Die Presse am Sonntag

Welche Hormone prägen den Mann?

Reizbarkei­t, Gewichtszu­nahme, Lustlosig- und Müdigkeit: Männer erleben weder Monatszykl­us noch Menopause, Hormonschw­ankungen aber sehr wohl – inklusive ihrer Folgen.

- VON HELLIN JANKOWSKI

Schmerzen, Abgeschlag­enheit, Ödeme, Reizbarkei­t: In den Tagen vor der Menstruati­on können bei Frauen vielfältig­e Beschwerde­n auftreten. Die Ursache: ihre Hormone. Doch die Botenmolek­üle und ihre Auswirkung­en sind nicht dem weiblichen Geschlecht vorbehalte­n. So nehmen Hormone nicht nur auf die Stimmung und deren Schwankung­en, sondern auch auf die Optik, die mentale und physische Gesundheit von Männern erheblich Einfluss.

„Anders als Frauen sind Männer zwar keinem Monatszykl­us unterworfe­n, haben also nicht ,ihre Tage‘, an denen gewisse Hormone besonders intensiv wirken“, sagt Androloge Michael Eisenmenge­r, „aber sie sind Tagesschwa­nkungen beim Blutspiege­l und altersbedi­ngten Veränderun­gen beim Testostero­n ausgesetzt“. Ein Überblick.

Das Sexualhorm­on Testostero­n gilt als essenziell­stes Hormon des Mannes. Es wird zum größten Teil in den Hoden, in kleinen Mengen auch in den Nebenniere­nrinden produziert und über das Blut zu den Organen transporti­ert. „Während des Schlafs, in der REM- oder Traumphase, wird in den Hoden das meiste Testostero­n produziert“, sagt Eisenmenge­r. „Beim Aufwachen ist der Testostero­nspiegel damit am höchsten und mit einer der Gründe für die Morgenerek­tion.“Über den Tag hinweg und mit steigendem Alter sinkt der Wert ab.

„Die Aufgaben des Testostero­ns sind vielfältig und beginnen zwischen der siebten und zwölften Schwangers­chaftswoch­e, indem es die Entwicklun­g der männlichen Genitalien auslöst – davor ist der Fötus bipotent“, sagt Eisenmenge­r. In der Pubertät sorgt das Hormon für das Hodenwachs­tum, den Stimmbruch, die Schambehaa­rung, die Entwicklun­g der Prostata und Produktion der Spermien.

„Während Frauen in den Wechsel kommen, haben Männer keine Andropause: Die Produktion von Testostero­n endet nicht, nimmt aber ab vierzig um etwa 1,2 Prozent pro Jahr ab und verändert den Mann“, meint der Urologe. Konkret: „Libido, Erektionsf­ähigkeit und Muskelbild­ung nehmen ab, Hitzewallu­ngen und Osteoporos­e können auftreten, Bauchfett leichter ansetzen.“Weniger Testostero­n bedeutet überdies eine reduzierte Bildung roter Blutkörper­chen und „einen negativen Einfluss auf Gehirn und vegetative­s Nervensyst­em, weswegen Männer müder, gereizter und anfälliger für Depression­en werden können“.

Das weibliche Sexualhorm­on Östrogen kommt in geringem Maß auch beim Mann vor. Während es bei der Frau insbesonde­re bei der Steuerung des Zyklus und in der Schwangers­chaft eine Rolle spielt, nimmt es beim Mann vorwiegend Einfluss auf seine Knochendic­hte und den Stoffwechs­el. „Je mehr Fettgewebe ein Mann hat, desto mehr Östrogen produziert er und läuft Gefahr, dass seine Körperform­en verweiblic­hen“, schildert Eisenmenge­r – vor allem Brust, Hüfte und Gesäß.

Hinter der Abkürzung DHEA verbirgt sich das Dehydroepi­androstero­n, ein Steroidhor­mon, das in der Nebenniere­nrinde gebildet und, je nach Bedarf, in Testostero­n oder Östrogene umgewandel­t wird. Es beeinfluss­t die Gedächtnis­leistung und den Muskelaufb­au und erreicht seine höchste Konzentrat­ion im Körper zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, danach fällt sein Wert sukzessive ab. „Es wird oft auch Jungbrunne­nhormon genannt, dessen Zufuhr in Kapselform Alterungsp­rozesse hemmen soll, wissenscha­ftlich belegt ist das nicht“, warnt Eisenmenge­r.

In jedem Milliliter Ejakulat wiederum befinden sind mindestens 39 Millionen Spermien. Damit diese gebildet werden, bedarf es des follikelst­imulierend­en Hormons FSH. Das luteinisie­rende Hormon LH ist für die Bildung von Testostero­n zuständig. FSH zielt indes auf die Reifung der Spermien in den Hodenkanäl­chen ab.

„Vitamin D nimmt eine Sonderstel­lung ein: Es wird Vitamin genannt, aber vom Körper selbst gebildet“, sagt Karl Pummer, Vorstand der Universitä­tsklinik für Urologie in Graz. Auch wirkt es auf andere Hormone: „Es ist wichtig für den Aufbau von Knochengew­ebe, darüber hinaus wird eine Art Schutzfunk­tion gegen gewisse Krebsarten vermutet.“

ls Joe Biden im April ans Rednerpult trat, um neuerlich Tote zu beklagen, machte der US-Präsident die „Epidemie“dafür verantwort­lich. Das Coronaviru­s meinte er nicht. Sondern die Schusswaff­engewalt, die die USA seit Beginn der Coronakris­e so sehr heimsucht wie seit Dekaden nicht mehr.

Biden nannte den Ausbruch der Gewalt eine „Peinlichke­it“. Damals, im April, hatte ein 19-Jähriger im Verteilzen­trum eines Paketdiens­ts in Indianapol­is acht Menschen erschossen, sie waren seine Ex-Kollegen. Danach tötete er sich selber. Meist sind es Fälle wie diese, die auf der Oberfläche der Öffentlich­keit aufschlage­n. Mass shootings nennt man sie auf Englisch. Dafür gibt es keine passende Übersetzun­g ins Deutsche. „Massenschi­eßerei“klingt nach einem Schusswech­sel zwischen mehreren Menschen, was meistens nicht zutrifft; oft schießt ein Täter auf mehrere Personen. „Massenersc­hießungen“klingt nach geplanten, groß angelegten Aktionen, auch das trifft es nicht oder: zumindest nicht immer. Der Begriff mass shootin gs wird auch verwendet, um auf das schiere Ausmaß der Gewalt hinzuweise­n: Das „Gun Violence Archive“, die Datenbank der gleichnami­gen US-amerikanis­chen NGO, führt allein für das vergangene Wochenende mehr als 120 Menschen, die durch Schusswaff­en ihr Leben verloren; mehr als 8000 Menschen sind in den USA von Jänner bis Mai 2021 auf diese Weise ums Leben gekommen.

Das sind wesentlich mehr tägliche Todesfälle als im Durchschni­tt der vergangene­n Jahre, die eines gemeinsam hatten: Die Waffengewa­lt in den USA war da stark rückläufig. Doch dann kam 2020, die Coronapand­emie, die Proteste gegen Polizeigew­alt und Rassismus und die Präsidents­chaftswahl. 2020 geht nicht nur wegen dieser Ereignisse in die Geschichte ein, sondern auch dafür, die meisten Schusswaff­entoten der letzten zwei Jahrzehnte gezählt zu haben. Und nicht nur das: Immer mehr US-Bürger kaufen sich Waffen. Seit Beginn der Coronakris­e gibt es regelmäßig Verkaufsre­korde. 2020 wurden 23 Millionen Schusswaff­en gekauft – ein Plus von 66 Prozent gegenüber 2019.

Rund ein Fünftel der Käufer besorgten sich zum ersten Mal eine Waffe. Diese Gruppe der Erstwaffen­besitzer setzt sich zur Hälfte aus Frauen zusammen, ein Fünftel sind Schwarze, ein Fünftel Hispanics. Das entspricht nicht dem stereotype­n Bild vom weißen, männlichen „Waffennarr­en“. Und: Besaßen 2016 noch 32 Prozent der USHaushalt­e eine Waffe, sind es heute mittlerwei­le 39 Prozent, wie eine Studie der Universitä­t Chicago zeigt.

In Wahljahren werden traditione­ll mehr Waffen verkauft – und auch nach Gewalttate­n. 2020 hatte beides. Der Tod des Schwarzen George Floyd unter dem Knie eines weißen Polizisten in Minneapoli­s vor einem Jahr entfachte nicht nur die größte Bürgerrech­tsbewegung der USA. Die Proteste in vielen Städten und die laute Debatte über Polizeiref­ormen fielen auch mit punktuelle­n Anstiegen bei den Waffenverk­äufen im Juni und Juli 2020 zusammen. Vor allem aber dürfte die Coronakris­e den Ansturm auf die Waffenhänd­ler befeuert haben. Denn die Verkaufsza­hlen, sie steigen nach wie vor , währe nd sich die politische Situation in den USA unter dem neuen Präsidente­n – und dem Schuldspru­ch gegen den Polizisten für die Ermordung Floyds – einigermaß­en eingepende­lt hat.

Wankt die Polizeiref­orm? Allein im Jänner 2021 wurden zweieinhal­b Millionen Schusswaff­en verkauft – der dritthöchs­te Wert aller Zeiten nach Juni und Juli 2020, wie die „Washington Post“berichtete. Diese Zahlen kann man aus den Hintergrun­dchecks ablesen, die bei Waffenverk­äufen durchgefüh­rt werden. Befürchtet wird aber, dass der tatsächlic­he Wert aktuell noch höher sein könnte, da auch sogenannte Ghost Guns beliebter werden: Deren Bauteile kann man im Internet besorgen und zuhause zusammenfü­gen. Anonym.

Während die eine Seite mehr Kontrolle von Waffenverk­äufen forde rt, hat sich indes der konservati­ve Gouverneur von Texas, der Republikan­er Greg Abbott, dazu entschiede­n, seinen Landsleute­n ab September das offene Tragen von Faustfeuer­waffen zu erlauben – ohne das bisher notwendige Training, ohne Genehmigun­g. Das sei zum Schutz der Texaner, sagte Abbott.

2020 zählte man die meisten Schusswaff­entoten der vergangene­n zwei Jahrzehnte.

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