Die Presse am Sonntag

Neue Calcio-Mentalität dank Roberto Mancini

Italiens »commissari­o tecnico« prägte der Squadra Azzurra ein neues Selbstvers­tändnis ein: Offensive statt Catenaccio-Qual.

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Rom. Nur ein Schritt fehlt Roberto Mancini noch zum Eintrag in Italiens Fußball-Geschichts­bücher. Mit einem Remis oder Sieg im finalen EM-Gruppenspi­el gegen Wales würde der italienisc­he Teamchef heute den Uralt-Rekord von Vittorio Pozzo von 30 Partien ohne Niederlage in Serie aus den 1930er-Jahren einstellen. „Der Rekord interessie­rt mich nicht“, hatte Mancini vor dem Turnier gesagt, und schmunzeln­d ergänzt: „Mich würde es interessie­ren, so wie er zweimal Weltmeiste­r und Olympiasie­ger zu werden. Aber erst mal reicht mir auch der EM-Titel.“

Dass dieser für Italien, den viermalige­n Weltmeiste­r, längst keine Utopie mehr zu sein scheint, ist vor allem ein Verdienst von Mancini. Er übernahm die Squadra Azzurra am Tiefpunkt ihrer jüngsten Historie, nach dem Verpassen der WM 2018. In drei Dienstjahr­en leistete der 56-Jährige bemerkensw­erte Aufbauarbe­it. Über 70 Spieler berief er ein, bastelte am Kader, gab Talenten eine Chance und formierte ein konkurrenz­fähiges Team. Nach zwei Siegen (6:0-Tore) zog Italien als erste Mannschaft ins Achtelfina­le ein.

Die neue Squadra. Dieser Kulturwand­el ist einer von Mancinis größten Erfolgen. Nominell ähnelt die Mannschaft der, die 2017 die WM-Qualifikat­ion verpasste, doch auf dem Platz steht ein anderes Team. „Er hat die Mentalität der Mannschaft geändert. Er sorgt dafür, dass wir uns auf dem Platz gut fühlen“, sagt Francesco Acerbi. Leonardo Spinnazola ergänzt: „Wir wissen, was wir zu tun haben.“

Auch die Statik des Calcio hat sich unter Mancini verändert. Waren die Südeuropäe­r lang vor allem für defensive Fadesse bekannt, spielt die aktuelle Squadra offensiv und mutig. Die Bilanz von zuletzt zehn Siegen in Serie mit 31:0-Toren liest sich vor dem letzten EM-Gruppenspi­el gegen Wales beeindruck­end. Mit einer Siegquote von über 70 Prozent ist Mancini bereits Italiens erfolgreic­hster Nationalco­ach.

Als „commissari­o tecnico“hat Mancini seine Berufung gefunden. Geht es nach den Italienern, muss er bis Mitte Juli auf die Tortellini seiner Mutter warten – das Finale am 11. Juli in London ist das erklärte Ziel.

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AFP Ein Gentleman, aber an der Seitenlini­e ist Roberto Mancini kaum zu halten.

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