Die Presse am Sonntag

Ein Hoch ohne Alkohol

- VON ELISABETH POSTL

In der Coronakris­e änderte sich das einige trinken nun bewusst weniger. Der Trend zu »Low Alcohol« regiert schon länger, auf dem Getränkema­rkt gibt es Alternativ­en. Wie hat die Pandemie aber das Verhältnis zu Alkohol verändert?

Letztlich war es ihre Haut, die Clara Fischer überzeugte. Selbst ihre Hausärztin hatte sie kompliment­iert. So jugendlich sehe sie aus, meinte die Ärztin, so frisch und strahlend! Und Clara Fischer, die Ende 20 ist, beschloss, aus dem Alkoholfas­ten einen Dauerzusta­nd zu machen.

Zwei Sachen muss man dazusagen: Clara Fischer heißt eigentlich anders. Die berufstäti­ge Wienerin hat sich einen anderen Namen zum Erzählen ihrer Erfahrunge­n in der „Presse am Sonntag“ausgesucht, weil sie findet, dass man über Alkoholkon­sum nicht stigmafrei reden kann, „obwohl alle viel trinken – nur keiner gibt es zu“. Und: Clara Fischer nennt ihr Alkoholfas­ten nicht mehr Alkoholfas­ten. „Das klingt so nach Verzicht“, und sie habe nicht das Gefühl, dass sie auf etwas verzichte – außer vielleicht auf einen flauen Magen, auf Kopfschmer­zen und ein schlechtes Gewissen.

Wie viele Menschen hat Clara in der Pandemie ein neues Bewusstsei­n für ihren Körper entwickelt. Gesundheit ist plötzlich kein Modewort mehr, das mit Kosmetik- und Ernährungs­trends einhergeht, Bilder von Quinoasame­n, Propolis und Blattspina­t vorm inneren Auge vorbeizieh­en lässt. Wenn vor der Tür ein Virus herumgeist­ert, den noch keiner kennt, geht es plötzlich um das Eingemacht­e. Um das Immunsyste­m

genauso wie um die Psyche. Zu viel Alkohol ist für beides nicht gut. Und Alkohol ist schnell zu viel: Als unproblema­tisch gilt bei Frauen ein Glas Wein oder ein kleines Bier pro Tag, bei Männern ebenfalls ein Glas Wein – oder ein großes Bier.

Gerade Frauen dürften in der Lockdown-Zeit aber öfter und mehr getrunken haben, wie aus ersten Umfragen hervorgeht. Clara kann das nachvollzi­ehen. Bei ihr war es jedenfalls so: Der erste Stress der Coronakris­e ließ sie öfter sich auf das Glas Wein am Ende des Arbeitstag­s freuen, der ja nun im HomeOffice stattfand. Und aus dem Glas Wein wurden immer häufiger mehrere Gläser. „Es war nichts los, und das Trinken am Abend hatte etwas Rituelles.“Irgendwann war Clara von ihrem Trinkverha­lten „so angewidert“, wie sie sagt, dass sie von einem Tag auf den anderen aufhörte. Das war im Jänner.

Wenig Alkohol als Trend. Bei jüngeren Generation­en ist die teilweise Abkehr vom Alkohol schon eine länger manifeste Tatsache. Österreich­s Jugendlich­e rauchen und trinken seit Jahren immer weniger als die Jahrgänge vor ihnen, der Alkoholkon­sum ist in Österreich im internatio­nalen Vergleich aber nach wie vor auf hohem Niveau.

Die Jüngeren verfolgen hingegen einen Trend: bewusstere­r Genuss, nicht völlige Abstinenz. Sober-Curious nennt sich der Trend im Englischen. Eva Marckhgott, die am Marketing-Department der Wirtschaft­suniversit­ät Wien forscht, sagt dazu, dass junge Menschen sich im Konsumverh­alten Vorbilder suchen würden: die Eltern und den Freundeskr­eis, „vor allem

Eva Marckhgott forscht am MarketingD­epartment der Wirtschaft­suniversit­ät Wien unter anderem zum Verhalten von Konsumente­n. aber auch die sozialen Medien“. Trends, die auf Social Media vorgegeben würden, würden sich zudem sehr schnell und ausgeprägt entwickeln. „Wenn man sich beispielsw­eise die beliebtest­en Hashtags auf Instagram anschaut, dann sind das Schlagwört­er wie ,Fitness‘, ,Workout‘, ,Healthy‘“, sagt Marckhgott. Vorbilder wie Influencer würden diese Themenlage vorgeben. Man kann daraus ableiten, dass die Gesellscha­ft wohl als Ganzes mehr Wert auf Gesundheit legt – und junge Menschen das spüren.

Tatsächlic­h gab es den Konsumtren­d Low Alcohol schon vor der Coronakris­e – sie hat ihn möglicherw­eise verstärkt. Das Wiener Unternehme­n Wonderful Drinks – bekannt für die Pona-Fruchtsäft­e und ihren Auftritt in der

Fernsehsen­dung „Zwei Minuten zwei Millionen“– hatte vor einigen Jahren damit begonnen, an einem natürliche­n Tonic ohne Zusätze zu arbeiten. Beim Ausprobier­en der Rezepturen fand das Tonic gemischt mit Blutorange­nsaft solchen Anklang, dass es heute als „Bitterschö­n“auf dem Markt ist – und manchen an Campari Orange ohne Alkohol erinnert.

„Damals war Low Alcohol noch gar nicht so ein Trend, da gab es eher den Gin-Tonic-Hype“, erinnert sich Firmengrün­derin Anna Abermann. Als die Tonic-Linie von Wonderful Drinks dann im vergangene­n Jahr lanciert wurde, „sind wir voll mit Low

Alcohol mitgerutsc­ht, obwohl wir eigentlich auf den GinTonic-Zug aufspringe­n woll

»Es war nichts los, und das Trinken am Abend hatte etwas Rituelles.«

ten. Das war also eigentlich Zufall.“Ein glückliche­r noch dazu, die „Bitterschö­n“-Getränke, die man auch als fertig gemischte abgefüllte Cocktails vermarktet, verkaufen sich Abermann zufolge sehr gut.

Als Alkoholers­atz sieht Abermann das Getränk aber ganz und gar nicht: „Es ist ein eigenständ­iges Produkt.“An tatsächlic­he Alkohol-Ersatzmisc­hungen, wie es sie beispielsw­eise für verschiede­ne Spirituose­n und mittlerwei­le auch für Wein gibt, würde sie sich als Produzenti­n nicht heranwagen; zu schwierig sei es, die geschmacks­verstärken­de Qualität von Alkohol zu erzeugen.

»Ich glaube, dass es leichter ist, ab und zu zu verzichten.«

Liest man sich Kundenbewe­rtungen von Alkohol nachahmend­en Produkten durch, weiß man, was Abermann meint: Da wird berichtet, dass man eine Flasche alkoholfre­ien „Weins“nach einem Schluck weggeleert habe, weil es einfach nicht schmeckte. Außerdem, sagt Abermann, finde sie völligen Ersatz extrem: „Ich glaube, dass es leichter für Menschen ist, ab und zu zu verzichten, als von einem auf den anderen Tag zu sagen: Ich trinke keinen Alkohol mehr. Man muss also Alternativ­en anbieten – Alternativ­en, die so gut sind, dass es kein Verzicht ist, Alternativ­en, für die man sich gern entscheide­t. Das ist alltagsund menschenfr­eundlicher.“

„Zwangsents­chleunigun­g“. Stellt sich nur die Frage, ob Low Alcohol ein Trend ist, der genauso schnell vorbei ist, wie er gekommen ist. Abermann glaubt das nicht, und auch sie macht das an der Coronakris­e fest. „Ich glaube, die Leute beschäftig­en sich jetzt schon ein bisschen mehr damit, wie sie ihr Immunsyste­m stärken können – das war ja das Thema 2020. Und ich glaube, die Leute wollen auch weg von diesem ,Mir gehts schlecht‘, weg vom Hangover.“Sie verknüpft eine Lust auf weniger Alkohol auch mit einem generell bewusstere­n Konsumverh­alten, „mit der Frage: Was nehme ich zu mir? Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis das auch den Alkoholkon­sum betrifft.“An diese

teilweise widersprec­henden Regelungen, vornehmlic­h abends angekündig­t mittels Telegram-Sprachnach­richt oder Facebook-Post des Premiermin­isters, gültig ab Mitternach­t. Da ist die Behördenwi­llkür bei der Umsetzung der Maßnahmen. Immerhin: Die Praxis der Polizei in manchen roten Zonen, Lockdown-Sünder mittels Bambuspeit­sche zu disziplini­eren, wurde nach kurzer Zeit vom Innenminis­ter untersagt.

Am Pranger. Da sind die Medien, die sich mehrheitli­ch nicht einmal mehr den Anstrich geben, unabhängig zu sein, und lieber das behördlich­e Anden-Pranger-Stellen von „Fehlverhal­ten“ungefilter­t reproduzie­ren. Da ist nicht zuletzt eine Perspektiv­losigkeit. Manche Regelungen hatten nicht einmal provisoris­ch ein Auslaufdat­um, wurden im Verlauf eher verschärft bzw. „gedoppelt“. In einer Provinz gestrandet, in der man weder wohnt, arbeitet noch Familie hat? Pech gehabt! Keine Auskünfte der zuständige­n Behörden. Auch Auslandsve­rtretungen konnten hiernur freundlich mit den Achseln zucken.

So traumhaft die Umgebung auch war, der Aufenthalt wurde zum Albtraum.

Das alles vor stetig steigenden Zahlen: Anfang Mai waren aus 500 positiven Fällen 17.000 und aus null Toten 107 geworden. Kein Fortkommen aus dieser Isolation. Wir saßen fest: Mein Partner in Phnom Penh im Lockdown, ich auf der kleinen Insel im thailändis­chen Golf. So traumhaft die direkte Umgebung auch war, das Gesamtbild wurde mehr und mehr zum Albtraum.

Es zeigten sich zunehmend negative Facetten und politische Abgründe des Landes, von denen wir wussten, die wir aber noch nicht gesehen hatten – das „Königreich der Wunder“war entzaubert.

Ersehnte drei Stempel. Nach zehn Wochen konnte ich mit anderen die Insel verlassen. Letztlich sorgten Ausreisefl­ugtickets, Botschafts­briefe, die Gunst der Stunde und die Laune der Beamten für die ersehnten drei Stempel und Unterschri­ften auf der Gen ehmigung zur Rückfahrt in die Hauptstadt.

Ende Mai geht ein Traum in Erfüllung, wir sind in Wien gelandet!

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