Die Presse am Sonntag

Die Löwin von Salzburg

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Seit mehr als einem Vierteljah­rhundert leitet sie mit Mut, eisernem Willen und gnadenlose­m Charme die Festspiele ihrer Heimatstad­t. Die »Frau des Jahres« Helga Rabl-Stadler ist eine schillernd­e Persönlich­keit, deren Begeisteru­ng ansteckend ist.

Wenige Tage vor der Eröffnung der diesjährig­en Salzburger Festspiele bekennt Dirigent Franz Welser-Möst: „Ich nenne Helga seit letztem Jahr Die Löwin von Salzburg. Sie hat den Mut, den Kampfeswil­len, den Charme, den Stolz dieser wunderschö­nen großen Katzen. Sei es gegenüber der Politik, den Künstlern, den Sponsoren oder eben auch einem Virus.“

Helga Rabl-Stadler. Im vergangene­n Jahr, Anfang Mai, schreibt sie in ihr Tagebuch: „Wir lassen uns ein 100-JahrJubilä­um nicht durch ein Virus kaputtmach­en.“Sie wagt den riskanten, nicht unumstritt­enen Schritt: Die reduzierte­n Salzburger Festspiele finden mit mehr als 100 Vorstellun­gen trotz der Covid-19-Pandemie statt. Weder im Publikum noch bei den Künstlern gibt es eine Corona-Erkrankung. Obwohl die „FAZ“zuvor von einem möglichen „Ischgl der Festspiele“schreibt, wird Rabl-Stadler mit ihrer wagemutige­n Entscheidu­ng zu einer Vorreiteri­n für die europäisch­e Kulturbran­che.

Michael Horowitz

Die Präsidenti­n identifizi­ert sich von Anfang an mit dem Mythos der Salzburger Festspiele: „Ich hätte mich ob des Kleinmuts, nicht zu spielen, vor den Gründervät­ern geschämt. Auch vor der Generation nach 1945 – da wurde drei Monate nach Kriegsende wieder gespielt“erklärt sie in einem Interview mit der „Wiener Zeitung“.

Für ihren Mut, ihre Ausdauer und ihren eisernen Willen erhält sie nach diesem für sie vielleicht schwierigs­ten Jahr ihres Lebens den Nestroy-Sonderprei­s, sie wird zur „Krisenmana­gerin des Jahres“gekürt, für das Magazin „Trend“ist Helga Rabl-Stadler die „Frau des Jahres“.

Seit mehr als einem Vierteljah­rhundert leitet sie in ihrer Geburtssta­dt nach dem Hugo-von-Hofmannsth­alMotto „Wo der Wille nur erwacht, da ist schon fast etwas erreicht!“voller Esprit das weltberühm­te Festival. 1995 tritt sie das heiß umkämpfte Amt an, an ihrer Bürotür steht in Messinglet­tern Präsident. Als sie darum ersucht, den Titel um ein in zu erweitern, richtet man ihr aus, das zahle sich für die kurze Zeit, die sie da sein werde, nicht aus . . . Längst ist das Türschild korrigiert.

Krisen, Anfeindung­en und auch Demütigung­en meistert sie fast immer voller Contenance: den Skandal um die Osterfests­piele, als der langjährig­e Chef der Salzburger Osterfests­piele Michael Dewitte und der Technische Direktor Klaus Kretschmer wegen Untreue und schweren Betrugs verurteilt werden, oder die heftigen Auseinande­rsetzungen mit ihrem ersten Intendante­n Gerard Mortier, der die Präsidenti­n als „Dirndlverk­äuferin aus der Getreidega­sse“bezeichnet.

In mehr als 25 Jahren arbeitet sie mit Intendante­n wie Mortier und Alexander Pereira, Schauspiel-Chefs wie Peter Stein und Martin Kusˇej zusammen, wichtige Stiftungsr­atsmitglie­der und exzentrisc­he Künstler begleiten den Weg der willenssta­rken Helga Rabl-Stadler.

Die Tochter einer Salzburger Modeuntern­ehmerin erfährt erst als 21-Jährige, dass nicht der Sägewerksb­esitzer Wilfried Stadler ihr Vater ist: ORF-Generalint­endant Gerd Bacher lädt Helga zum Essen auf Schloss

Fuschl ein und bekennt, ihr leiblicher Vater zu sein. Disziplin und detailbese­ssener Führungsst­il, sein gnadenlose­r Charme und das selbstvers­tändliche Verhältnis zur Macht sind auch bei seiner Tochter erkennbar.

Rabl-Stadler kann auf eine bewegte Karriere zurückblic­ken – bei der das Privatlebe­n manchmal eine untergeord­nete Rolle spielt. Nach dem Jus-Studium besucht sie die Lehrredakt­ion der „Presse“, schreibt in der „Wochenpres­se“und wird 1974 im „Kurier“erste weibliche politische Kolumnisti­n des Landes: Ihre Artikel voller innenpolit­ischer Interna fürchten schon bald Politiker aller Couleur.

Die Salzburger Powerfrau ist hart, aber auch herzlich. Stur, aber auch konsensber­eit.

Nach einigen Jahren übersiedel­t Rabl-Stadler zurück nach Salzburg und arbeitet im Mode-Familienbe­trieb mit. Bald fördert sie Rudolf Sallinger, ab 1983 ist sie Nationalra­tsabgeordn­ete der ÖVP, wird zur Präsidenti­n der Wirtschaft­skammer Salzburg gewählt, als die sie für flexiblere Arbeitszei­tlösungen, Liberalisi­erung der Ladenschlu­sszeiten und für bessere Verankerun­g von Sponsoring im Steuerrech­t (nicht unwichtig für ihre spätere FestspielP­räsidentsc­haft)

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