»Warum war Opa bei der Stasi?«
Die Behörde für die Dokumente der Stasi war eine historische Sensation. Jetzt gibt es sie nicht mehr. Doch die Aufarbeitung endet nie. Besuch im konservierten Gedächtnis des toten Unrechtsstaats.
Draußen vor dem mächtigen Häuserblock mit der bröckelnden Fassade, der ehemaligen Stasi-Zentrale, einst Dienstort von 7000 Mitarbeitern, brennt die Berliner Sonne erbarmungslos vom Himmel. Das Handy zeigt eine Hitzewarnung an. Aber drinnen und am Ziel dieser Reise, vorbei an Säulen im stalinistischen Stil, an einem Paternoster, am Ende langer Gänge, nach einer Liftfahrt und hinter einer schweren Tür ist es angenehm kühl. 18 Grad, 50 Prozent Luftfeuchtigkeit: Das ist, Pi mal Daumen, die Vorgabe.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR, die Stasi, ist seit 31 Jahren tot, aber hier in Berlin Lichtenberg wird ihr Gedächtnis konserviert und gekühlt. Es steckt in zerknitterten und vergilbten Papiermappen, die in eine Landschaft aus wuchtigen, zweieinhalb Meter hohen Gleitregalen einsortiert sind. Ein Sicherheitsmann führt in den Raum. Vor 20 Jahren war er das erste Mal hier. „Das erschlägt dich“, dachte er. Würden alle Akten aneinandergelegt, die Länge der Papierschlange reichte von Wien nach Bratislava und zurück – 111 Kilometer. Die Hälfte lagert in Berlin, in einem dieser 800 Quadratmeter großen Räume.
Wer denkt, dass jede Akte schon mehrfach gelesen und erzählt ist, irrt gewaltig. Denn das Papier hat scharfe Kanten: Es kann Freundschaftsbänder zerschneiden und Familien trennen. Der engste Vertraute ein „IM“, ein inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, oder der Vater, die Schwester? Hier schlummern dunkle Geheimnisse. Nicht jeder wollte oder will sie kennen, nicht jeder stellt einen Antrag auf private Akteneinsicht – und auch nicht jede (wo nötig anonymisierte) Geschichte ist für Forschung und Medien relevant.
Die mit der Wiedervereinigung gegründete Stasi-Unterlagen-Behörde war eine Sensation. Opfer können nachlesen, was die Geheimpolizei über sie notierte. Und zwar nicht nach dem Verstreichen jahrzehntelanger Fristen, sondern ziemlich sofort. Vergleichbares gab es nirgends auf dem Globus. Die Behörde galt als Vorbild für weitere ehemals sozialistische Länder, die ihre Archive aber erst später, teils erst heute, und vorsichtiger öffneten.
Ende einer Ära. Die Stasi-UnterlagenBehörde gibt es seit der Vorwoche nicht mehr. Sie geht auf im Bundesarchiv, das deutlich weniger Mitarbeiter zählt. David schluckt Goliath, sozusagen. Die Schilder am Eingang haben sie schon getauscht. Die E-Mail-Adressen auch. Ein Stück Geschichte wird da begraben. Wenn auch großteils symbolisch. Stasi-Opfer können weiter Anträge stellen. Die Grundlage, das StasiUnterlagengesetz, bleibt in Kraft. Mit der Behörde endet jedoch auch die Ära von Roland Jahn, des letzten Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Ihn löst eine Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur ab.
Mittwoch der Vorwoche: Jahn sitzt in einem Cafe´ in Prenzlauer Berg und nippt am Orangensaft. Am Vortag hat er sein Büro geräumt. „Ich hab das Licht angelassen, als ich gegangen bin“, erzählt er der „Presse am Sonntag“. Falls er große Wehmut empfindet, merkt man es ihm nicht an. Die Unterlagen-Behörde hatte immer ein Ablaufdatum. Dass das Bundesarchiv übernimmt,
Der letzte Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Behörde für Staatssicherheit der DDR sieht das Erbe seiner Behörde gewahrt. „bewahrt den Zugang zu den Stasi-Unterlagen für die Ewigkeit“. „Wir sichern“, sagt Jahn, „die Errungenschaft der Friedlichen Revolution“.
Rückblende: Der Häuserblock, der jetzt auch teilweise Ärztezentrum, Museum und ein Campus für Demokratie ist, war das Reich von Erich Mielke, dem berüchtigten Stasi-Chef. Im Jänner 1990, zwei Monate nach dem Mauerfall, saß Mielke schon im Hausarrest. Vor der Zentrale lärmte es: „Öffnet die Tore“, skandierte die Menge. Dann erstürmte sie das Herz des Spitzelstaats, der 189.000 private Zuträger, inoffizielle Mitarbeiter, zählte.
111 Kilometer Stasi-Akten gibt es – von Wien nach Bratislava und zurück sozusagen.
Manche Akten lagen offen auf den Schreibtischen in den Büros, andere in denselben Räume wie heute. „Jedem seine Akte“, lautete die Losung. Ein Teil war schon geschreddert. 16.000 Säcke füllten die Papierschnipsel. Akten aus 500 Säcken hat man seither zusammengesetzt. Man ahnt: Dieses Puzzle ist eine Jahrhundertaufgabe.
Noch immer viele Anträge. Nein, die Aufarbeitung ist noch lang nicht zu Ende. 37.000 Anträge auf Akteneinsicht gibt es noch immer und pro Jahr. Manchmal, erzählt Jahn, sind es Menschen im Pensionsalter, die ihr Leben „nochmals neu sortieren“. Oder die Kinder und Enkel von Verstorbenen fragen an: „Die wollen dann zum Beispiel wissen: Wieso war mein Opa, der doch eigentlich ein lieber Kerl war, bei der Stasi, der Geheimpolizei?“Vielleicht steckt die Antwort in den Papiermappen. Oder es geht um Pensionsansprüche.
Und der SchreibmaschinenText in den Akten ändert sich zwar nicht, aber die Fragen, die junge Generationen an die Geschichte stellen. Jahn nennt ein Beispiel: „Wenn ich einer Schulklasse über die Stasi erzähle, sind die Schüler heute sofort beim Thema Social Media und dem Datenmissbrauch großer Konzerne.“
Jahn war der dritte und letzte Chef der Behörde mit ihren 1300 Mitarbeitern, die offiziell so hieß: „Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“. Der Deutsche kürzte den sperrigen Namen ab. Er taufte sie „Gauck-Behörde“, benannt nach Joachim Gauck, dem ersten Chef und späteren Bundespräsidenten, danach „Birthler-Behörde“(die zweite Chefin hieß Marianne Birthler); so gesehen war es die vergangenen zehn Jahre die „Jahn-Behörde“.
Mit den Enkeln reden. Zu Beginn seiner Ära hatte Jahn mehr als drei Dutzend ehemalige Stasi-Mitarbeiter aus seiner Behörde versetzen lassen. „Opfer, die früher von der Stasi drangsaliert wurden, sollten nicht von ehemaligen Stasi-Offizieren begrüßt werden.“So sieht er das bis heute. Jahn verbindet selbst eine buchfüllende Geschichte mit der SED-Diktatur. Der Oppositionelle und spätere Journalist aus Jena wurde ins Gefängnis und 1983 aus der DDR geworfen. Zwangsausbürgerung. Vom ganzen Ausmaß seiner Verfolgung lernte Jahn, wie viele andere, aber erst beim Aktenstudium; dass selbst der Schulweg seiner neunjährigen Tochter observiert wurde, zum Beispiel.
Im Ruhestand will der 67-Jährige nun mit den eigenen Enkeln seine Erfahrungen teilen: „Ich werde ihnen endlich einmal die Frage beantworten: Warum saß Opa im Gefängnis?“
ie Küche, sagt Wolfgang Puck an einer Stelle des Films, sei der einzige Ort gewesen, „wo ich mich sicher gefühlt habe“. Für ihn, der immer nur nach vorn will, ist es eine ungewöhnliche Rückschau, die er mit „Chef’s Table“-Erfinder David Gelb für Disney Plus unternimmt. In der Dokumentation berichtet Puck offen über sein schwieriges Verhältnis zu seinem brutalen Stiefvater, der ihm das Gefühl gegeben habe, nichts wert zu sein – und dessen Verachtung für Puck zum lebenslangen Antrieb werden sollte. Die „Presse“sprach mit ihm im Rahmen eines Zoom-Gesprächs mit deutschsprachigen Journalisten.
Sie sagen, dass Sie nicht gern zurückschauen. Aber hier tun Sie es. Warum?
Wolfgang Puck: Einige Leute hatten mir gesagt, ich solle ein Buch schreiben, eine Biografie. Und ich habe mir gedacht: „Da komm ich wahrscheinlich nie dazu.“David Gelb ist ein guter Gast von uns. Als ich mit ihm gesprochen habe,meinteer:„Ne in, mit dir müssen wir etwas Größeres machen.“Weil ich erzählt habe, wie schwierig das für mich war, als ich angefangen habe. Ich habe mir gedacht: „Das wäre vielleicht eine gute Geschichte für die jungen Leute heute, damit sie wissen: Es war nicht immer leicht.“Jeder hat Schwierigkeiten im Leben. Schwierigkeiten kann man überbrücken. Man muss halt arbeiten und Ausdauer haben.
Ihr Sohn Byron steigt ja gerade ins Geschäft ein. Was raten Sie ihm?
Das wichtigste ist Passion, Leidenschaft. Nicht nur für die Küche, sondern auch dafür, wie man ein Geschäft führt. Als er 18 war, wollte er nur auf eine Universität, die Cornell in New York, die haben eine Restaurant- und Hotelmanagementschule. Später habe ich ihn nach Spanien geschickt zu den Roca-Brüdern, zu Guy Savoy in Paris,
ic Ripert in New York, ins Alinea in Chicago. Das letzte Jahr hat er als Manager im Spago gearbeitet, und jetzt ist er der Manager unseres neuesten Lokals im Pendry Hotel, im Merois. Für mich ist es das beste Geschenk, dass mein Sohn mit mir arbeitet, und dass er das gern und freiwillig macht.
Sie haben selbst als Achtjähriger im Hotel zu arbeiten begonnen . . .
Meine erste Leidenschaft war nicht einmal die Küche. Ich bin ja am Land aufgewachsen in der Nähe von St. Veit, ne
Wolfgang Puck wurde als uneheliches Kind 1949 in St. Veit an der Glan geboren. Wie sehr er unter seinem Stiefvater litt, beschreibt er in der Filmbiografie „Wolfgang“, die ab 25. Juni auf Disney Plusverfügbar ist.
Nach ersten Lehrjahren in Kärnten geht er nach Frankreich und1972indieUSA.
1982 eröf fneterinLos Angeles das erste Spago. Heute betreibt er mehr als 100 Restaurants weltweit, bekocht die Oscars und hat selbst einen Stern am Walk of Fame. Mitte Dezember eröffnet erstmals eine „Wolfgang Puck Kitchen & Bar“am Flughafen Schwechat. ben einem Bauern. Meine erste Passion war Traktorfahren. Ich bin um vier in der Früh aufgestanden und mit meinem Freund über den Acker gefahren. Später – meine Mutter war Köchin im Hotel Linde in Maria Wörth – habe ich im Sommer Tennisbälle geklaubt und gut verdient. Wenn es geregnet hat, habe ich dem Chefkonditor im Hotel geholfen. Süßigkeiten waren wichtig. Und die Zeit mit meiner Mutter in der Küche. Hätte sie Kleider gemacht, wäre ich vielleicht Schneider geworden.
An einer Stelle fragen Sie sich, ob Sie Koch sind – oder jemand, der nie genug kriegt . . . Für mich ist das Wichtigste, dass man imme ri nteressiert bleibt an dem, was man tut. Zum Beispiel gibt es ein großes Laboratorium hier bei uns in Los Angeles von Beyond Meat. Ich bin gleich schauen gegangen, was die da machen und was man mit dem Zeug machen kann. Neugier war immer da. Vor dreieinhalb Jahren hat das Wall Street Journal einen Artikel über mich geschrieben und gefragt, was ich noch tun will. Ich habe gesagt: „Ich will nach Harvard.“Aus Spaß eigentlich. Eine
Woche später hat der Dekan einer Fakultät angerufen und gesagt: „Wolfgang, wann willst du kommen?“Ich habe gestottert und gesagt: „Ich bin nur bis 14 in die Schule gegangen und nie aufs College.“Er sagte, sie hätten etwas für mich, das Owner/President Management-Programm. Auf einmal war ich dort dreimal ein Monat lang, und habe im Wohnheim gewohnt, wo normalerweise die Studenten schlafen.
In Wien eröffnen Sie jetzt am Flughafen . . . Ja, En de des Jahres. Und im Juni machen wir in Budapest ein Spago auf. In Österreich haben sie mich nämlich nicht wollen.
Sie wollten mit einem Spago kommen?
Ja, Ros ewood macht ja jetzt ein Hotel auf (im Stammhaus der Erste Bank, Anm.), ich habe da mit der Bank gesprochen, aber Rosewood meinte, sie machen das selber. Einmal habe ich mit dem Bristol gesprochen, aber es ist noch nichts herausgekommen. Vielleicht können wir, wenn wir in Budapest erfolgreich sind, auch etwas in Wien machen. Son st h alt in Klagenfurt.