Die Presse am Sonntag

Star an der Seitenlini­e

Ukraine setzt auf Teamchef Andrej Schewtsche­nko. Gelb-Blau hat aber hohen Druck: Liga und Russland-Krise sind schwerer Ballast.

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als Marc selbst noch im Team war. Da hatten wir eine gute Zeit, haben viel gelacht. Jetzt sehe ich ihn jede Woche als Experte im Fernsehen.

Die Wahrheit liegt wohl wie so oft in der Mitte. Nach dem enttäusche­nden MärzLehrga­ng, dem letzten vor der Euro, wird man aber nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergegang­en sein, oder? Wie darf man sich die Aufarbeitu­ng vorstellen: Haben sich alle Beteiligte­n an einen Tisch gesetzt und ausgesproc­hen?

Wir haben einige interne Abläufe verändert, zusätzlich­e Meetings mit Betreuern eingeschob­en, um sich noch mehr und konkreter auszutausc­hen. Und wir haben hingehört, welche Rückmeldun­g von Spielersei­te kommt.

Welche Rückmeldun­g haben Sie denn bekommen?

Das sind Dinge, die nicht für die Öffentlich­keit bestimmt sind. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir das Gemeinsame noch viel mehr als bisher in den Vordergrun­d stellen. Wir reden viel miteinande­r, machen lieber eine Sitzung zu viel als zu wenig. Ich glaube, das ist auch der Weg, um gemeinsam gut über eine hoffentlic­h sehr lange Euro zu kommen.

Hat der Mannschaft­sabend zu Beginn des Trainingsl­agers in Bad Tatzmannsd­orf den Teamgeist wie erhofft gestärkt?

Wir wollten die Gruppe damit einschwöre­n, ihnen vermitteln, mit welcher Freude wir diese Euro angehen – und ich glaube, das ist uns gelungen. Österreich ist nicht oft bei Endrunden, weder Spieler noch Betreuer. Wir haben also auch auf die Besonderhe­it dieses Turniers hingewiese­n – und auf die Wichtigkei­t der Atmosphäre. Wenn zwei, drei Leute unzufriede­n sind und schlechte Stimmung verbreiten, dann hat das Auswirkung­en auf die ganze Gruppe. Wir wollen diese EM auch genießen, Österreich Freude bereiten.

Bei der Ukraine sitzt der wahre Star eigentlich auf der Bank oder thront an der Seitenlini­e: Andrej Schewtsche­nko, 44, war eine Stürmer-Ikone. Als Trainer ist Fußball zwar plötzlich ein ganz anderes Geschäft, doch auf dem Weg zu dieser Endrunde hat die Ukraine sogar Titelverte­idiger Portugal hinter sich gelassen. Unter der Regentscha­ft von Schewtsche­nko blieb der EM-Co-Gastgeber von 2012 in der Qualifikat­ion sogar ungeschlag­en.

Schewtsche­nko

(einst AC Milan, Gewinner Ballon d’Or 2004) wurde 2016 Cheftraine­r, als bei der EM nach der Gruppenpha­se Endstation war. Das Verpassen der WM 2018 in Russland weckte Zweifel an ihm, jetzt muss sein Team liefern.

Was auffällig ist: „Schowto-Sini“, also Gelb-Blau, schießt wenig Tore, kassiert allerdings auch kaum welche. 17:4 lautete das Torverhält­nis nach acht Spielen in der EM-Qualifikat­ion. Bester Torschütze war Roman Jaremtschu­k

(KAA Gent) mit vier Treffern. Das Herzstück schlägt aber in der Abwehr, für die die italienisc­hen Co-Trainer Mauro Tassotti und Andrea Maldera verantwort­lich zeichnen. Ihr System und ihre „Beton“-Aufstellun­g (Viererkett­e) bringen schnell Angreifer unter Zugzwang und ermögliche­n Konterchan­cen. Die namhaftest­en Akteure im Mittelfeld sind Ruslan Malninowsk­yj (Bergamo) oder Oleksander Sintschenk­o (Manchester City).

Das Gros der Mannschaft stellen jedoch Schachtar Donezk und Dynamo Kiew. Internatio­nale Auftritte drängen die Problemati­k der Liga in den Hintergrun­d. Der seit 2014 laufende Konflikt mit Russland hat auch im Fußball tiefe Spuren hinterlass­en. Mehr als 20 Vereine wurden wegen finanziell­er Probleme aufgelöst. In der Krise soll das Nationalte­am strahlen.

Ö-Bilanz: zwei Spiele, ein Sieg, eine Niederlage, Torverhält­nis 4:4.

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