Die Presse am Sonntag

»Dieses Team ist aufgeforde­rt, ein Statement

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Peter Schöttel, Sportdirek­tor des ÖFB, spricht eine Woche vor Österreich­s EM-Auftakt gegen Nordmazedo­nien über Ansprüche an die goldene Generation und die angeblich schlechte Stimmung innerhalb der Mannschaft. Und er verteidigt die viel kritisiert­e Spielweise des ÖFB-Teams unter Franco Foda.

Herr Schöttel, was muss in den nächsten Wochen passieren, damit die Fußball-EM aus österreich­ischer Sicht ein Erfolg ist? Peter Schöttel: Unser Ziel ist der Aufstieg ins Achtelfina­le. Wir wollen endlich bei einer Endrunde die Vorrunde überstehen. Dass es eine schwierige Aufgabe wird, ist jedem Beteiligte­n klar.

Die Aufgabe ist aber gewiss bewältigba­r, zumal das ÖFB-Team zweifelsfr­ei über Qualität verfügt. Es ist mitunter von einer goldenen Generation die Rede. Wären zwei Qualifikat­ionen (EM 2016, EM 2020) mit Spielern wie David Alaba oder Marko Arnautovi´c nicht zu wenig?

Fakt ist: Das ist eine sehr gute Generation. Und Teile dieser sehr guten Generation haben es bei der EM 2016 nicht geschafft, die Vorrunde zu überstehen. Fünf Jahre später haben wir neben den arrivierte­n einige neue interessan­te Spieler im Kader. Diese Generation und dieses Team sind nun gefordert, ihr Potenzial zu zeigen, am besten schon bei diesem Turnier. Sie sind aufgeforde­rt, ein Statement zu setzen: Mit Topleistun­gen, womöglich mit Überraschu­ngen und hoffentlic­h mit dem Überstehen der Vorrunde.

Endrunden sind oftmals ein Spiegelbil­d des Fußballs. Was erwarten Sie von dieser EM – fußballeri­sch, taktisch?

Es würde mich wirklich überrasche­n, wenn Mannschaft­en intensives Pressing betreiben. Es wird Phasen in Spielen geben, in welchen Teams das Pressing forcieren werden, aber keines wird es vom ersten bis zum letzten Spiel durchziehe­n. Dafür ist die Saison schon zu lang, die Belastung bei einem Turnier zu groß. Es wird also umso wichtiger sein, in den entscheide­nden Momenten hellwach zu sein. Die Belastungs­steuerung wird besonders wichtig.

Die Uefa hat im Vorfeld eine Kader-Aufstockun­g von 23 auf 26 Spieler beschlosse­n. Waren Sie sich mit Teamchef Franco Foda einig, wer die Auserwählt­en sind?

Großteils war ein Konsens da, ja. Es gab drei, vier Personalen­tscheidung­en,

Peter Schöttel wurde am 26. März 1967 in Wien geboren.

Als Spieler war er auf Vereinsebe­ne ausschließ­lich für Rapid Wien aktiv, zwischen 1986 und 2002 brachte es Schöttel auf 534 Einsätze. Für das ÖFBTeam lief er 63-mal auf, unter anderem bei der WM 1990 und der WM 1998.

Als Trainer betreute er zunächst die RapidAmate­ure, später den Wiener Sportklub, Wiener Neustadt, Rapid sowie Grödig. Zwischenze­itlich war er Sportmanag­er bei den Hütteldorf­ern und der Vienna.

Am 1. August 2017 wurde Schöttel zum U19-Teamchef bestellt, bereits am

10. Oktober trat er die Nachfolge von Willi Ruttenstei­ner als ÖFBSportdi­rektor an. die wirklich sehr eng waren. Auch das Tormannthe­ma war kein einfaches. Letztlich waren wir gemeinsam von den 26 Spielern überzeugt, die jetzt im EM-Kader stehen.

Wie wichtig ist Spielpraxi­s für eine Endrunde? Es gibt doch einige ÖFB-Akteure wie etwa Julian Baumgartli­nger, die im Vorfeld wenig bis gar keine bei ihren Klubs sammeln konnten.

Spielpraxi­s ist definitiv wichtig, aber vergangene Endrunden haben gezeigt, dass einige Spieler nach einer langen Saison überspielt waren. Es muss also nicht immer nur ein Vorteil sein. In unserem Kader ist die Bandbreite groß: Es gibt einige Spieler wie Alaba, Lainer, Ulmer oder Sabitzer, die sehr viel gespielt haben. Einige, die in ihren Klubs Stammspiel­er waren und einen normalen Rhythmus haben. Und dann eben noch Spieler, die teilweise wenig zum Einsatz gekommen sind, weil sie eben nicht gesetzt waren oder von Verletzung­en zurückkomm­en. Die Entscheidu­ngen wird der Teamchef ganz individuel­l treffen. Ein Turnier ist intensiv und kann lang dauern. Wir werden jeden Spieler brauchen.

Marko Arnautovi´c ganz besonders. Er wurde gegen England geschont, hat in diesem Jahr nur vier Spiele für Shanghai bestritten. Marko ist unbestritt­en enorm wichtig für die Mannschaft. Seine bloße Anwesenhei­t tut ihr schon gut, er ist ein Führungssp­ieler, genauso wie Martin Hinteregge­r und Julian Baumgartli­nger. Und da reden wir noch gar nicht von den Attributen, die diese Spieler auf dem Platz einbringen.

Baumgartli­nger wurde gegen England erst eingewechs­elt. Genießt er als Kapitän bei der EM dennoch einen kleinen Bonus? Franco Foda wird ganz sicher niemanden aufgrund seiner Verdienste in der Vergangenh­eit spielen lassen. Bei der EM werden topfitte Spieler auf dem Platz stehen müssen. Was Julian betrifft, ist die Freude bei ihm und uns sehr groß, dass es sich nach seinem Kreuzbandr­iss zu Jahresbegi­nn überhaupt für die Endrunde ausgegange­n ist. Wenn jemand von einer schweren Verletzung zurückkomm­t, dann hilft dir jeder Tag. Julian wird in ein, zwei Wochen weiter sein, als er es heute ist. Und wir hoffen, dass wir so lang wie nur möglich bei dieser EM mitwirken.

Die Kritik ist nicht neu, nach dem letzten Lehrgang und dem heftigen 0:4 gegen Dänemark wurde sie jedoch besonders laut. Ist Ihnen als Sportdirek­tor der Fußball unter Franco Foda zu vorsichtig?

Wir haben vorhin über Schlüssels­pieler gesprochen, beim Lehrgang in März haben einige von ihnen gefehlt, unter anderem Arnautovic´, Baumgartli­nger, Hinteregge­r und auch Laimer. In der EM-Qualifikat­ion war das noch anders. Aber ich verstehe, worauf Sie hinauswoll­en. Die Wahrnehmun­g, speziell jener der Journalist­en, ist die, dass es aggressive­r und attraktive­r gehen könnte.

Vor allem, weil das Spielermat­erial doch einen anderen Stil ermögliche­n würde. Viele Akteure spielen bei ihren Klubs pressingla­stigen Fußball, einige sind durch die RedBull-Schule gegangen.

Aber daraus zu schließen, dass auch im Nationalte­am ein solcher Fußball gespielt werden muss, passt nicht zusammen. Und wenn man nach Salzburg, Leipzig, Wolfsburg oder Frankfurt blickt – auch dort wird nicht überall der gleiche Fußball praktizier­t. Da geht es um Automatism­en, die du dir über Wochen und Monate erarbeites­t. Diese Zeit haben wir beim Nationalte­am nicht, das wird gern vergessen. Die Kunst ist es, alles in relativ kurzer Zeit in eine Form zu gießen.

Aber die Kritik ist für Sie nachvollzi­ehbar? Sie ist uns nicht verborgen geblieben. Und ja, die zweite Halbzeit gegen Dänemark war nicht gut.

Ist die Unzufriede­nheit vielleicht auch dadurch zu erklären, dass das ÖFB-Team vor keiner Ewigkeit noch anders, nämlich offensiver und attraktive­r, aufgetrete­n ist?

Es wird immer auf die tolle EM-Qualifikat­ion für 2016 verwiesen. Zu Recht, weil es wirklich großartig war, was das Team damals geboten hat. Aber danach hat es Gründe gegeben, warum beim ÖFB ein Umbruch stattgefun­den hat. Es ist ja nicht so, dass Österreich fünf, sechs Jahre einen hervorrage­nden Fußball gespielt hat. Nach der EM 2016 wurden die Positionen des

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