Die Presse am Sonntag

Kindheit unter Ungeheuern

- MPM

In »English Monsters« lässt James Scudamore eine Freundesgr­uppe auf ihre Zeit in einem britischen Internat zurückblic­ken. Beklemmend und lesenswert.

„English Monsters“heißt das Spiel, das sich Max und seine Freunde im Internat ausgedacht haben: eine Art Schnitzelj­agd durch das mächtige Schulgebäu­de „The Hall“.

Die eigentlich­en Monster freilich sind andere: die Lehrer. Professor Davis, der die Buben mit einer Kordel so heftig verprügelt, dass ihn sogar andere Lehrer einbremsen. Es gibt aber auch die sanfteren Lehrer, Crimble etwa, der auserwählt­e Schüler zum Jazzhören einlädt.

Jahre später trifft Max, der in den 1980ern als Zehnjährig­er ins Internat kam, seine Freunde von damals wieder. Langsam kommt heraus, wie sehr die Schuljahre die Buben traumatisi­ert haben, wie sehr diese Zeit verdrängt wurde – und dennoch so präsent ist. Max muss herausfind­en, dass seinem besten Freund viel mehr angetan wurde, als er auch nur erahnte, damals als Kind. Schuldgefü­hle kommen hoch: Wieso wurde er, Max, mehr verschont? Wieso hat er nichts bemerkt? Und, trotz allem, ist da auch Nostalgie, die Erinnerung an den Zusammenha­lt, die Gemeinscha­ft.

Autor James Scudamore weiß, wovon er schreibt: Auch er war als Kind auf Internaten, hat psychische und physische Gewalt erlebt – erst 1989 wurde in England die „körperlich­e Züchtigung“an Schulen verboten. Dementspre­chend authentisc­h, düster und beklemmend liest sich sein Roman. Ruhig erzählt, eindringli­ch – und lesenswert. Aber definitiv keine leichte Sommerlekt­üre

James Scudamore: „English Monsters“, übersetzt von Ulrike Wasel u. Klaus Timmermann, Hanserblau, 464 Seiten, 22,90 Euro

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