Wiens langer Weg zur »coolen« Stadt
Nach und nach wird Wien gekühlt – auf die ersten kühlmeilen wie Zieglergasse oder Neubaugasse folgen nun Neugestaltungen in dezentraleren Grätzeln wie der »Klima-Boulevard« Thaliastaße oder die »Grüne Oase« Praterstern. Aber noch sind die Projekte kleinteilig – und ihre Umsetzung ist oft unendlich kompliziert.
In der Stadt wird es heißer und heißer. Das ist nicht neu und war in den vergangenen Tagen mehr als deutlich zu spüren – wenn auch nicht überall in der Stadt gleich. Biegt man etwa von der Nachmittagssonne der Mariahilfer Straße in die Neubaugasse ein, braucht man nur wenige Meter, bis einen die erste frische Brise trifft.
An 36 Nebelstelen wird feiner Sprühnebel in die Gasse geblasen. Immer wieder bleibt jemand stehen, besonders Kinder – Mund auf, Zunge in den Nebel, Augen zu und im gefühlten Regen herumtollen, bis die Haare nass sind. Für Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic sind diese Szenen die lebhaften Beweise, dass ihre Planung funktioniert. Schließlich ist die Neubaugasse eines ihrer Prestigeprojekte.
Ihr Büro D\D ist für einige der zentralen Neugestaltungen mit besonderem Fokus auf Anpassung an den Klimawandel verantwortlich: Etwa Wiens erste „Kühle Meile“, die Zieglergasse, sie haben auch an der Gestaltung mehrere Parks oder der Seestadt Aspern mitgeplant, aktuell wird die Thaliastraße nach Plänen ihres Büros umgebaut.
Und von D\D stammt auch der „Masterplan Grün“für den siebenten Bezirk, mit dem dieser zum Vorzeigebezirk in Sachen Klimawandelanpassung werden will. Anhand diese Plans, konkret dem für die Kirchengasse, zeigt Detzlhofer, wie Umgestaltung – hellerer Belag, weniger parkende Autos, mehr Grün, Schatten und Wasser – Kühlung bringt: Hat es ohne Bäume dort an heißen Tagen gefühlte 41 bis 45 Grad, sinkt diese bei der „klassischen“Variante der Umgestaltung (18 Bäume) auf 35 bis 41 Grad, in der „maximalen“Variante (26 Bäume) auf 30 bis 40 Grad, im Modell „radikal“(41 Bäume, Begegnungszone, Platz für Parkplätze wäre da keiner) wäre Abkühlung auf 30 bis 35 Grad drin. Aber, obwohl vielerorts umgeplant wird – so radikal passiert das nicht.
GEkÜHlTE STRASSEn
„Coole Straßen“wie 2020 gibt es heuer nicht. Diese temporär für den Autoverkehr
gesperrten Straßen sollten im vorigen Sommer mit Pflanzen, Kühl- und Sitzgelegenheiten Abkühlung bringen, aber mit dem politischen Wechsel kam eine Abkehr von dieser Art der „Popup-Politik“.
Wiens Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky und Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) setzen nun auf lokale Kühlung, die den Autoverkehr nicht einschränkt – und auf Neugestaltungen, die dauerhaft sind. So werden in den kommenden Monaten mehrere Plätze und Straßen umgestaltet, Bäume, Begrünung, Wasser oder Sitzgelegenheiten sollen Abkühlung, Aufenthaltsqualität und „Klimafitness“bringen. Aktuell laufen entsprechende Projekte in der Zollergasse (7. Bezirk), dort sollen acht Platanen und begrünte Pergolen Schatten spenden, dazu kommen Wasserspiel, Trinkbrunnen oder Staudenbeete. Auch in der Praterstraße (2.) soll die Grünfläche verdoppelt werden, außerdem ist ein begrünter Ring um den gesamten Platz oder Vertikalbegrünung an den Säulen des Vordaches geplant. In der Thaliastraße (16.) laufen die Bauarbeiten bereits: Die Gehsteige werden verbreitert, es kommen 91neue Bäume, 120 neue Sitzplätze, 21 Nebelstelen und 12 Trinkbrunnen, Auch auf dem Gersthofer Platzl (18.) kommen neue Bäume, Sitzflächen, ein Radweg, und dieser zusätzliche Platz soll auch den Markt attraktivieren.
WASSER
Integraler Bestandteil jeder gekühlten Straße ist Wasser: Aus Nebelduschen, „Coolen Stellen“, aus denen es vernebelt wird, oder aus Trinkbrunnen mit Sprühfunktion, die an Tagen mit mehr als 30 Grad aktiviert wird, etwa. Die Stadt baut diese Art von Kühlmaßnahmen derzeit in der ganzen Stadt aus, in Summe wird mittlerweile an 260 Stellen Wasser zur Abkühlung versprüht und vernebelt, 50 mehr als vorigen Somer. Auch die Wasserspiele in Parks werden erweitert: 111 Spielplätze mit Wasserspielmöglichkeiten gibt es bereits, fünf neue Anlagen, etwa im Lichtentalerpark
am Alsergrund, werden heuer fertiggestellt. Seit 2020 gibt es mit dem Esterha´zypark beim Haus des Meeres auch einen ersten „Cooling Park“: Dort soll unter anderem ein 30-Quadratmeter-„Coolspot“, umringt mit Sprühnebeldüsen und überwachsen von Kletterpflanzen, für Abkühlung sorgen. Darüber hinaus steht in 1100 Trinkbrunnen kaltes Hochquellwasser zur Verfügung. Und an besonders heißen Tagen sollen auch heuer Sprühschläuche auf Plätzen verlegt werden – an einzelnen Tagen wird auch der Wasservorhang am Karlsplatz wieder aufgestellt.
BEGRÜnUnG
Im Kampf gegen die Hitze läuft außerdem eine heuer gestartete „Grünraumoffensive“: In den kommenden fünf Jahren sollen rund 400.000 Quadratmeter Grünflächen durch neue und erneuerte Parkflächen geschaffen werden, für die Hälfte davon soll heuer in 23 Projekten der Grundstein gelegt werden: Eines davon ist etwa der Elinor-Ostrom-Park in der Seestadt Aspern mit 28.000 Quadratmetern Fläche, der im September eröffnet wird. Mit der „Freien Mitte“entsteht auch im Stadterweiterungsgebiet Nordbahnhof ein neuer Park – inklusive „Stadtwildnis“zum Artenschutz. Außerdem sollen neue Wälder geschaffen werden, etwa der Norbert-Scheed-Wald, der in der Donaustadt entsteht.
Bis 2025 sollen in Summe 25.000 neue Stadtbäume gepflanzt werden, davon etwa 3000 an 500 neuen Standorten. Damit diese Bäume die heißen kommenden Jahrzehnte überleben, werden geeignete Arten gepflanzt: So wird etwa der Celtis, der Zürgelbaum vermehrt in Wien gepflanzt. Und vermehrt wird auf das Prinzip Schwammstadt gesetzt: Dabei soll der Wurzelraum auch unter Fahrbahnen oder Gehwegen erweitert werden, mit komplexen Systemen wird ein Regenwasserspeicher möglich, sodass die Bäume nicht mehr bewässert werden müssen und große, Schatten spendende Kronen bilden können. Neben der Begrünung des öffentlichen Raums gibt es diverse Förderungen für Gebäudebegrünung. Diese Pflanzen an Fassaden, auf Dächern und in Höfen sollen lokal kühlen, aber auch die Artenvielfalt in der Stadt schützen.
FÖRDERUnG
Im April hat der Gemeinderat ein Förderprogramm für die Anpassung der Stadt an den Klimawandel beschlossen. 100 Mio. Euro sollen bis 2025 mit den Bezirken für Begrünung, Maßnahmen zur Kühlung, Beschattung, Entsiegelung, mehr Parks oder Wasserflächen eingesetzt werden, pro Jahr also 20 Millionen Euro. Kritiker, Klimaoder Verkehrsaktivisten etwa, kritisieren allerdings, dass in Wien nach wie vor zu wenig passiere, dass etwa nach wie vor große versiegelte Flächen entstehen und Maßnahmen zur Kühlung nur möglich sind, solange diese keine Einschnitte beim Verkehr mit sich bringen. Die Planerinnen
Anna Detzlhofer und Sabine
Dessovic loben zwar die Ambitionen der Stadt. Aber „das