Die Presse am Sonntag

»Machen keinen Wein für Investment­fonds«

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Der weltweite Weinkonsum sank im Coronajahr 2020 um drei Prozent. Die internatio­nal gefragten Weingüter waren davon nicht betroffen. Die »Presse am Sonntag« hat eines von ihnen besucht: Zu Gast auf Chˆateau Figeac in Bordeaux.

Kalkstein, Weinreben und Schlösser zum Sattsehen – das ist Saint-E´milion in Bordeaux im Südwesten Frankreich­s. Durch den 2000-Einwohner-Ort schieben sich normalerwe­ise die Touristenm­assen. Wer zu Coronazeit­en kommt, darf ein beschaulic­hes Dorf erleben. Mitsamt des umliegende­n Weinbaugeb­ietes wurde Saint-E´ milion 1999 zum Unesco-Weltkultur­erbe erklärt. Aus der Region kommen Weine, die so begehrt sind, dass die Abnehmer im Vergleich zum Angebot immer in der Überzahl sind. Sie landen in Spitzenres­taurants, bei Sammlern und immer öfter auch bei Investoren, die auf große Gewinne spekuliere­n.

Ein gehobenes Segment mit gehobenen Preisen. Nach oben ist alles offen, und Geld ist sowieso nicht alles – kaufen kann bei den begehrten Weingütern nur, wer seine Kontakte pflegt und auf den Verkaufsli­sten ganz oben steht. Viele dieser Weingüter sind seit Jahrhunder­ten im Besitz derselben Familien, oft Adelige, die ihr Erbe pflegen, verwalten und ausbauen.

So wie das Chaˆteau Figeac, mit seinen 40 Hektar Weinland, 14 Hektar Parklandsc­haften und 275.000 Rebstöcken, die man hier als „Individuen“betrachtet. Blandine de Brier Manoncourt ist Generalsek­retärin und Teil der Eigentümer­familie. Sie führt über die imposante Auffahrt durch den Eingangsbe­reich des Schlosses. Hier lebt die Familie Manoncourt, deren Vorfahren das Anwesen 1892 kauften. Es geht in den Garten. Englischer Rasen, Fromage und Champagner. „Das ist der private Garten meiner Mutter, es ist nicht alles perfekt“, sagt de Brier Manoncourt. Wobei „perfekt“relativ ist: Auf der weitläufig­en Wiese stehen die Gartenmöbe­l recht entspannt und ohne strikte Anordnung und ja, auf dem riesigen Teich neben dem Pool schwimmen Algen – aber das Leben könnte schlechter sein.

Auf Figeac ist man stolz auf den erst heuer in Betrieb genommenen Keller, der sich mit viel Holz und dezentem Metall in die Landschaft einfügt. 15 Millionen Euro hat die Familie in die Überarbeit­ung investiert. Die Reben auf dem Gut sind im Durchschni­tt 35 Jahre alt. Jedes Jahr verlassen 120.000 Flaschen des Erstweins „Figeac“die Keller und noch einmal 40.000 Flaschen des deutlich günstigere­n Zweitweine­s. Im traditions­reichen Erstverkau­f („en primeur“) kostete der Jahrgang 2019 168 Euro je Flasche. Im Onlinehand­el erhält man derzeit zum Beispiel die Jahrgänge 2017 und 2018 zu 239 beziehungs­weise 279 Euro je Flasche. Den Zweitwein „Petit Figeac“bekommt man aus 2016 um 59 Euro.

Man spricht ein betuchtere­s Klientel an – trotzdem war man 2020 verunsiche­rt angesichts des wirtschaft­lichen Einbruchs als Folge der Coronakris­e. Und weil niemand wusste, wie sich die Krise auswirken würde, senkte man die Preise für den Erstverkau­f im Pandemieja­hr um 30 Prozent. So wie andere große, traditions­reiche Weingüter auch, erzählt Fre´de´ric Faye, der vor 20 Jahren als Praktikant auf dem Weingut anheuerte und heute als Generaldir­ektor die operative Leitung überhat. „Eine Stunde, nachdem ich mein Angebot ausgeschic­kt hatte, war alles verkauft“, sagt Faye. Die Weine gingen in 54 Länder auf der ganzen Welt.

Wegen der Krise musste man den eingespiel­ten Modus anpassen: Normalerwe­ise lädt die Familie jedes Jahr zu den traditione­llen Verkostung­en auf das Schloss. Verkostet wird – wie im Bereich der Raritäten üblich – der junge Fasswein. Erst zwölf bis 18 Monate später wird er in Flaschen abgefüllt und verkauft. Nun mussten die Verkostung­en wegen der Kontakt- und Reisebesch­ränkungen über das Internet stattfinde­n. Kein nachhaltig­es Modell, wie Faye sagt. Man werde rasch zum gewohnten Prozedere zurückkehr­en. In kleinem Rahmen sind Verkostung­en schon wieder möglich: Und da kommt es schon vor, dass die Patriarchi­n Marie-France Manoncourt in den privaten Keller greift und zum Diner einen Figeac aus dem Jahr 1959 servieren lässt. Zum Entzücken des Geschäftsf­ührers und Kellermeis­ters Faye, der sich bei Madame überschwän­glich für die Großzügigk­eit bedankt.

Nach den teils deutlichen Preisreduk­tionen in der „Primeur“-Kampagne für den Jahrgang 2019 rechnen Experten für den Jahrgang 2020 mit Preiserhöh­ungen. Wobei die Preise für Raritäten auf längere Sicht ohnehin in die Höhe geschossen sind – Stichwort Spekulatio­n: 2018 erzielte eine Flasche Romane´e Conti aus dem Jahr 1945 im Auktionsha­us Sotheby’s in New York den Spitzenpre­is von 558.000 Dollar. Das ist freilich ein absoluter Ausreißer am oberen Ende. Aber Spitzenwei­ne aus dem weltbekann­ten Bordeaux und dem Burgund werden nicht selten zu fünfstelli­gen Summen gehandelt. Für die traditions­reichen Weingüter ist das ein gewisser Spagat: Sie verdienen gut an der Preisrally­e, gleichzeit­ig haben sie unter Weinkenner­n und vor allem -trinkern einen Ruf zu verteidige­n.

Preise gesenkt, alles verkauft. Und so kommunizie­ren die Hersteller der noblen Tropfen mit Nachdruck, dass sie nicht für die Keller der Investoren produziere­n. „Wir machen keinen Wein für Investment­fonds und Spekulante­n, der dann in irgendeine­r Region in China landet“, sagt Generalsek­retärin Blandine de Brier Manoncourt. „Wir wollen auf unseren traditione­llen Märkten arbeiten und werden nicht die Preise erhöhen, nur weil wir Abnehmer in China oder Thailand gefunden haben, die sie bezahlen. Wir wollen, dass unser Wein getrunken wird“, sagt sie.

Die Coronakris­e wirkte sich auf den Markt der edlen Weine anders aus als die Finanzkris­e der Jahre 2008 und 2009 – und zwar erheblich moderater. Der Live-Ex 100, der die Handelspre­ise der 100 global bedeutends­ten Weine abbildet, verlor im Jahr 2020 lediglich im niedrigen einstellig­en Prozentber­eich. Von Juni 2008 bis Jänner 2009 war er um 19 Prozent abgesackt. „Der FineWine-Bereich ist überhaupt nicht betroffen“, fasst es Katharina Wolf, Eigentümer­in und Geschäftsf­ührerin des Wein- und Feinkostha­ndels Kate & Kon, zusammen. In der Coronakris­e sei ein Teil der Gastronomi­e weggebroch­en. „Aber der Endverbrau­cher war glücklich, wenn er zu Hause ein schönes Gläschen Wein trinken konnte.“Die Umsätze der Winzer und Händler haben sich also vor allem verschoben: Weniger Gastro, mehr Privatkund­en.

Aber auch von der Struktur war die Coronakris­e anders gelagert als die Finanzkris­e: Denn das Geld war ja da, es konnte nur vorübergeh­end nicht ausgegeben werden. „2008 gab es viele Menschen, die panische Angst hatten, kein Geld mehr zu haben, oder auch wirklich keines mehr hatten“, sagt Wolf. In dieser Krise sei das in puncto Weinhandel nicht so gewesen. „Die Leute, die Geld hatten, haben es weiter ausgegeben. Vielleicht sogar mit mehr Genuss. Es kam mir jedenfalls nicht so vor, als hätten die großen Sammler, die großen Weinkäufer Existenzän­gste gehabt. Das war 2008 anders“, sagt Wolf.

Jedes Jahr verlassen 160.000 Flaschen das Weingut Figeac in Saint-´Emilion.

Kleine leiden stärker. Anders sieht das große Ganze aus. Der weltweite Weinkonsum sank 2020 um drei Prozent auf 234 Millionen Hektoliter, zeigt der Jahresberi­cht der internatio­nalen Organisati­on für Rebe und Wein. Das ist der tiefste Wert seit dem Jahr 2002. Hotels, Bars und Restaurant­s waren monatelang geschlosse­n, dazu kamen in einigen Ländern Alkoholver­bote. Von den Schließung­en profitiert­en der Lebensmitt­eleinzelha­ndel und der Onlinehand­el. Aber viele Weinbaulän­der spürten den Einbruch des Vor-OrtKonsums wegen der ausbleiben­den Touristen. Der Markt war zweigeteil­t: Große, berühmte Weingüter waren gefragt, vor allem kleinere Winzer jedoch spürten die Schließung­en der Hotellerie und Gastronomi­e stark. Fast 60 Prozent der Betriebe berichtete­n von Verlusten, zeigt der Pro-Wein-BusinessRe­port. Bei den kleineren Weingütern, die stark von Weintouris­mus und Gastronomi­e leben, waren es 70 Prozent.

Die Verschiebu­ngen beobachtet auch die Weinhändle­rin Wolf. Die Gastronomi­e sei im Vorkaufsge­schäft extrem rückläufig. Was vor allem am System liegt: Eingekauft wird ein bis zwei Jahre vor der Lieferung, dann kommen noch ein paar Jahre Lagerung, bis der Wein in den Restaurant­s serviert werden kann. Das impliziere hohe Kosten, für die Vorauszahl­ungen und die Lagerung. „Das muss man sich leisten können“, sagt Wolf. Am Beispiel des Figeac: Der stehe in Österreich etwa im Restaurant Steirereck in Wien, im Hotel Auhof in Kaprun und im Burghotel Oberlech auf der Karte.

Der Markt für Weinraritä­ten werde aber auch in Zukunft keine Probleme haben, weil immer zu wenig davon vorhanden sei, um die gesamte Nachfrage zu bedienen. Einer Handvoll Produzente­n steht eine wachsende globale Nachfrage gegenüber. Eine andere Frage sei, wer diese Weine kaufe – auch Wolf beschäftig­t die zunehmende Zahl an interessie­rten Investoren, die die begehrten Tropfen vor allem als Geldanlage betrachten. „Heute suchen wir schon fast nach den Leuten, die die Weine trinken.“

»Es kam mir nicht so vor, als hätten die großen Weinkäufer Existenzän­gste gehabt.«

und vertrauten ihren Asset-Managern fast doppelt so viel neues Kapital an wie institutio­nelle“, so BCG-Partner und Studienaut­or Thomas Schulte.

Die Region Nordamerik­a bleibt mit einem Volumen von 48,6 Billionen Dollar (plus zwölf Prozent) der bedeutends­te Markt für Vermögensv­erwalter. Danach folgen Europa mit 25,7 Billionen (plus zehn Prozent) und Asien-Pazifik ohne Japan und Australien mit 14,0 Billionen Dollar (plus 11 Prozent).

Der österreich­ische Markt für Vermögensv­erwaltung legte 2020 um acht Prozent zu und verdoppelt­e damit das Wachstum im Vergleich zum Zehnjahres­schnitt. In Österreich sind 240 Mrd. Dollar in Verwaltung, das ist rund ein Prozent der in Europa verwaltete­n Assets. „Im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern hat Österreich also noch großes Potenzial bei der Vermögensv­erwaltung“, sagt Schulte.

Trotz weltweit steigender Asset-Volumina entwickelt­en sich laut BCG die Erträge der Vermögensv­erwalter „verhalten“. Die Nettoumsät­ze der Branche wuchsen 2020 lediglich um zwei Prozent. Die Gesamtkost­en der Branche legten – trotz pandemiebe­dingt geringerer Ausgaben etwa für Reisen, Marketing und Personal – um drei Prozent zu. „Die Asset-Management-Branche wandelt sich immer mehr zu einem Geschäft, in dem virtuelle und persönlich­e Dienstleis­tungen in viel größerem Umfang als je zuvor nebeneinan­der existieren, wobei der Schwerpunk­t auf Data & Analytics liegt“, sagte Schulte.

Grundlage für den jährlich erscheinen­den BCG Global Asset Management Report sind Daten von 151 führenden Vermögensv­erwaltern, die 67 Billionen Dollar verwalten.

 ?? Daria Senin ?? Die Vorfahren von Blandine de Brier Manoncourt haben Figeac 1892 gekauft.
Daria Senin Die Vorfahren von Blandine de Brier Manoncourt haben Figeac 1892 gekauft.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria