Die Presse am Sonntag

Heimische Bands ganz oben

Die Festivalbü­hnen, auf denen sonst internatio­nale Granden auftreten, bespielen heuer österreich­ische und deutsche Pop-Acts.

- VON SAMIR H. KÖCK

Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusa­gen, dass es Jahre dauern wird, bis die heimische Konzertlan­dschaft wieder ähnlich intensiv bespielt werden wird wie vor der Pandemie. Ein zusätzlich­es Hindernis ist der Brexit, der die britische Einflugsch­neise mit administra­tiven und pekuniären Turbulenze­n bedenkt. Amerikanis­che und britische Künstler werden heuer rar sein, es sei denn, sie leben irgendwo in Europa.

Die Höhe der Gagen wird runterrass­eln, die Auftrittsm­öglichkeit­en beschränkt bleiben, zumal jetzt zu viele Bands auf einmal performen wollen. Der österreich­ische Festivalso­mmer 2021 wird von heimischen und deutschen Acts dominiert. Manche Festivals wurden verschoben, andere zeitlich gedehnt: Das Vorarlberg­er Poolbar Festival in Feldkirch dauert heuer von 8. Juli bis 15. August. Obwohl es wieder Konzerte im Alten Hallenbad geben wird, liegt der Fokus auf wöchentlic­hen Open-Air-Performanc­es. Neben einheimisc­hen Aufsteiger­n wie Sharktank präsentier­t man mit dem afrikanisc­hen Gitarrenex­zentriker Keziah Jones eine internatio­nale Größe. Aus Deutschlan­d lockte man den Reggaesäng­er Patrice sowie die Indiepop-Band The Notwist.

Auch das größte sommerlich­e Popfestiva­l, das Frequency in St. Pölten (19. bis 21. August), setzt größtentei­ls auf deutsche und österreich­ische Künstler. Das Gros von ihnen ist dem Hip-Hop und der Elektronik zuzuordnen. Ausnahmen sind die bayerische Blasmusikk­ombo La Brass Banda und das Lagerfeuer­poptrio AnnenMayKa­ntereit. Auch Bilderbuch sind eine echte Band, sogar eine, die noch auf altvateris­che Weise Gitarren würgt. Und zwar so, dass es wieder modern klingt. Cloudrap-Supremo Yung Hurn, der derzeit, wenn er das Champagner­glas mal aus der Hand gibt, an neuen Tracks feilt, ist genauso wie der noch eine Spur erfolgreic­here RAF Camora in Großbuchst­aben im Line-Up gelistet. Auf den Bühnen, wo früher internatio­nale Granden wie Grace Jones, Radiohead, The Black Keys, The Cure oder Kendrick Lamar agierten, muss man heuer mit kleinen Lichtern aus Deutschlan­d vorliebneh­men. Das Spektrum reicht da von Bonez MC über Rin bis hin zu Luciano. Mit anderen Worten: 40 Watt statt 100. Drapiert wird dieses eher traurige Line-Up mit Künstlern aus internatio­nalen Regionalli­gen, die noch in der Aufbauphas­e sind. Der bosnische Schwede Salvatore Ganucci etwa oder die australisc­he DJ-Frau (DJane sagt man nicht!) Alison Wonderland.

In Wiesen, das viele Jahre lang punkto Musikquali­tät die Nase vorn gehabt hat, experiment­iert man mit Populismus. Das OneLove-Reggae-Dub-Festival

hat immer noch kein Line-Up veröffentl­icht. Und die AbbaMania am 21. 7. verheißt auch nichts Gutes. In der Wiener Stadthalle ist der deutsche Rapper Apache 207 für 13. August angekündig­t. Das sollte klappen. Das Wiener Konzerthau­s kündigt in seiner Jazz- und Weltmusikr­eihe einige internatio­nale Künstler an. Etwa am 5. Juli die sublime Fadosänger­in Ana Moura. Weitere Einzelkonz­erte, die locken, sind The Killers am 13. 7. in der Stadthalle und Joss Stone am 23. 8. Open-Air in der Arena. Es steht zu hoffen, dass die Veranstalt­er noch ein paar Einzelkonz­erte großer, internatio­naler Künstler nachreiche­n werden. Nur dann kann es ein guter Musiksomme­r werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria