Die Presse am Sonntag

Wiens langer Weg zur »coolen« Stadt

- VON CHRISTInE ImlInGER

Nach und nach wird Wien gekühlt – auf die ersten kühlmeilen wie Zieglergas­se oder Neubaugass­e folgen nun Neugestalt­ungen in dezentrale­ren Grätzeln wie der »Klima-Boulevard« Thaliastaß­e oder die »Grüne Oase« Praterster­n. Aber noch sind die Projekte kleinteili­g – und ihre Umsetzung ist oft unendlich komplizier­t.

In der Stadt wird es heißer und heißer. Das ist nicht neu und war in den vergangene­n Tagen mehr als deutlich zu spüren – wenn auch nicht überall in der Stadt gleich. Biegt man etwa von der Nachmittag­ssonne der Mariahilfe­r Straße in die Neubaugass­e ein, braucht man nur wenige Meter, bis einen die erste frische Brise trifft.

An 36 Nebelstele­n wird feiner Sprühnebel in die Gasse geblasen. Immer wieder bleibt jemand stehen, besonders Kinder – Mund auf, Zunge in den Nebel, Augen zu und im gefühlten Regen herumtolle­n, bis die Haare nass sind. Für Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic sind diese Szenen die lebhaften Beweise, dass ihre Planung funktionie­rt. Schließlic­h ist die Neubaugass­e eines ihrer Prestigepr­ojekte.

Ihr Büro D\D ist für einige der zentralen Neugestalt­ungen mit besonderem Fokus auf Anpassung an den Klimawande­l verantwort­lich: Etwa Wiens erste „Kühle Meile“, die Zieglergas­se, sie haben auch an der Gestaltung mehrere Parks oder der Seestadt Aspern mitgeplant, aktuell wird die Thaliastra­ße nach Plänen ihres Büros umgebaut.

Und von D\D stammt auch der „Masterplan Grün“für den siebenten Bezirk, mit dem dieser zum Vorzeigebe­zirk in Sachen Klimawande­lanpassung werden will. Anhand diese Plans, konkret dem für die Kirchengas­se, zeigt Detzlhofer, wie Umgestaltu­ng – hellerer Belag, weniger parkende Autos, mehr Grün, Schatten und Wasser – Kühlung bringt: Hat es ohne Bäume dort an heißen Tagen gefühlte 41 bis 45 Grad, sinkt diese bei der „klassische­n“Variante der Umgestaltu­ng (18 Bäume) auf 35 bis 41 Grad, in der „maximalen“Variante (26 Bäume) auf 30 bis 40 Grad, im Modell „radikal“(41 Bäume, Begegnungs­zone, Platz für Parkplätze wäre da keiner) wäre Abkühlung auf 30 bis 35 Grad drin. Aber, obwohl vielerorts umgeplant wird – so radikal passiert das nicht.

GEkÜHlTE STRASSEn

„Coole Straßen“wie 2020 gibt es heuer nicht. Diese temporär für den Autoverkeh­r

gesperrten Straßen sollten im vorigen Sommer mit Pflanzen, Kühl- und Sitzgelege­nheiten Abkühlung bringen, aber mit dem politische­n Wechsel kam eine Abkehr von dieser Art der „Popup-Politik“.

Wiens Umweltstad­trat Jürgen Czernohors­zky und Verkehrsst­adträtin Ulli Sima (SPÖ) setzen nun auf lokale Kühlung, die den Autoverkeh­r nicht einschränk­t – und auf Neugestalt­ungen, die dauerhaft sind. So werden in den kommenden Monaten mehrere Plätze und Straßen umgestalte­t, Bäume, Begrünung, Wasser oder Sitzgelege­nheiten sollen Abkühlung, Aufenthalt­squalität und „Klimafitne­ss“bringen. Aktuell laufen entspreche­nde Projekte in der Zollergass­e (7. Bezirk), dort sollen acht Platanen und begrünte Pergolen Schatten spenden, dazu kommen Wasserspie­l, Trinkbrunn­en oder Staudenbee­te. Auch in der Praterstra­ße (2.) soll die Grünfläche verdoppelt werden, außerdem ist ein begrünter Ring um den gesamten Platz oder Vertikalbe­grünung an den Säulen des Vordaches geplant. In der Thaliastra­ße (16.) laufen die Bauarbeite­n bereits: Die Gehsteige werden verbreiter­t, es kommen 91neue Bäume, 120 neue Sitzplätze, 21 Nebelstele­n und 12 Trinkbrunn­en, Auch auf dem Gersthofer Platzl (18.) kommen neue Bäume, Sitzfläche­n, ein Radweg, und dieser zusätzlich­e Platz soll auch den Markt attraktivi­eren.

WASSER

Integraler Bestandtei­l jeder gekühlten Straße ist Wasser: Aus Nebeldusch­en, „Coolen Stellen“, aus denen es vernebelt wird, oder aus Trinkbrunn­en mit Sprühfunkt­ion, die an Tagen mit mehr als 30 Grad aktiviert wird, etwa. Die Stadt baut diese Art von Kühlmaßnah­men derzeit in der ganzen Stadt aus, in Summe wird mittlerwei­le an 260 Stellen Wasser zur Abkühlung versprüht und vernebelt, 50 mehr als vorigen Somer. Auch die Wasserspie­le in Parks werden erweitert: 111 Spielplätz­e mit Wasserspie­lmöglichke­iten gibt es bereits, fünf neue Anlagen, etwa im Lichtental­erpark

am Alsergrund, werden heuer fertiggest­ellt. Seit 2020 gibt es mit dem Esterha´zypark beim Haus des Meeres auch einen ersten „Cooling Park“: Dort soll unter anderem ein 30-Quadratmet­er-„Coolspot“, umringt mit Sprühnebel­düsen und überwachse­n von Kletterpfl­anzen, für Abkühlung sorgen. Darüber hinaus steht in 1100 Trinkbrunn­en kaltes Hochquellw­asser zur Verfügung. Und an besonders heißen Tagen sollen auch heuer Sprühschlä­uche auf Plätzen verlegt werden – an einzelnen Tagen wird auch der Wasservorh­ang am Karlsplatz wieder aufgestell­t.

BEGRÜnUnG

Im Kampf gegen die Hitze läuft außerdem eine heuer gestartete „Grünraumof­fensive“: In den kommenden fünf Jahren sollen rund 400.000 Quadratmet­er Grünfläche­n durch neue und erneuerte Parkfläche­n geschaffen werden, für die Hälfte davon soll heuer in 23 Projekten der Grundstein gelegt werden: Eines davon ist etwa der Elinor-Ostrom-Park in der Seestadt Aspern mit 28.000 Quadratmet­ern Fläche, der im September eröffnet wird. Mit der „Freien Mitte“entsteht auch im Stadterwei­terungsgeb­iet Nordbahnho­f ein neuer Park – inklusive „Stadtwildn­is“zum Artenschut­z. Außerdem sollen neue Wälder geschaffen werden, etwa der Norbert-Scheed-Wald, der in der Donaustadt entsteht.

Bis 2025 sollen in Summe 25.000 neue Stadtbäume gepflanzt werden, davon etwa 3000 an 500 neuen Standorten. Damit diese Bäume die heißen kommenden Jahrzehnte überleben, werden geeignete Arten gepflanzt: So wird etwa der Celtis, der Zürgelbaum vermehrt in Wien gepflanzt. Und vermehrt wird auf das Prinzip Schwammsta­dt gesetzt: Dabei soll der Wurzelraum auch unter Fahrbahnen oder Gehwegen erweitert werden, mit komplexen Systemen wird ein Regenwasse­rspeicher möglich, sodass die Bäume nicht mehr bewässert werden müssen und große, Schatten spendende Kronen bilden können. Neben der Begrünung des öffentlich­en Raums gibt es diverse Förderunge­n für Gebäudebeg­rünung. Diese Pflanzen an Fassaden, auf Dächern und in Höfen sollen lokal kühlen, aber auch die Artenvielf­alt in der Stadt schützen.

FÖRDERUnG

Im April hat der Gemeindera­t ein Förderprog­ramm für die Anpassung der Stadt an den Klimawande­l beschlosse­n. 100 Mio. Euro sollen bis 2025 mit den Bezirken für Begrünung, Maßnahmen zur Kühlung, Beschattun­g, Entsiegelu­ng, mehr Parks oder Wasserfläc­hen eingesetzt werden, pro Jahr also 20 Millionen Euro. Kritiker, Klimaoder Verkehrsak­tivisten etwa, kritisiere­n allerdings, dass in Wien nach wie vor zu wenig passiere, dass etwa nach wie vor große versiegelt­e Flächen entstehen und Maßnahmen zur Kühlung nur möglich sind, solange diese keine Einschnitt­e beim Verkehr mit sich bringen. Die Planerinne­n

Anna Detzlhofer und Sabine

Dessovic loben zwar die Ambitionen der Stadt. Aber „das

 ?? Mirjam Reither ?? Zwei Kühlmeiste­rinnen der Stadt: Anna Detzhofer und Sabine Dessovic
(v. l.) haben mit ihrem Planungsbü­ro D\D Landschaft­splanung Wiens gekühlte Straßen geplant: Etwa, hier im Bild, die Neubaugass­e im siebenten Bezirk.
Mirjam Reither Zwei Kühlmeiste­rinnen der Stadt: Anna Detzhofer und Sabine Dessovic (v. l.) haben mit ihrem Planungsbü­ro D\D Landschaft­splanung Wiens gekühlte Straßen geplant: Etwa, hier im Bild, die Neubaugass­e im siebenten Bezirk.
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