Die Presse am Sonntag

Wie der Zeitgeist durch Romane

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Man kann Sommerlekt­üre auf viele Arten empfehlen – etwa mit einem Motivstrei­fzug durch neue Romane. Eine Einladung zum Lesen und Weiterdenk­en.

Warum veröffentl­ichen gleichzeit­ig zwei Schriftste­llerinnen auf Deutsch einen Roman, in dem eine Computerpi­onierin des 19. Jahrhunder­ts eine tragende Rolle spielt? Warum schreiben gleichzeit­ig zwei in Oberbayern geborene Autoren eine romantisch­e Liebesgesc­hichte, in der die Angebetete einen leichten Gehfehler hat? Wenn sich auf dem Buchmarkt Motive doppeln, mehren oder sogar häufen: Ist es Zufall oder Zeitgeist? In manchen Fällen ist es klar – etwa bei der seit Jahren anhaltende­n literarisc­h inszeniert­en Landflucht, der zunehmende­n Verbindung von Kolonialis­mus und Holocaust oder der Thematisie­rung von Identitäts­fragen. Aber wie ist es mit Geschichte­n über Dörfer, in denen sich die Welt der Erwachsene­n völlig von jener der Kinder abkoppelt, die Elterngene­ration rätselhaft abwesend ist? Oder mit rätselhaft­en Seelenwand­erungen quer durch die Zeiten? Und überlebt der literarisc­he Road-Trip, einst Vehikel innerer Befreiung, den Klimawande­l? Eine Trip durch neue Romane. im Konzept verursacht? Beide Male ist Ada Lovelace auf geheimnisv­olle Weise mit Frauen diverser Zeiten und Welten verbunden: bei Otoo mit einem Kolonialis­ierungsopf­er des 15. Jahrhunder­ts, einer Sexsklavin im KZ und einer heutigen Berlinerin; bei Clavadetsc­her mit einer chinesisch­en Sexpuppen-Fabriksarb­eiterin, einer Upperclass-Frau in Manhattan und einer das Lügen, also auch Erfinden lernenden Sexpuppe.

Beide Male wird vieles mit (zu) vielem verbunden, in einem Mal naiv und sprachlich holprig, im anderen Fall kunstvoll, letztlich aber doch etwas „verkopft“. Stellen wir ihn also fest, den Ada-Trend, und warten wir weiter auf den großen Roman dazu.

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