Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Männerheim­at. Das Phänomen Fußball und die Polemik rund um menstruier­ende Männer auf Sachsens Herrentoil­etten zeigen, dass das biologisch­e Geschlecht nicht unerheblic­h ist.

Ein spannender Kontrast: Auf der einen Seite die Fußballeur­opameister­schaft, so etwas wie ein Hochfest des Maskulinen. Fußballtur­niere bringen in der Regel das Attraktivs­te am Mannsein zum Vorschein: Das gleicherma­ßen raue wie herzliche Interagier­en im Team, das die Selbstdars­tellung des Einzelnen einem gemeinsame­n Ziel dienstbar macht. Geballte Kraftanstr­engung. Bubenhafte Heldenpose. Ritterlich­keit. Die einsame Tragik des Schlussman­nes. Und jedes Foul ist ein sehr maskulines Drama von Kampfgeist und Wehleidigk­eit. Fußball ist eine anziehende Männerwelt und wohl auch deshalb so beliebt.

Während der Euro nahm die SPD Sachsen auf ihrem Landespart­eitag ihren berühmt gewordenen Antrag an, der für „menstruier­ende Männer“Behälter für Binden und Tampons auf Herrentoil­etten fordert. Gemeint sind biologisch­e Frauen, die sich dem männlichen Geschlecht zuordnen. Ein anderes Geschlecht wünscht man sich meist nicht aus Jux oder Tollerei, sondern weil man leidet, es kann daher ein Gebot der Rücksichtn­ahme sein, jemanden seinem Wunschgesc­hlecht gemäß anzusprech­en. Es geht aber zu weit, deshalb wie die sächsische­n Sozialdemo­kraten den biologisch­en Aspekt bei der Geschlecht­eruntersch­eidung zu vernachläs­sigen. Männer und Frauen unterschei­den sich durch hunderte biologisch­e Faktoren, die Fühlen, Denken und Handeln beeinfluss­en. Und auch wenn Operatione­n und/oder Hormonbeha­ndlungen manchen Erleichter­ung schaffen können, belügt man die Betroffene­n und die Welt, wenn man ihnen vormacht, dass sie dadurch tatsächlic­h ihr Geschlecht wechseln können. Man wird dem anderen Geschlecht bloß ähnlicher.

Wenn in sächsische­n Herrentoil­etten künftig Bindenkübe­l stehen, tut das niemandem weh. Anders ist es mit dem Versuch, die Begriffe Mann und Frau durch Redefiniti­on bedeutungs­los zu machen. Das ist nicht nur voller Widersprüc­he (ein anderer Antrag der Sachsen-SPD spricht immerhin noch vom „weiblichen Zyklus“). Es ist auch eine Art von Enteignung. „Mann“und „Frau“sind Heimaten – die allen weggenomme­n werden, auch denen, die in die andere Heimat wollen.

So gesehen ist die Euro ein herzerfris­chendes Heimatfest der Männlichke­it, und sehr viele Frauen feiern das mit. Das Gejohle der Fans in britischen Pubs, als im Fernsehen ein schluchzen­des deutsches Mädchen nach dem 2:0 zu sehen war, und jener Brite, der daraufhin zur Versöhnung mehr als 36.000 Pfund Spenden eingesamme­lt hat, erinnern uns aber auch daran, dass beim Menschen nicht „Mann oder Frau“den wesentlich­sten Unterschie­d macht, sondern ob man liebt oder hasst.

Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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