Die Vorreiterinnen des Feminismus
Auktionswoche. Das Dorotheum versteigert im Rahmen der Classic Week unter anderem ein Gemälde der Barockmalerin Artemisia Gentileschi, die mit dem Boom der Kunst von Frauen preislich stark gestiegen ist.
Artemisia Gentileschi ist eine der wenigen bekannten Meisterinnen des italienischen Barocks, die in die Kunstgeschichte Eingang fanden. Wegen ihrer unabhängigen künstlerischen Karriere und ihrer Vorliebe für starke Frauenfiguren wird sie als Vorreiterin des Feminismus gefeiert. Für ihre Bilder wählte sie kraftvolle, heroische Frauen der antiken und christlichen Mythologie.
Die Gewaltdarstellungen reflektieren ihre eigene Gewalterfahrung. Als Opfer sexuellen Missbrauchs im Alter von 16 Jahren brachten sie und ihr Vater, Orazio Gentileschi, ganz unüblich damals, ihren Peiniger vor Gericht. Sie wuchs im Atelier des Vaters auf, lernte malen und hatte bald Erfolg. Gentileschi war, wie auch ihr Vater, von Caravaggio beeinflusst. Entsprechend prägten Realismus, Dramatik bei Thema und Darstellung sowie das Chiaroscuro – der starke Kontrast von Hell und Dunkel, Licht und Schatten – ihr Werk. Ihre Gemälde wurden von den Adelshäusern in Rom und Neapel geschätzt und erzielten schon damals hohe Preise.
Mit dem Boom bei Kunst von Frauen hat sie in den vergangenen Jahren bei Auktionen stattliche Preissteigerungen erfahren. Der höchste Preis liegt bei vier Millionen Euro, erzielt im November 2019 von Artcurial für „Lucre`ce“. Das Wiener Dorotheum konnte im Oktober 2018 ebenfalls für eine „Lucretia“mit 1,6 Millionen Euro den zweithöchsten Preis der Künstlerin erzielen. Am 8. Juni kommt im Rahmen der Auktion Alter Meister erneut ein Werk der bedeutendsten weiblichen Protagonistin des Caravaggisti-Stils zum Aufruf. „Judith mit der Dienerin und dem Haupt des Holofernes“kommt mit einem Schätzpreis von 300.000 bis 400.000 Euro zum Aufruf.
Caravaggisti. Neben Gentileschi sind in der Dorotheum-Auktion noch weitere sogenannte Caravaggisti vertreten, also Künstler, die als Freunde und Malerkollegen
unter dem Einfluss des Meisters des Lichts, Michelangelo Merisi da Caravaggio, standen. Giovanni Francesco Guerrieri etwa, der 1806 nach Rom zog und dort in einem Kloster unweit von Orazio Gentileschis Atelier lebte. Von ihm kommt das Großformat „Lot und seine Töchter“mit einer Schätzung von 150.000 bis 200.000 Euro zur Auktion.
Caravaggios Stil fand aber auch im Ausland seine Nachahmer: Artemisia lernte im Jahr 1629 den französischen Maler Simon Vouet kennen. Zwischen ihnen entwickelte sich eine für beide Seiten vorteilhafte berufliche Beziehung.
Ein weiterer Künstler im Umkreis von Vouet war Nicolas Re´gnier; die beiden kannten sich vermutlich auch aufgrund ihrer gemeinsamen Herkunft. Von Vouet ist diesmal „Die büßende Maria Magdalena“zu ersteigern, die eine Taxe von 100.000 bis 150.000 Euro hat. Von Re´gnier kommt mit 120.000 bis 180.000 Euro das „Porträt eines Edelmannes als Aeneas“zum Aufruf.
Starke Frauen. Nicht nur bei den Alten Meistern sondern auch bei Gemälden des 19. Jahrhunderts, die das Dorotheum schon am Montag versteigert, gibt es starke Frauen. Marie Bashkirtseff, eine aus einer russischen Landadelsfamilie stammende Malerin, die später mit ihrer Familie nach Paris zog, stellte Menschen in den Mittelpunkt ihrer Bilder. Die meisten ihrer Porträts und Figurendarstellungen sind Frauen gewidmet. „Maries Journal“, ein halb fiktives, halb reales Tagebuch, das ihre Mutter nach ihrem frühen Tod im Alter von nur 27 Jahren veröffentlichte, ist weltberühmt und wurde zu einem Kultbuch ihrer Frauengeneration. Gleich zwei Mal wurde Bashkirtseffs Leben verfilmt und sogar ein Asteroid nach ihr benannt.
Neben Gentileschi kommen im Dorotheum weitere Caravaggisti zum Aufruf. »Die Lesende« war Teil der Ausstellung »Die Kunst der Frau« in der Secession.
Bashkirtseff war hochemotional und streng zu sich selbst und zerstörte Werke, mit denen sie nicht zufrieden war. So verfuhr sie auch mit „Die Lesende“, ein Porträt ihrer Cousine Dina Babanina. Weil Bashkirtseff das Bild nicht ähnlich genug fand, zerschnitt sie es mit dem Messer. Die zweite Fassung des Porträts befindet sich im Kunstmuseum von Charkiw in der Ukraine. Maries Mutter bewahrte aber die erste, zerschnittene Version heimlich auf. Nach dem Tod ihrer Tochter klebte sie die Leinwand zusammen und überließ sie 1910 der Wiener Secession für die Ausstellung „Die Kunst der Frau“.
Das Gemälde blieb in Wien, als Geschenk an Margarethe StonboroughWittgenstein, Schwester von Ludwig Wittgenstein, die eine der Hauptsponsorinnen der Ausstellung war, wie Dorotheum-Expertin Olga SugrobovaRoth, weiß. Stonborough-Wittgenstein setzte sich als Mäzenatin für die Gleichstellung der Künstlerinnen in der damals männlich dominierten Kunstszene ein. Dieses Gemälde, das über 100 Jahre im Besitz der Familie Wittgenstein war, es begleitete Margarethe von Wien ins New Yorker Exil und wieder zurück nach Österreich, kommt jetzt mit einem Schätzpreis von 25.000 bis 35.000 Euro zum Aufruf. Der Rekordpreis von 61.800 Euro datiert ins Jahr 2012, erzielt von Sotheby’s ebenfalls für ein Porträt einer Lesenden.