England, Engerland, Engelland
Bei einem Sieg im EM-Finale winkt Gareth Southgate und seinem Team heute nicht weniger als die Unsterblichkeit. Für einen neuen Nationalfeiertag werden im »Mutterland des Fußballs« bereits Unterschriften gesammelt.
In den Tagen und Stunden vor dem heutigen Finale der FußballEuropameisterschaft lief England auch abseits des grünen Rasens zur Hochform auf. Der erste Einzug in das Endspiel eines Großereignisses seit nicht weniger als 55 Jahren inspiriert die Nation zu kühnen Träumen. Damals, im Sommer 1966, gewann England in Wembley das WM-Finale gegen Deutschland. Der damalige HattrickSchütze (inklusive des bis dato umstrittenen „Wembley-Goals“) Geoff Hurst gehörte am Mittwochabend zu den ersten Gratulanten: „Wow! Wir sind im Finale. Gut gemacht, England“, twitterte der mittlerweile 79-Jährige in jugendlichem Überschwang.
An den Helden von einst orientiert sich auch die heutige Teamführung. So cool wie Gareth Southgate ist seit dem legendären Alf Ramsey kein EnglandTrainer mehr am Rand der Coachingzone gestanden. Statt der Anzugweste (Gilet), mit der er bei der WM 2018 in Russland Furore machte, trägt Southgate als Glücksbringer nun eine dunkelblaue Baumwollkrawatte mit weißen Punkten.
Sir mit Baumwollkrawatte. In sozialen Medien findet das Outfit fast so viel Beachtung wie das Spiel seiner Mannschaft: „Können wir endlich aufhören so zu tun, als wüsste Southgate, was er tut, und zugeben, dass es nur auf seine Krawatte ankommt“, spottet User @rugbytomc. Und ungeachtet, wie das
Finale heute ausgeht, hat Southgate in der Statistik Ramsey bereits mit neun Siegen in Turnieren schon übertroffen. Die wahre Krönung bringt aber nur ein Titel, und wenn das Meisterstück nun gelingt, wird wohl auch Southgate ein „Sir“vor seinen Namen setzen dürfen wie einst Ramsey. Dem Vernehmen nach ist ein entsprechender Antrag schon längst in Vorbereitung.
Britische Medienforscher erwarten das meistgesehene TV-Ereignis der Moderne.
So wie unmittelbar nach dem Semifinale eine Unterschriftensammlung gestartet wurde, um den erhofften Turniersieg künftig als Nationalfeiertag zu begehen. Einer der Wortführer ist der ehemalige Manchester-United-Star Gary Neville: „Wir haben so etwas Zeit unseres Lebens nicht geschafft. Wir haben so viel gelitten, so viel Schmerz und so viel Enttäuschung erlebt. Jetzt müssen wir es machen.“
60.000 Fans in Wembley. Davor muss freilich erst die „Squadra Azzura“bezwungen werden. Seit 33 Spielen ist die Truppe von Roberto Mancini, der als ehemaliger Manchester-City-Manager den englischen Fußball in- uns auswendig kennt, ungeschlagen. Wieder werden mehr als 60.000 Fans Wembleys Ränge füllen – auf dem Schwarzmarkt wurden Tickets zuletzt ab 4700 Pfund angeboten – und das restliche Land wird das Spiel im Fernsehen miterleben. Medienforscherin Claire Enders geht davon aus, dass der bisherige Zuschauerrekord von 32,3 Millionen übertroffen werden wird: „Es wird das meistgesehene Ereignis aller bisherigen Zeiten sein!“
Und dann gibt es nur eins: Feiern bis zum Abwinken. Die Pubs rechnen damit, am Finaltag bis zu zehn Millionen
Pints Bier zu verkaufen. Die Regierung verfügte vorsorglich bereits eine Verlängerung der Sperrstunde bis 23.15 Uhr. Der weltberühmte
Brunnen am Piccadilly Circus wurde sicherheitshalber abgeriegelt.