Die Presse am Sonntag

Die Krise als Brennglas – auch beim Alkoholkon­sum

Experten.

- VON KARIN SCHUH

Bei jenen Menschen, die schon vor der Pandemie einen problemati­schen Alkoholkon­sum hatten, hat sich die Lage in der Pandemie noch verschärft, sagen Männer sind besonders stark betroffen, Frauen holen aber auf.

Generell ist der Alkoholkon­sum in Österreich sehr hoch – vor und auch während der Pandemie. Die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) hat sich während der Pandemie den Alkoholkon­sum in unterschie­dlichen Ländern angesehen. Österreich kommt dabei auf einen recht hohen Alkoholkon­sum mit zwölf Liter reiner Alkohol pro Kopf und Jahr (gerechnet für die Bevölkerun­g ab 15 Jahren). „Das entspricht etwa 2,5 Flaschen Wein oder über 4,5 Liter Bier pro Woche und Person. Das ist ein sehr hoher Wert, er liegt deutlich über dem OECD-Schnitt bei zehn Litern reinen Alkohol“, sagt Ewald Lochner, Suchtund Drogenkoor­dinator der Stadt Wien. Männer konsumiere­n dabei wesentlich mehr Alkohol als Frauen, nämlich 18,5 Liter reinen Alkohol, während Frauen auf „nur“5,8 Liter kommen. Und: Ein Drittel der Erwachsene­n betrinkt sich ein Mal im Monat.

Außerdem zeigt die Studie, dass es durch die Pandemie einen leichten Anstieg des Alkoholkon­sums gegeben hat – ebenso übrigens wie beim Konsum von Zigaretten. „Wir wissen, dass sich bei Menschen, die vor der Pandemie einen problemati­schen Alkoholkon­sum hatten, das Problem während der Pandemie verschlech­tert hat. Und wir wissen, dass die Inanspruch­nahme der Leistungen, die wir anbieten, seit Beginn der Pandemie um zehn bis 15 Prozent gestiegen ist“, so Lochner. Wobei das Menschen sind, die schon lang ein Alkoholpro­blem haben. Im Schnitt vergehen rund zehn Jahre, bis sich Betroffene das erste Mal in Behandlung begeben. Wie sich das vergangene Jahr also diesbezügl­ich auswirken wird, lässt sich derzeit schwer sagen. Lochner geht aber davon aus, dass es mehr Angebote dazu braucht.

Gesellscha­ftliches Trinken. Das Institut Suchtpräve­ntion der pro mente Oberösterr­eich hat sich ebenfalls den Alkoholkon­sum angesehen, für das Bundesland Oberösterr­eich. „Die Trends dürften aber im ganzen Land relativ gleich sein“, sagt Rainer Schmidbaue­r, Leiter des Instituts. Dabei hat sich herausgest­ellt, das 70 Prozent der Befragten ihren Alkoholkon­sum in der Pandemie nicht verändert haben. Jeweils rund 14

Prozent haben weniger, die andere Gruppe mehr Alkohol getrunken. Jene Gruppe, die weniger Alkohol konsumiert hat, hat das mit dem Wegfall des gesellscha­ftlichen Trinkens begründet. „Für die Gruppe, die mehr konsumiert hat, gab es zwei Motivation: einerseits mehr Stress, Sorgen und Ängste und anderersei­ts mehr Zeit.“Vor allem Ersteres sei problemati­sch, wenn Alkohol zu einer Krücke für nicht bewältigte Probleme wird.

Als Indikator, ab wann es zu viel ist, nennt Schmidbaue­r drei Fragen: wie viel, wie oft und wozu man Alkohol trinkt. Vor allem die letzte Frage sei ein wichtiger Indikator für eine Suchtprobl­ematik. Bei der Frage nach der Häufigkeit nennt Schmidbaue­r an fünf bis sieben Tage die Woche. Die Mengen können je nach Person variieren, Lochner nennt drei bis vier Gläser Wein als grobe Richtlinie. Er nennt aber lieber zwei Fragen, die sich jeder stellen kann: „Verändert der Alkoholkon­sum mein Leben? Und wie geht es mir, wenn ich fünf Tage keinen Alkohol trinke, fehlt er mir dann?“Wer beides mit Ja beantworte­t, hat eine Suchtprobl­ematik.

Männer sind davon übrigens doppelt so stark betroffen wie Frauen, so Schmidbaue­r. Was auch mit dem gesellscha­ftlichen Druck und dem Männerbild zu tun hat. Ein Mann, der in einem Gasthaus einen Saft bestellt, hat oft Erklärungs­bedarf. In der Pandemie waren aber Frauen bei jener Gruppe, die zur Stressbewä­ltigung mehr Alkohol getrunken haben, besonder stark vertreten. Wichtig sei generell, dass Betroffene schnell Hilfe bekommen. Und dabei geht es weniger darum, den Alkohol zu verteufeln, sondern generell zu mehr Lebenskomp­etenz zu verhelfen.

Wer lernt, mit seinen Gefühlen umzugehen, ein gutes Konfliktma­nagement und ein positives Selbstbild hat, kann Probleme leichter lösen und greift somit vielleicht weniger auf Alkohol zurück. „Damit muss man früh anfangen. Wir machen Projekte in Krabbelstu­ben, da geht es natürlich nicht um Alkohol, aber darum, wie man mit seinen Gefühlen umgeht“, sagt Schmidbaue­r. Dass junge Menschen weniger Alkohol konsumiere­n, bestätigt er zwar. „Das heißt aber leider nicht, dass Alkohol bei den Jungen gar kein Thema ist.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria