»Die größten Deppen in dem Skandal sitzen in der Politik«
Fabio de Masi
Im deutschen U-Ausschuss zu Wirecard ist der Linke-Abgeordnete durch akribische Arbeit und kräftige Aussagen aufgefallen. Im Interview zieht er Bilanz und verabschiedet sich aus der Politik.
Wer hat in der Wirecard-Causa eigentlich am meisten Dreck am Stecken?
Fabio de Masi: Die größten Verbrecher sind sicher Jan Marsalek und Markus Braun. Die größten Deppen in dem Skandal sitzen aber in der Politik.
Also Braun ist kein Opfer, wie er sagt?
Nein, sicher nicht. Wer alle seine Telegramnachrichten löscht, hat etwas zu verbergen.
Und wo ist jetzt Jan Marsalek?
Alle tun, als wüssten sie es. Ich nicht.
Braun, Marsalek, ehemalige Nachrichtendienstler – es mischen viele Österreicher mit. Wie sehen Sie die Rolle Österreichs? Wir sollten nicht nur mit dem Finger auf Österreich zeigen, weil da geht es ja oft ganz lustig zu. Gerade was Wirecard betrifft, waren unsere deutschen Politiker ganz neidisch: „Da haben wir diesen DAX-Konzern mit dem österreichischen Boss und der spaziert dort im Kanzleramt ein und aus und verteilt womöglich Schecks. Ja das wollen wir auch!“Dann war da noch irgendetwas mit Internet und fertig war das deutsche Börsenmärchen.
Der U-Ausschuss ist vorbei, was ist Ihr Fazit?
Wirecard war ein kollektives Behördenund Aufsichtsversagen, das kein Zufall war. Wirecard war eine Illusionsfabrik mit einer Lobbyisten-Armee aus der Politik. Die Kanzlerin hat trotz Kritik an Wirecard beim mächtigsten Mann Chinas für die kriminelle Bude lobbyiert. Die Wirtschaftsprüfer versagten,
Fabio de Masi ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags und dort stellvertretender Vorsitzender der Linken Fraktion. Zuvor war er im Europaparlament tätig.
Inhaltlich konzentriert sich der in Hamburg lebende Volkswirt auf Steuerpolitik und Finanzskandale. Im U-Ausschuss erarbeitete er sich das Image des Chefaufklärers. konnten schlechteste Fälschungen nicht erkennen. Die Staatsanwaltschaft hat Marsalek aus dem Land hinausspazieren lassen, obwohl man seit Tagen wusste, dass 1,9 Milliarden auf dem Treuhandkonto fehlen.
Was sind noch offene Fragen?
Viele betreffen die Rolle der Sicherheitsbehörden auf deutscher und österreichischer Seite. Es ist erstaunlich, dass gegen einen Fluchthelfer von Marsalek auf deutscher Seite ein Ermittlungsverfahren wegen Russlandspionage seit 2018 geführt wurde. Dass man sich wegen ihm im Berner Club, dem Geheimdienstgremium westlicher Dienste, über Österreich aufregte. Aber von Marsalek noch nie etwas gehört haben will? Die deutschen Behörden sagen: „Es gab keinen Austausch mit Österreich.“Die Österreicher sagen: „Der Austausch läuft bestens.“Da gibt es viele Widersprüche. Am Ende des Tages gibt es aber immer einen, der redet – und ich bin sicher, wir werden noch viel hören.
Sie haben sich mit dem U-Ausschuss einen Namen über die Grenzen hinaus gemacht. Jetzt verlassen Sie die Politik. Warum?
Ich möchte aktiv bleiben, plane ein Buch und will Abgeordnete auf der ganzen Welt bei der Aufklärung von Finanzskandalen unterstützen. Politiker sind oft Sesselkleber, weil sie nach vielen Jahren zeitintensiver Arbeit keine Freunde und keine Familie mehr haben. Das möchte ich für mich nicht. Mein Sohn musste in den vergangenen Jahren viel zurückstecken. Jetzt ist seine Zeit!