Ein Hoch ohne Alkohol
In der Coronakrise änderte sich das einige trinken nun bewusst weniger. Der Trend zu »Low Alcohol« regiert schon länger, auf dem Getränkemarkt gibt es Alternativen. Wie hat die Pandemie aber das Verhältnis zu Alkohol verändert?
Letztlich war es ihre Haut, die Clara Fischer überzeugte. Selbst ihre Hausärztin hatte sie komplimentiert. So jugendlich sehe sie aus, meinte die Ärztin, so frisch und strahlend! Und Clara Fischer, die Ende 20 ist, beschloss, aus dem Alkoholfasten einen Dauerzustand zu machen.
Zwei Sachen muss man dazusagen: Clara Fischer heißt eigentlich anders. Die berufstätige Wienerin hat sich einen anderen Namen zum Erzählen ihrer Erfahrungen in der „Presse am Sonntag“ausgesucht, weil sie findet, dass man über Alkoholkonsum nicht stigmafrei reden kann, „obwohl alle viel trinken – nur keiner gibt es zu“. Und: Clara Fischer nennt ihr Alkoholfasten nicht mehr Alkoholfasten. „Das klingt so nach Verzicht“, und sie habe nicht das Gefühl, dass sie auf etwas verzichte – außer vielleicht auf einen flauen Magen, auf Kopfschmerzen und ein schlechtes Gewissen.
Wie viele Menschen hat Clara in der Pandemie ein neues Bewusstsein für ihren Körper entwickelt. Gesundheit ist plötzlich kein Modewort mehr, das mit Kosmetik- und Ernährungstrends einhergeht, Bilder von Quinoasamen, Propolis und Blattspinat vorm inneren Auge vorbeiziehen lässt. Wenn vor der Tür ein Virus herumgeistert, den noch keiner kennt, geht es plötzlich um das Eingemachte. Um das Immunsystem
genauso wie um die Psyche. Zu viel Alkohol ist für beides nicht gut. Und Alkohol ist schnell zu viel: Als unproblematisch gilt bei Frauen ein Glas Wein oder ein kleines Bier pro Tag, bei Männern ebenfalls ein Glas Wein – oder ein großes Bier.
Gerade Frauen dürften in der Lockdown-Zeit aber öfter und mehr getrunken haben, wie aus ersten Umfragen hervorgeht. Clara kann das nachvollziehen. Bei ihr war es jedenfalls so: Der erste Stress der Coronakrise ließ sie öfter sich auf das Glas Wein am Ende des Arbeitstags freuen, der ja nun im HomeOffice stattfand. Und aus dem Glas Wein wurden immer häufiger mehrere Gläser. „Es war nichts los, und das Trinken am Abend hatte etwas Rituelles.“Irgendwann war Clara von ihrem Trinkverhalten „so angewidert“, wie sie sagt, dass sie von einem Tag auf den anderen aufhörte. Das war im Jänner.
Wenig Alkohol als Trend. Bei jüngeren Generationen ist die teilweise Abkehr vom Alkohol schon eine länger manifeste Tatsache. Österreichs Jugendliche rauchen und trinken seit Jahren immer weniger als die Jahrgänge vor ihnen, der Alkoholkonsum ist in Österreich im internationalen Vergleich aber nach wie vor auf hohem Niveau.
Die Jüngeren verfolgen hingegen einen Trend: bewussterer Genuss, nicht völlige Abstinenz. Sober-Curious nennt sich der Trend im Englischen. Eva Marckhgott, die am Marketing-Department der Wirtschaftsuniversität Wien forscht, sagt dazu, dass junge Menschen sich im Konsumverhalten Vorbilder suchen würden: die Eltern und den Freundeskreis, „vor allem
Eva Marckhgott forscht am MarketingDepartment der Wirtschaftsuniversität Wien unter anderem zum Verhalten von Konsumenten. aber auch die sozialen Medien“. Trends, die auf Social Media vorgegeben würden, würden sich zudem sehr schnell und ausgeprägt entwickeln. „Wenn man sich beispielsweise die beliebtesten Hashtags auf Instagram anschaut, dann sind das Schlagwörter wie ,Fitness‘, ,Workout‘, ,Healthy‘“, sagt Marckhgott. Vorbilder wie Influencer würden diese Themenlage vorgeben. Man kann daraus ableiten, dass die Gesellschaft wohl als Ganzes mehr Wert auf Gesundheit legt – und junge Menschen das spüren.
Tatsächlich gab es den Konsumtrend Low Alcohol schon vor der Coronakrise – sie hat ihn möglicherweise verstärkt. Das Wiener Unternehmen Wonderful Drinks – bekannt für die Pona-Fruchtsäfte und ihren Auftritt in der
Fernsehsendung „Zwei Minuten zwei Millionen“– hatte vor einigen Jahren damit begonnen, an einem natürlichen Tonic ohne Zusätze zu arbeiten. Beim Ausprobieren der Rezepturen fand das Tonic gemischt mit Blutorangensaft solchen Anklang, dass es heute als „Bitterschön“auf dem Markt ist – und manchen an Campari Orange ohne Alkohol erinnert.
„Damals war Low Alcohol noch gar nicht so ein Trend, da gab es eher den Gin-Tonic-Hype“, erinnert sich Firmengründerin Anna Abermann. Als die Tonic-Linie von Wonderful Drinks dann im vergangenen Jahr lanciert wurde, „sind wir voll mit Low
Alcohol mitgerutscht, obwohl wir eigentlich auf den GinTonic-Zug aufspringen woll
»Es war nichts los, und das Trinken am Abend hatte etwas Rituelles.«
ten. Das war also eigentlich Zufall.“Ein glücklicher noch dazu, die „Bitterschön“-Getränke, die man auch als fertig gemischte abgefüllte Cocktails vermarktet, verkaufen sich Abermann zufolge sehr gut.
Als Alkoholersatz sieht Abermann das Getränk aber ganz und gar nicht: „Es ist ein eigenständiges Produkt.“An tatsächliche Alkohol-Ersatzmischungen, wie es sie beispielsweise für verschiedene Spirituosen und mittlerweile auch für Wein gibt, würde sie sich als Produzentin nicht heranwagen; zu schwierig sei es, die geschmacksverstärkende Qualität von Alkohol zu erzeugen.
»Ich glaube, dass es leichter ist, ab und zu zu verzichten.«
Liest man sich Kundenbewertungen von Alkohol nachahmenden Produkten durch, weiß man, was Abermann meint: Da wird berichtet, dass man eine Flasche alkoholfreien „Weins“nach einem Schluck weggeleert habe, weil es einfach nicht schmeckte. Außerdem, sagt Abermann, finde sie völligen Ersatz extrem: „Ich glaube, dass es leichter für Menschen ist, ab und zu zu verzichten, als von einem auf den anderen Tag zu sagen: Ich trinke keinen Alkohol mehr. Man muss also Alternativen anbieten – Alternativen, die so gut sind, dass es kein Verzicht ist, Alternativen, für die man sich gern entscheidet. Das ist alltagsund menschenfreundlicher.“
„Zwangsentschleunigung“. Stellt sich nur die Frage, ob Low Alcohol ein Trend ist, der genauso schnell vorbei ist, wie er gekommen ist. Abermann glaubt das nicht, und auch sie macht das an der Coronakrise fest. „Ich glaube, die Leute beschäftigen sich jetzt schon ein bisschen mehr damit, wie sie ihr Immunsystem stärken können – das war ja das Thema 2020. Und ich glaube, die Leute wollen auch weg von diesem ,Mir gehts schlecht‘, weg vom Hangover.“Sie verknüpft eine Lust auf weniger Alkohol auch mit einem generell bewussteren Konsumverhalten, „mit der Frage: Was nehme ich zu mir? Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis das auch den Alkoholkonsum betrifft.“An diese
teilweise widersprechenden Regelungen, vornehmlich abends angekündigt mittels Telegram-Sprachnachricht oder Facebook-Post des Premierministers, gültig ab Mitternacht. Da ist die Behördenwillkür bei der Umsetzung der Maßnahmen. Immerhin: Die Praxis der Polizei in manchen roten Zonen, Lockdown-Sünder mittels Bambuspeitsche zu disziplinieren, wurde nach kurzer Zeit vom Innenminister untersagt.
Am Pranger. Da sind die Medien, die sich mehrheitlich nicht einmal mehr den Anstrich geben, unabhängig zu sein, und lieber das behördliche Anden-Pranger-Stellen von „Fehlverhalten“ungefiltert reproduzieren. Da ist nicht zuletzt eine Perspektivlosigkeit. Manche Regelungen hatten nicht einmal provisorisch ein Auslaufdatum, wurden im Verlauf eher verschärft bzw. „gedoppelt“. In einer Provinz gestrandet, in der man weder wohnt, arbeitet noch Familie hat? Pech gehabt! Keine Auskünfte der zuständigen Behörden. Auch Auslandsvertretungen konnten hiernur freundlich mit den Achseln zucken.
So traumhaft die Umgebung auch war, der Aufenthalt wurde zum Albtraum.
Das alles vor stetig steigenden Zahlen: Anfang Mai waren aus 500 positiven Fällen 17.000 und aus null Toten 107 geworden. Kein Fortkommen aus dieser Isolation. Wir saßen fest: Mein Partner in Phnom Penh im Lockdown, ich auf der kleinen Insel im thailändischen Golf. So traumhaft die direkte Umgebung auch war, das Gesamtbild wurde mehr und mehr zum Albtraum.
Es zeigten sich zunehmend negative Facetten und politische Abgründe des Landes, von denen wir wussten, die wir aber noch nicht gesehen hatten – das „Königreich der Wunder“war entzaubert.
Ersehnte drei Stempel. Nach zehn Wochen konnte ich mit anderen die Insel verlassen. Letztlich sorgten Ausreiseflugtickets, Botschaftsbriefe, die Gunst der Stunde und die Laune der Beamten für die ersehnten drei Stempel und Unterschriften auf der Gen ehmigung zur Rückfahrt in die Hauptstadt.
Ende Mai geht ein Traum in Erfüllung, wir sind in Wien gelandet!