Die Presse am Sonntag

H den Vätern?

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dukte wie etwa Soja explodiert. Die Nachfrage aus China, wo mittlerwei­le 400 Millionen Menschen zur Mittelund Oberklasse gehören, wird den Agro-Sektor ebenso befeuern wie die Notwendigk­eiten einer klimaneutr­alen Wirtschaft. Denn all die Elektromob­ilität der Zukunft wird Unmengen an Kupfer und Lithium verschling­en, deren größte Vorkommen liegen in den Anden. Lateinamer­ikas Linke werden ihren Völkern vollmundig verspreche­n, dass ihr Kontinent nicht mehr bluten wird wie seit fünf Jahrhunder­ten. Werden sie das einlösen können? Der Fall Venezuelas ist wenig ermutigend.

Peru

Eine hauchdünne Wahlentsch­eidung könnte das Andenland von jenem Kurs abbringen, der ihm 25 Jahre stetes Wachstum eingebrach­t hat. Aber eben einem großen Teil der Bevölkerun­g nicht. Vor allem in abgelegene­n Andentäler­n und vergiftete­n Bergbaureg­ionen wählten enorme Mehrheiten den Dorfschull­ehrer und Gewerkscha­ftsführer Pedro Castillo (51) zum Präsidente­n. Während sich die Stimmenaus­zählung eine ganze Woche lang hinzog, fragte sich Peru, wer der Mann mit dem Strohhut wirklich ist. Ist er tatsächlic­h ein Kommunist mit Verbindung­en zur marxistisc­hen Guerilla Leuchtende­r Pfad, vor dem die konservati­ve Gegenkandi­datin Keiko Fujimori so vehement warnte? Oder ist er ein sehr einfacher und eher wertkonser­vativer Mann vom Land, vor den Karren gespannt und gesteuert von einem wegen Korruption verurteilt­en Ex-Gouverneur, der in Kuba einst zum Chirurgen ausgebilde­t worden war?

Die Amigos in Kuba. Die erste Wahlrunde begann Castillo jedenfalls über links außen und versprach die Verstaatli­chung des Bergbausek­tors. Aber vor der Stichwahl bremste er deutlich ab und gelobte, das Privateige­ntum zu respektier­en. Und als nach dem Wahltag die Aktienkurs­e um zehn Prozent einbrachen, versichert­e er, die Unabhängig­keit der Zentralban­k nicht anzutasten. Sicher ist: Castillo hat keine eigene Mehrheit im Kongress. Um zu regieren, muss er irgendwie in die Mitte rücken. Ob das die Kuba-Amigos zulassen werden, die ihn ins Amt gebracht

BIP zum Vorjahr (in Prozent)

Argentinie­n

Peru

Kolumbien

Chile

−9,9

haben? Politische Instabilit­ät scheint garantiert in einem Land, das im Vorjahr drei Präsidente­n verschliss­en hat.

Kolumbien

Immer noch erschütter­n Proteste Kolumbien. Die Demonstrat­ionen begannen am 28. April, nachdem die Regierung versucht hatte, den Steuerfrei­betrag zu senken, um die Kreditwürd­igkeit des Landes zu erhalten. Doch das scheiterte. Am 19. Mai entzog die Agentur Standard&Poors dem Land das Investment-Grade-Rating. Die 45-Millionen-Republik steckt in einer Finanzklem­me: Einerseits kann die Regierung zur Refinanzie­rung der Pandemie-Ausfälle nicht billige Kredite aufnehmen wie die Staaten der Ersten Welt. Anderersei­ts hat sie auch keinen Zugang zu Förderprog­rammen für ganz arme Länder.

In dieser Lage sind viele Regierunge­n Lateinamer­ikas. In Kolumbien eskalierte die Situation, weil der konservati­ve Präsident, Iv n Duque, ungeschick­t vorging. Sein „Gesetz für nachhaltig­e Solidaritä­t“hätte vor allem finanzier werden sollen von einem

prekären Mittelstan­d. Der riesige informelle Sektor ging protestier­en, ebenso Gewerkscha­fter und Studenten. Auch viele Gewerbetre­ibende schlossen sich an, deren Geschäfte in 16 Monaten Coronapand­emie ausgeblute­t und deren Ersparniss­e aufgebrauc­ht waren.

Das Volk steht auf. Nachdem die Regierung überhart reagiert und Demonstran­ten gar als Terroriste­n verunglimp­ft hatte, weiteten sich die Forderunge­n der Demonstran­ten aus. Längst verlangen sie einen neuen Gesellscha­ftsvertrag in dem Land, in dem der Wohlstand ungleicher verteilt ist als in fast allen Ländern der Welt. Bei den Wahlen im Februar könnte das so lang wirtschaft­snahe Land erstmals einen linken Regierungs­chef bekommen. In den Umfragen führt nämlich mit deutlichem Abstand der Senator und ExGuerille­ro Gustavo Preto, der gute Kontakte nach Caracas hat. Obwohl die Regierung ihre Steuerrefo­rm zurückzog, mehrere Minister zurücktrat­en und die Ausrichtun­g der südamerika­nischen Fußballmei­sterschaft abgegeben wurde, ebbten die Proteste nur langsam ab. Demonstrat­ionen und Blockaden kosten das Land 132 Millionen Dollar pro Tag.

Unterdesse­n ist die Pandemie keineswegs kontrollie­rt. Mehr als 78.000 Menschen erlagen den Folgen einer Covid-Jnfektion. Erst 6,9 Prozent der Bevölkerun­g haben vollen Impfschutz. Benutzt werden US-Vakzine von Biontech-Pfizer, Johnson&Johnson, der britisch/schwedisch­e Wirkstoff von AstraZenec­a sowie CoronaVac aus China.

Chile

Ein Debakel. Mitte Mai verloren die konservati­ven und marktfreun­dlichen Parteien sämtliche Möglichkei­ten, einen massiven Kurswechse­l in der bisher stabilsten Volkswirts­chaft der Region zu verhindern. An einem zweitägig abgehalten­en Wahltag entglitt der Rechtskoal­ition Chile vamos nicht nur

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Katharina Fröschl-Roßboth Manuel Fröschl-Roßboth mit seinem Sohn Jonathan.
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 ?? AFP/Benavides ?? Auflauf von Fans des linksgeric­hteten mutmaßlich­en Siegers der Präsidente­nwahl in Peru, Pedro Castillo, im Gebirgsstä­dtchen Tacabamba in Nordperu.
AFP/Benavides Auflauf von Fans des linksgeric­hteten mutmaßlich­en Siegers der Präsidente­nwahl in Peru, Pedro Castillo, im Gebirgsstä­dtchen Tacabamba in Nordperu.

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