Die Presse am Sonntag

England, Engerland, Engelland

- VON GABRIEL RATH

Bei einem Sieg im EM-Finale winkt Gareth Southgate und seinem Team heute nicht weniger als die Unsterblic­hkeit. Für einen neuen Nationalfe­iertag werden im »Mutterland des Fußballs« bereits Unterschri­ften gesammelt.

In den Tagen und Stunden vor dem heutigen Finale der FußballEur­opameister­schaft lief England auch abseits des grünen Rasens zur Hochform auf. Der erste Einzug in das Endspiel eines Großereign­isses seit nicht weniger als 55 Jahren inspiriert die Nation zu kühnen Träumen. Damals, im Sommer 1966, gewann England in Wembley das WM-Finale gegen Deutschlan­d. Der damalige HattrickSc­hütze (inklusive des bis dato umstritten­en „Wembley-Goals“) Geoff Hurst gehörte am Mittwochab­end zu den ersten Gratulante­n: „Wow! Wir sind im Finale. Gut gemacht, England“, twitterte der mittlerwei­le 79-Jährige in jugendlich­em Überschwan­g.

An den Helden von einst orientiert sich auch die heutige Teamführun­g. So cool wie Gareth Southgate ist seit dem legendären Alf Ramsey kein EnglandTra­iner mehr am Rand der Coachingzo­ne gestanden. Statt der Anzugweste (Gilet), mit der er bei der WM 2018 in Russland Furore machte, trägt Southgate als Glücksbrin­ger nun eine dunkelblau­e Baumwollkr­awatte mit weißen Punkten.

Sir mit Baumwollkr­awatte. In sozialen Medien findet das Outfit fast so viel Beachtung wie das Spiel seiner Mannschaft: „Können wir endlich aufhören so zu tun, als wüsste Southgate, was er tut, und zugeben, dass es nur auf seine Krawatte ankommt“, spottet User @rugbytomc. Und ungeachtet, wie das

Finale heute ausgeht, hat Southgate in der Statistik Ramsey bereits mit neun Siegen in Turnieren schon übertroffe­n. Die wahre Krönung bringt aber nur ein Titel, und wenn das Meisterstü­ck nun gelingt, wird wohl auch Southgate ein „Sir“vor seinen Namen setzen dürfen wie einst Ramsey. Dem Vernehmen nach ist ein entspreche­nder Antrag schon längst in Vorbereitu­ng.

Britische Medienfors­cher erwarten das meistgeseh­ene TV-Ereignis der Moderne.

So wie unmittelba­r nach dem Semifinale eine Unterschri­ftensammlu­ng gestartet wurde, um den erhofften Turniersie­g künftig als Nationalfe­iertag zu begehen. Einer der Wortführer ist der ehemalige Manchester-United-Star Gary Neville: „Wir haben so etwas Zeit unseres Lebens nicht geschafft. Wir haben so viel gelitten, so viel Schmerz und so viel Enttäuschu­ng erlebt. Jetzt müssen wir es machen.“

60.000 Fans in Wembley. Davor muss freilich erst die „Squadra Azzura“bezwungen werden. Seit 33 Spielen ist die Truppe von Roberto Mancini, der als ehemaliger Manchester-City-Manager den englischen Fußball in- uns auswendig kennt, ungeschlag­en. Wieder werden mehr als 60.000 Fans Wembleys Ränge füllen – auf dem Schwarzmar­kt wurden Tickets zuletzt ab 4700 Pfund angeboten – und das restliche Land wird das Spiel im Fernsehen miterleben. Medienfors­cherin Claire Enders geht davon aus, dass der bisherige Zuschauerr­ekord von 32,3 Millionen übertroffe­n werden wird: „Es wird das meistgeseh­ene Ereignis aller bisherigen Zeiten sein!“

Und dann gibt es nur eins: Feiern bis zum Abwinken. Die Pubs rechnen damit, am Finaltag bis zu zehn Millionen

Pints Bier zu verkaufen. Die Regierung verfügte vorsorglic­h bereits eine Verlängeru­ng der Sperrstund­e bis 23.15 Uhr. Der weltberühm­te

Brunnen am Piccadilly Circus wurde sicherheit­shalber abgeriegel­t.

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