Das Leben in 90 Minuten
Nach seinen zwei Toren in C´ordoba beim 3:2-Triumph gegen Deutschland wird er zum Volkshelden: Selbstvertrauen ist für den Goalgetter kein Fremdwort. Als schillernder Torjäger bleibt er eine Sportlegende. In Barcelona und Hütteldorf.
Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag“, ist nicht nur Ernst Happel überzeugt. 1953, in jenem Jahr, in dem es Elizabeth II. auf den Thron, Sir Edmund Hillary auf den Gipfel des Mount Everest und Marilyn Monroe auf das Playboy-Cover schafft, kommt in Wien der Sohn eines Straßenbahners zur Welt. Hans Krankl. Sein Vater, 30 Jahre lang auch Schiedsrichter, erkennt als Erster sein Talent. Hansis Karriere beginnt beim KSV Straßenbahn.
Ein Vierteljahrhundert später wechselt Hans Krankl von Rapid ins Paradies der Kicker, zum FC Barcelona – wo man Menschen, die Tore schießen, vergöttert wie Operntenöre. Bereits in der ersten Saison für Barca wird Krankl mit 29 Meisterschaftstoren spanischer Torschützenkönig und erhält die umkämpfte Pichichi-Trophäe.
Michael Horowitz
Für kolportierte zwölf Millionen Schilling übersiedelt er zuvor aus Hütteldorf nach Barcelona. Ein bescheidener Betrag, wenn man den teuersten Transfer-Irrsinn der Fußballgeschichte betrachtet: Für den Wechsel vom früheren Krankl-Verein FC Barcelona zu Paris Saint Germain erhält der Brasilianer Neymar 222 Millionen. Euro, nicht Schilling.
Als die Hütteldorfer 1981 ihren Krankl vom FC Barcelona zurückholen, sind neun Millionen Schilling fällig. Um sich die Ablöse leisten zu können, wird der Krankl-Schilling eingeführt – ohne Murren zahlen die grün-weißen Fans einen Schilling mehr für das Ticket.
Selbstvertrauen hat er, der Torjäger, der Goleador, der Graue. Der Weltklassestürmer (Hans Krankls eigene Einschätzung). Manche seiner früheren Kicker-Kollegen sprechen von Egoismus, von übertriebenem Selbstbewusstsein. Wenn es nach ihm ginge, meinen sie, wäre er heute Bundespräsident, Bundeskanzler, Teamchef, Rapid-Trainer und selbst auch Mittelstürmer ... Und Hans Krankl sei ein schlechter Verlierer, der in seiner Wortwahl oft übers Ziel hinausschießt.
Auch das Verhältnis zu Journalisten ist nicht immer friktionsfrei. Dieter Chmelar erinnert sich in seinem Buch „Rapid – der Klub, der keinen kaltlässt“(J&V, 1984): „Als der Autor in die Rapid-Kabine vordringt, wird er höflich, aber sehr bestimmt zum Abmarsch aufgefordert. Draußen stehen zwei Buben. Zehn und zwölf Jahre alt. ,Können
Krankl gilt auch als seltenes Beispiel eines erfolgreich singenden Sportlers.
S´ uns bitte zum Krankl bringen? Wir wollen a Autogramm!‘ Zweiter Versuch des Autors in der Rapid-Kabine. Krankls Augen blitzen zunächst zornentbrannt, aber dann sind sie plötzlich in milden Glanz getaucht. Er sieht die beiden Buben. ,Kommts her.‘ Krankl gibt Autogramme. Auf die Jacke, ins Sammelheft, auf den Rapid-Polster, auf den Unterarm. Und so nebenbei macht der Autor sein Interview. Hans Krankl – der große Bub.“
Der Goalgetter, dessen Idole James Dean und Clint Eastwood sind, ist als Familienmensch bekannt, seine Frau Inge und die drei Kinder bilden den Lebensmittelpunkt. Und er liebt, neben
Film und Mode, Musik. Als Nachtfalke moderiert er auf Radio Wien Ende der 1990er-Jahre eine eigene Musiksendung.
Unter dem Pseudonym Johann K. – ursprünglich ist Käpt´n Krankl im Gespräch – veröffentlicht er mehrere Schallplatten. Und gilt als seltenes Beispiel eines erfolgreich singenden Sportlers: Stolz und selbstbewusst verkündet er „Am Elton John bin i jetzt a scho´ vorbei“, er liegt in der Ö3-Schlager-Hitparade auf Platz zwei. Mit der Cover-Version des Songs von Paul Anka „I´m just a lonely boy“, von Kottan-Erfinder Helmut Zenker wienerisch umgeschrieben: „I bin heut´ ganz alaa“. In einem „Spiegel“-Interview bekennt Hans Krankl 1986: „Im Knabenchor war i nie, aber beim Heurigen hab´ i immer gern g´sungen. Zu Hause hab´ ich 3000 Langspielplatten. Vom Miles Davis bis zum Bruce Springsteen. Sogar Mozart mag i.“
Faszination Fußball. Das Leben in 90 Minuten. Es können 5400 Sekunden für die Ewigkeit sein. Wie in Co´rdoba. Als 1978 Österreichs Kicker nach zwei Jahrzehnten wieder bei einer WM antreten. Und Hans Krankl Sportgeschichte schreibt: Mit seinem Volley ins lange Kreuzeck zum 2:1 gegen Deutschland und dem Solo zum 3:2 – nachdem er Goalie Maier düpiert und den Ball unter ihm ins Netz schiebt –