E-)Vision
Beinen gut darüber stehen kann“, sagt Schmolmüller. „Die Vorteile sind etwa, dass man weniger offenen Boden hat und dass man das Gemüse wahnsinnig dicht aneinandersetzen kann.“
In einem der beiden Folientunnel – Rabel und Schmolmüller nennen ihn „Sisi“– wachsen verschiedene Paradeisersorten, die mit Basilikum unterpflanzt sind („Das hilft gegen verschiedene Pilzkrankheiten.“), zudem leuchten einem blaue Kornblumen entgegen und roter Klatschmohn, der sich ganz von selbst auch zwischen den Beeten und rund um die Felder ausgebreitet hat. „Den haben wir stehen lassen, denn er zieht Nützlinge an – und er ist einfach schön“, sagt Bianca Rabel.
Im zweiten, etwas größeren Folientunnel – dem „Franz“, „Rudolf“wurde vor ein paar Wochen abgebaut – befindet sich neben Gurken oder Melanzani auch das Experimentierbeet: mit Okraschoten, Malabarspinat und Spaghettibohnen, ähnlich wie Fisolen, die über einen halben Meter lang werden können. Auch Kardamom haben die beiden vor Kurzem hier eingepflanzt, genauso wie Ingwer, der noch relativ schüchtern aus der Erde schaut. „Und nicht. In der Marktgärtnerei ist dieser zeitliche Wechsel viel flexibler möglich, auch das verbessert die Produktivität.“
Den Boden dabei nicht auszubeuten gehört zum Grundkonzept. Er wird etwa wenig oder teilweise fast gar nicht bearbeitet, um das Bodenleben nicht zu stören, Unkraut wird mitunter als Mulch verwendet, was wiederum Nährstoffe bringt: „Da entstehen Kreisläufe, und die sind immer das genialste Konzept der Natur, um sich auf Nachhaltigkeit auszurichten“, sagt Palme. „Das ist genau das, was uns in der modernen Landwirtschaft fehlt.“
Wofür das ebenfalls gilt: die Vielfalt, ebenfalls ein tragendes Prinzip. „Vielfalt am Betrieb ist der Garant für die ökologische Stabilität“, sagt Wolfgang Palme. Und auch aus ökonomischen Gründen ist sie für Marktgärtner unabdingbar: „Welcher Kunde bleibt mir bei der Stange, wenn er über Wochen und Monate nur dieselben Gemüse bekommt? Ich möchte und muss meinen Kunden ja vielfältig ernähren, ich muss ihm Abwechslung bieten.“
Denn ein Kennzeichen der Marktgärtnerei ist – wie der Name eigentlich dann haben wir da noch ein bisschen Platz für irgendwas.“
Wollen keine Wüste. Ein paar Schritte entfernt strecken neben dem Tunnel kleine Melonenpflanzen ihre Köpfchen aus dem Stroh – und bald werden auch noch weitere Beete gemulcht: Das unterdrückt nicht nur auf natürliche Weise das Unkraut und zieht Nützlinge an – das Feld der beiden Frauen soll dereinst zu einem „Habitatparadies“werden, die ersten Holzbienen und Vögelchen sind schon da. Das Mulchen hilft auch beim Wassersparen und bedeckt und schützt somit den Boden.
»Heutzutage ist man schon sehr entfremdet von der Lebensmittelproduktion.«
Der Boden ist die wichtigste Ressource von Schmolmüller und Rabel, weshalb sie ihn besonders gut pflegen und ihn gesund und vital halten: etwa mit der Gründüngung, die sie angebaut haben, bevor es ans Gemüse ging. „Wir wollen regenerative Landwirtschaft betreiben“, schon sagt – die Vermarktung, die direkt abläuft und nicht über den Handel. „Da wird sehr kundennah gearbeitet“, sagt Palme: Mit Ernteanteilen, mit Gemüseabonnements oder auf Wochenmärkten. „Dieses Konzept ist nicht nur ein Warendistributionsansatz, sondern auch eine Begegnungszone in der Gesellschaft. Menschen verstehen so wieder, wie Lebensmittel entstehen, was die Prozesse dahinter sind, und entwickeln ein kritisches Bewusstsein.“
Keine Spinnerei von Freaks. Für Palme hat die Marktgärtnerei jedenfalls großes Potenzial. „Das ist nicht einfach eine Spinnerei von ein paar Freaks, sondern da wird auch sehr viel Wert auf eine ökonomische Handhabung gelegt“, sagt er. „Und man kann davon ausgehen, dass Städte wie Wien, Berlin oder Paris, die mitten im fruchtbarsten Ackerland liegen, auf diese Art versorgt werden könnten.“Noch ist es nicht so weit. Aber zu den rund 50 Marktgärtnerbetrieben, die es laut seiner Schätzung in Österreich derzeit gibt, kommen laufend neue dazu. „Da ist eine richtige Aufbruchsstimmung.“ sagt Schmolmüller. „Wir wollen das nicht nach drei Jahren als Wüste hinterlassen, wie wir das anderswo sehen. Wir ernten und geben zurück.“
Das – biozertifizierte – Gemüse, das sie hier ernten, geht unter anderem an Gastronomen – das Gut Oberstockstall, von dem das Feld gepachtet wurde, den Dogenhof in Wien oder das vegetarische Spitzenrestaurant Tian. Größtenteils wird es direkt an private Kunden verkauft, auch das ein Charakteristikum der Marktgärtnerei. Schmolmüller und Rabel stehen am Kirchberger Naschmarkt und öffnen ein Mal pro Woche ihren Laden direkt am Feld.
Der Kontakt zu den Kunden ist den beiden wichtig. „Heutzutage ist man schon sehr entfremdet von der Lebensmittelproduktion, und dafür darf man nicht nur den Konsumenten die Schuld geben, das ist auch ein Auftrag an den Bauern“, sagt Schmolmüller. Die beiden Jungbäuerinnen hoffen, dass mehr und mehr andere auch so arbeiten wie sie. „Wir glauben nicht, dass wir mit dem Fleckerl die Welt verändern. Aber wenn das funktioniert, auch wirtschaftlich, dann kann sich das auch multiplizieren.“