Koalition und Klima: »Und wir stehen dann als böse Bremser da«
Kleine Fouls und große Fragen: Was Türkis und Grün beim Klimaschutz eint und was sie trennt. Und warum es »die« Wirtschaft bei diesem Thema nicht gibt.
Speziell von WKO-Präsident Harald Mahrer sind die Grünen »enttäuscht«.
Ein Selfie machte vergangene Woche die Runde. Im Hintergrund stehen die Abgeordneten, im Vordergrund lacht Leonore Gewessler. Gerade wurde das EAG, das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz, angenommen: „Ich glaube, man sieht mir die Freude an“, textete die Umweltministerin.
Nicht nur die Freude. Auch den Sieg. Nach eineinhalb Jahren im Amt hat Gewessler gezeigt, dass sie zu kämpfen weiß. Durchaus mit Ellenbogen. Zuletzt krachte sie mit dem Koalitionspartner wegen der Überprüfung der Asfinag-Straßenprojekte (siehe Interview) zusammen. Aber auch hinter den Kulissen läuft es öfter unrund: Echte „Hardcore-Ideologen“seien die Grünen beim Klima, klagt die ÖVP.
Wobei: Sie klagt nicht allzu laut. Das öffentliche Austeilen überlässt man in der Regel lieber der Wirtschaftskammer. Nicht aus Höflichkeit, sondern aus guten Gründen. Der erste (und weniger wichtige) ist der Koalitionslogik geschuldet: „Es gibt das unausgesprochene Agreement, dass man sich nicht gegenseitig in die Suppe spuckt – die Grünen wissen das beim Thema Migration, die ÖVP weiß das bei der Umwelt“, heißt es bei Türkis.
Der zweite, wichtigere hängt mit der Uneinheitlichkeit der türkisen Interessen zusammen: „Die Partei ist punkto Klimaschutz sicher kein homogener Block“, sagt Johannes Schmuckenschlager, Klima- und Umweltsprecher der ÖVP. So gebe es auch viele ÖVP–Wähler, denen Umweltschutz, Tierschutz und Klimaschutz ein großes Anliegen seien. Zudem habe ja auch Türkis/Schwarz eine grüne Geschichte: „Seit Joschi Riegler reden wir von der ökosozialen Marktwirtschaft“, sagt Schmuckenschlager, der eine Ökologisierung des Pendlerpauschale für sinnvoll hält, „das heißt, sofern nicht Menschen, die nicht in der Stadt leben, dadurch bestraft werden“. Darüber hinaus sind auch die Wirtschaftsbranchen, für die sich die ÖVP zuständig sieht, punkto Klimaschutz nicht immer einer Meinung: Die Abfallwirtschaft etwa sehe einiges ganz anders als ein durchschnittlicher KMU-Betrieb.
Trotz des Harmoniefirniss gibt es sie natürlich, die dicken Trennlinien zwischen Türkis und Grün. Da sind zunächst die sachlich-inhaltlichen. Sie wurzeln in einem unterschiedlichen Grundverständnis, wie die Klimaziele am besten zu erreichen sind.
Systemfrage. Während Gewessler etwa im Zweifel lieber einen Schritt zu weit geht, glaubt die Volkspartei immer noch an eine möglichst sanfte Energiewende. Beim bereits erwähnten EAG prallten diese Sichtweisen aufeinander: So gab es zwar Einigkeit darüber, wie viel Geld für grünen Wasserstoff und grünes Gas bereitgestellt werden soll. Nicht einig ist man sich aber, zu welchem Zweck dieses erneuerbare Gas verwendet werden soll. Die ÖVP will damit den Fortbestand bestehender Infrastruktur (Gasnetz, Verbrennungsmotor, Gastherme) sichern. Die Grünen sehen Wasserstoff und grünes Gas hingegen vor allem in der Industrie, wo enorme Mengen benötigt werden. Auch bei der Frage, wie der vereinbarte Ausstieg aus Öl und Gas gelingen soll, gibt es konträre Ansichten. Gewessler präferiert ein Verbot für Verbrennungsmotoren und Gasthermen. Die ÖVP würde lieber alternative Treibstoffe fördern.
Lukas Hammer, Klimaschutz- und Energiesprecher der Grünen, fasst das so zusammen: „Die ÖVP hätte gern, dass das bisherige System – beim Autofahren wie bei der Energieversorgung – weiterläuft wie bisher, nur eben mit anderen Energieträgern. Die Grünen dagegen wollen das System ändern.“
Daher ist für die Grünen das Klimaschutzgesetz zentral, das wegen eines möglichen Sanktionsmechanismus (Anstieg der Mineralölsteuer bei NichtErreichen der Klimaziele) in die Schlagzeilen geraten ist: „Wenn wir den Klimaschutz als Haus sehen, dann ist das Klimaschutzgesetz das Fundament. Dort werden die Ziele und die Spielregeln festgelegt: Wer zahlt Sanktionen, wie werden Entscheidungen getroffen. Die anderen Gesetze sind die Säulen, die das Gebäude stützen: das EAG, das Energieeffizienzgesetz, die ökosoziale Steuerreform“, illustriert es Hammer. Wobei er nicht auf dem Möst-Sanktionsmechanismus beharrt: „Wenn es bessere Alternativen gibt, warum nicht?“Konfliktstoff gibt es aber auch ohne die Möst-Automatik reichlich.
Das weiß auch die Koalition: Denn während man fix damit rechnet, dass die ökosoziale Steuerreform noch heuer beschlossen wird, erwartet man ebenso fix, dass es beim Klimaschutzgesetz noch „intensive Diskussionen“geben wird, wie das euphemistisch heißt.
Neben den inhaltlichen Differenzen gibt es aber auch „organisatorische“: Von Anfang an war klar, dass
Gewessler die Umweltpolitik anders als ihre ÖVP-Vorgänger anlegen würde. Zum einen ist die langjährige Geschäftsführerin von Global 2000 thematisch extrem sattelfest, zum anderen sehr schnell: Statt zentimeterdicke Studien und Masterpläne schreiben zu lassen, formulierte sie von Beginn an Ziele und will Fakten zu schaffen.
Und wer sagt’s der „Krone“? Vielen in der ÖVP geht das zu rasch: „Sie geht mit Entwürfen an die Öffentlichkeit und fordert dort nicht 100, sondern gleich 200 Prozent, und wir stehen dann als die bösen Bremser da“, sagt ein Funktionär. So sei das etwa beim Pfand auf Plastikflaschen gewesen, wo sich Gewessler direkt an die „Krone“gewandt habe, statt den bis dahin vereinbarten Weg – Verhandlungen der Sozialpartner – zu gehen. Das Resultat: Das Pfand gibt es bis heute nicht.
Auch bei der Frage, ob der Klimaschutz in die Verfassung soll, habe Gewessler nicht fair gespielt: „Es war abgemacht, dass der Verfassungsdienst das prüft. Stattdessen kam sie mit Ennöckl (Anm.: Verfassungsrechtler Daniel Ennöckl) direkt ins Parlament, der verkündete, laut seinem Gutachten sei das möglich. Immer wenn man mit ihr etwas bespricht, weiß man einfach nicht, ob sie sich daran hält.“
Wobei man jedoch auch in der ÖVP einräumt, dass es nicht die feine Art war, dass die Wirtschaftskammer die Möst-Sanktion im Klimaschutzgesetzentwurf öffentlich gemacht habe. „Aber die waren noch wegen der Nova verschnupft“, lautet die Entschuldigung. Zur Erinnerung: Die Normverbrauchsabgabe wurde auf Klein-Lkw erstreckt.
Bei den Grünen wiederum ist man speziell vom WKO-Präsidenten enttäuscht: Vom Wechsel von Christoph Leitl zum sich als innovativ inszenierenden Harald Mahrer habe man sich „mehr erwartet“. Verwundert war man bei den Grünen auch darüber, dass die ÖVP oft Branchenvertreter zu Verhandlungen