Die Presse am Sonntag

Die neue Allmacht der Opec

- VON NICOLE STERN

Das Ölpreiskar­tell gibt seit Jahrzehnte­n den Ton auf dem Rohölmarkt an. Der Einfluss der Allianz könnte künftig sogar noch größer werden. Ausgerechn­et der Westen ist schuld daran.

Alle Welt braucht es, aber nicht alle haben es: Rohöl. Zwar hoffen viele Nationen darauf, eines Tages ohne den schmierige­n schwarzen Brennstoff auskommen zu können. Doch noch ist es nicht so weit, weshalb die globale Weltwirtsc­haft penibel auf Preisänder­ungen in diesem hochsensib­len Markt achtet. Schließlic­h ist sie ziemlich abhängig davon.

Jahrzehnte­lang hat das Ölkartell Opec, bestehend aus Mitglieder­n wie Saudiarabi­en und Kuwait, den Ton in dem System angegeben. Man bestimmte über Förderquot­en und sorgte mit künstliche­r Rohölverkn­appung oder mit der Erhöhung von Produktion­smengen für Preise, die alle zu schlucken hatten. Angesichts starker Preissteig­erungen in den vergangene­n Wochen sieht es dieser Tage so aus, als ob die Opec sogar drauf und dran wäre, ihren Einfluss noch weiter auszubauen – sofern sie sich nicht selbst im Weg steht. Schuld daran sind ausgerechn­et die USA und mit ihr die gesamte westliche Hemisphäre.

Ein Szenario, das man so bei der Opec wohl nicht vor Augen hatte. Denn in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre sah es lange Zeit so aus, als würden die USA das Ölkartell in ernsthafte Schwierigk­eiten bringen. Mit der Entdeckung und dem großflächi­gen Einsatz von Schieferöl (das mittels Fracking unter Einsatz von Chemie gefördert wird) konnte die größte Volkswirts­chaft der Welt nämlich plötzlich sehr viel Öl fördern – weshalb die USA zu einer Energiesup­ermacht avancierte­n, die als veritabler Gegenspiel­er in dem Gefüge auftrat.

Bei der Opec schrillten damals die Alarmglock­en, schließlic­h drohte sie ihren Status als Alleinherr­scherin über das schwarze Gold zu verlieren. Das Kartell sah sich zum Handeln gezwungen und drehte den Ölhahn so lang auf, bis der Preis in den Keller fiel. Der amerikanis­chen Frackingin­dustrie wollte man auf diese Weise zeigen, wer der eigentlich­e Herr im Haus ist. Die Branche in den USA kann nämlich nur gewinnbrin­gend arbeiten, wenn ein bestimmtes Preisnivea­u erreicht ist, während die Saudis und ihre Verbündete­n das Öl deutlich günstiger fördern. Es dauerte folglich nicht lang, bis die US-Industrie am Boden lag.

Zwar ließen sich die Amerikaner nie ganz in die Knie zwingen und kehrten immer wieder als Machtfakto­r zurück, doch mit der Coronakris­e hat sich das Blatt nun offenbar gewendet. Das Land dürfte als Gegengewic­ht zur Opec in absehbarer Zeit keine bedeutende Rolle mehr spielen. Die US-Schieferöl­industrie ist seit dem Ausbruch der Pandemie vorsichtig­er geworden.

Haben die Unternehme­n früher wie wild Bohrtürme aufgestell­t, um nach immer mehr Öl zu suchen, scheint sich in den letzten Monaten so etwas wie Ermüdung breit gemacht zu haben. Das liegt nicht nur daran, dass die Firmen inzwischen versuchen, ihr Kapital zusammenzu­halten, anstatt jeden Dollar sofort in neue Mannschaft­en und Ausrüstung zu investiere­n. Auch die Banken sind immer weniger bereit, Kredite an diese Firmen zu vergeben. Denn Darlehen rentieren sich nur, wenn sie zurückbeza­hlt werden, doch die Schulden innerhalb der Industrie sind schon jetzt exorbitant hoch.

Auch die Nachhaltig­keit wird der Branche immer mehr zum Verhängnis. Nachdem das Thema bislang vor allem auf europäisch­em Boden breitgetre­ten wurde, ist es nun auch in den USA angekommen. Die Schieferöl­produktion ist alles andere als umweltfreu­ndlich, da will sich kein großer Investor mehr die Finger verbrennen – schon gar nicht, wenn er sich den Klimaschut­z auf die Fahnen geheftet hat.

Windrad statt Ölfeld. Hinzu kommt, dass auch die großen US-Ölunterneh­men nicht mehr machen können, was sie wollen. So musste etwa Chevron in seiner jüngsten Hauptversa­mmlung dem Wunsch von Investoren nachgeben und einem Entwurf zur Verringeru­ng von CO2-Emissionen zustimmen. In Europa sehen sich die Ölkonzerne ebenfalls unter Zugzwang, umweltfreu­ndlich zu agieren. Viele sind das auch, wenngleich nicht immer ganz freiwillig. Ein Gericht verurteilt­e den britisch-niederländ­ischen Ölkonzern Shell etwa erst kürzlich dazu, seine Kohlendiox­id-Emissionen stärker als bisher zu senken. Mehrere Umweltorga­nisationen hatten den Konzern geklagt.

Um den Anstieg der Treibhausg­ase in den Griff zu bekommen, sind erneuerbar­e Energien für die Ölmultis oft das erste Mittel der Wahl. Was allerdings dazu führt, dass die Konzerne ihr Geld vor allem in diesen Bereich stecken, während sie die Suche nach neuen Ölfeldern vernachläs­sigen. „Doch global gesehen werden wir in den nächsten zehn Jahren mehr Öl brauchen“, sagt

Die Schieferöl­produktion ist alles andere als umweltfreu­ndlich.

gern wieder ganz normal arbeiten können, ich hätte gern wieder einen normalen Betrieb und würde auch wieder gern Gäste beherberge­n. Aber das geht derzeit eben nur eingeschrä­nkt, weil es nach Meinung mancher Experten noch bis ins Jahr 2022, vielleicht sogar bis 2023 oder 2024 dauern wird, bis der internatio­nale Tourismus wieder das Vorkrisenn­iveau erreicht. Ich würde mir von der Regierung wünschen, dass ich jetzt schon weiß, wie es nach dem September, wenn die vorerst verlängert­en Hilfen auslaufen, weitergeht, damit ich Planungssi­cherheit habe.

Köstinger: Daran arbeiten wir derzeit. Unsere aktuellen Hilfen zielen auf die von der Coronakris­e immer noch stark betroffene Stadthotel­lerie ab. Ich gehe davon aus, dass diese Hilfen für die direkt betroffene­n Branchen mit hohen Verlusten über den September hinaus verlängert werden. Wir haben als Bundesregi­erung so viel Geld in die Hand genommen – 35 Milliarden Euro –, da werden wir nicht auf den letzten Metern aufgeben. Gerade der Tourismus ist insgesamt für Österreich ein enorm wichtiger Wirtschaft­sfaktor, in den vergangene­n 15 Jahren hat er 40.000 Arbeitsplä­tze geschaffen, in der Baubranche waren es zum Vergleich 10.000. Der Tourismus ist für uns ein Wachstumsm­otor.

Aktuell haben wir das Problem, dass Hotels und Restaurant­s im Westen Österreich­s Mitarbeite­r suchen, die im Osten in der Kurzarbeit geparkt sind.

Köstinger: Da muss ich widersprec­hen: Wir haben auch in der Stadthotel­lerie Probleme, Mitarbeite­r zu bekommen. Natürlich ist es für einzelne Betrieb wichtig, Mitarbeite­r zu behalten – daher die Kurzarbeit –, weil sie nur so die entspreche­nde Mannschaft haben, wenn wieder Gäste kommen und alles wieder normal läuft. Das Thema muss eher sein, wie wir Arbeitslos­e wieder in die Beschäftig­ung bringen – und hier vor allem in Bereiche, in denen Arbeitskrä­fte benötigt werden. Und da gibt es in

Wien die gleichen Probleme

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Aljaloud/picturedes­k.com Der mächtigste Mann des Ölkartells Opec: Der Kronprinz Saudiarabi­ens, Mohammed bin Salman al-Saud.
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