf 26 Spieler beschlossen. Waren Sie sich mit Teamchef Franco Foda einig, wer die Auserwählten sind?
Großteils war ein Konsens da, ja. Es gab drei, vier Personalentscheidungen,
Peter Schöttel wurde am 26. März 1967 in Wien geboren.
Als Spieler war er auf Vereinsebene ausschließlich für Rapid Wien aktiv, zwischen 1986 und 2002 brachte es Schöttel auf 534 Einsätze. Für das ÖFBTeam lief er 63-mal auf, unter anderem bei der WM 1990 und der WM 1998.
Als Trainer betreute er zunächst die RapidAmateure, später den Wiener Sportklub, Wiener Neustadt, Rapid sowie Grödig. Zwischenzeitlich war er Sportmanager bei den Hütteldorfern und der Vienna.
Am 1. August 2017 wurde Schöttel zum U19-Teamchef bestellt, bereits am
10. Oktober trat er die Nachfolge von Willi Ruttensteiner als ÖFBSportdirektor an. die wirklich sehr eng waren. Auch das Tormannthema war kein einfaches. Letztlich waren wir gemeinsam von den 26 Spielern überzeugt, die jetzt im EM-Kader stehen.
Wie wichtig ist Spielpraxis für eine Endrunde? Es gibt doch einige ÖFB-Akteure wie etwa Julian Baumgartlinger, die im Vorfeld wenig bis gar keine bei ihren Klubs sammeln konnten.
Spielpraxis ist definitiv wichtig, aber vergangene Endrunden haben gezeigt, dass einige Spieler nach einer langen Saison überspielt waren. Es muss also nicht immer nur ein Vorteil sein. In unserem Kader ist die Bandbreite groß: Es gibt einige Spieler wie Alaba, Lainer, Ulmer oder Sabitzer, die sehr viel gespielt haben. Einige, die in ihren Klubs Stammspieler waren und einen normalen Rhythmus haben. Und dann eben noch Spieler, die teilweise wenig zum Einsatz gekommen sind, weil sie eben nicht gesetzt waren oder von Verletzungen zurückkommen. Die Entscheidungen wird der Teamchef ganz individuell treffen. Ein Turnier ist intensiv und kann lang dauern. Wir werden jeden Spieler brauchen.
Marko Arnautovi´c ganz besonders. Er wurde gegen England geschont, hat in diesem Jahr nur vier Spiele für Shanghai bestritten. Marko ist unbestritten enorm wichtig für die Mannschaft. Seine bloße Anwesenheit tut ihr schon gut, er ist ein Führungsspieler, genauso wie Martin Hinteregger und Julian Baumgartlinger. Und da reden wir noch gar nicht von den Attributen, die diese Spieler auf dem Platz einbringen.
Baumgartlinger wurde gegen England erst eingewechselt. Genießt er als Kapitän bei der EM dennoch einen kleinen Bonus? Franco Foda wird ganz sicher niemanden aufgrund seiner Verdienste in der Vergangenheit spielen lassen. Bei der EM werden topfitte Spieler auf dem Platz stehen müssen. Was Julian betrifft, ist die Freude bei ihm und uns sehr groß, dass es sich nach seinem Kreuzbandriss zu Jahresbeginn überhaupt für die Endrunde ausgegangen ist. Wenn jemand von einer schweren Verletzung zurückkommt, dann hilft dir jeder Tag. Julian wird in ein, zwei Wochen weiter sein, als er es heute ist. Und wir hoffen, dass wir so lang wie nur möglich bei dieser EM mitwirken.
Die Kritik ist nicht neu, nach dem letzten Lehrgang und dem heftigen 0:4 gegen Dänemark wurde sie jedoch besonders laut. Ist Ihnen als Sportdirektor der Fußball unter Franco Foda zu vorsichtig?
Wir haben vorhin über Schlüsselspieler gesprochen, beim Lehrgang in März haben einige von ihnen gefehlt, unter anderem Arnautovic´, Baumgartlinger, Hinteregger und auch Laimer. In der EM-Qualifikation war das noch anders. Aber ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Die Wahrnehmung, speziell jener der Journalisten, ist die, dass es aggressiver und attraktiver gehen könnte.
Vor allem, weil das Spielermaterial doch einen anderen Stil ermöglichen würde. Viele Akteure spielen bei ihren Klubs pressinglastigen Fußball, einige sind durch die RedBull-Schule gegangen.
Aber daraus zu schließen, dass auch im Nationalteam ein solcher Fußball gespielt werden muss, passt nicht zusammen. Und wenn man nach Salzburg, Leipzig, Wolfsburg oder Frankfurt blickt – auch dort wird nicht überall der gleiche Fußball praktiziert. Da geht es um Automatismen, die du dir über Wochen und Monate erarbeitest. Diese Zeit haben wir beim Nationalteam nicht, das wird gern vergessen. Die Kunst ist es, alles in relativ kurzer Zeit in eine Form zu gießen.
Aber die Kritik ist für Sie nachvollziehbar? Sie ist uns nicht verborgen geblieben. Und ja, die zweite Halbzeit gegen Dänemark war nicht gut.
Ist die Unzufriedenheit vielleicht auch dadurch zu erklären, dass das ÖFB-Team vor keiner Ewigkeit noch anders, nämlich offensiver und attraktiver, aufgetreten ist?
Es wird immer auf die tolle EM-Qualifikation für 2016 verwiesen. Zu Recht, weil es wirklich großartig war, was das Team damals geboten hat. Aber danach hat es Gründe gegeben, warum beim ÖFB ein Umbruch stattgefunden hat. Es ist ja nicht so, dass Österreich fünf, sechs Jahre einen hervorragenden Fußball gespielt hat. Nach der EM 2016 wurden die Positionen des