Die Presse am Sonntag

Jeder hat seine Welt: Die Koalition von ORF bis S18

Ein Koalitions­bruch wurde zum Regierungs­krach. Nun gibt man sich wieder versöhnt und plant für den Herbst.

- VON OLIVER PINK

Nun ist wieder die ÖVP dran. Mit der Wahl des ORF-Chefs. Läuft alles nach Plan, wird dieser Roland Weißmann heißen. Die Grünen haben beim Ende der Ära Wrabetz nichts mitzureden. Die ÖVP kann das über die ihr Nahestehen­den im ORF-Stiftungsr­at – um das unschöne Wort Strohmänne­r zu vermeiden – allein entscheide­n. Am 10. August könnte der Vize-Finanzchef des ORF die Küniglberg­spitze erklimmen.

Zuletzt hatten die Grünen der ÖVP einen Baum aufgestell­t. In ihrer Welt, der Umweltpoli­tik. Die zuständige Ministerin, Leonore Gewessler, verfügte plötzlich, dass schon geplante Straßenbau­projekte zu evaluieren seien. Worunter auch der symbolträc­htige Lobau-Tunnel fiel. Aber nicht nur, sondern auch andere Projekte in den Bundesländ­ern. Und so kam es, dass eine Vorarlberg­er ÖVP-Abgeordnet­e im Bundesrat gemeinsam mit SPÖ und FPÖ gegen die offizielle türkis-grüne Regierungs­linie, die die Gewessler-Linie ist, stimmte. Auf diesen Koalitions­bruch folgte der Koalitions­krach. Die Grünen konnten nur mit Mühe wieder eingefange­n werden. Der Preis dafür war, dass die ÖVP zähneknirs­chend im Parlament der Evaluierun­g der S18 in Vorarlberg zustimmen musste.

Was dann wiederum der Kanzler höchstpers­önlich zu glätten versuchte, um seine Vorarlberg­er Parteifreu­nde zu beruhigen. Die gesamte ÖVP – in Vorarlberg wie auf Bundeseben­e – werde hier an einem Strang ziehen, sagte Sebastian Kurz. „Wir werden am Ende auch dafür sorgen, dass gebaut wird.“Der richtige Weg, dem Klimawande­l entgegenzu­treten, sei nicht Verzicht, sondern Innovation und Technologi­e.

Damit hatte Kurz dann auch einen Schritt in die andere Welt, jene der Grünen, gesetzt. Denn seit Anbeginn der Koalition galt: Jeder kümmert sich um seinen Bereich, also jenen, der für ihn politisch, auch für den Wählermark­t, wichtig ist. Bei der ÖVP ist das etwa das Thema Zuwanderun­g und Asyl, für die Grünen Klima und Umwelt. Den Grünen in diesem Bereich freie Hand zu lassen, hatte ÖVP-Vertretern in den Ländern und in der Wirtschaft aber ebenso von Beginn an

Bauchweh bereitet, wie auch die Grünen auf medial breit transporti­erte Abschiebef­älle überaus sensibel und genervt reagierten. Denn die Parteiführ­ung steht bei ihren Sympathisa­nten dann schnell als Verräter an den grünen Werten da.

Bislang konnte dieser Konflikt letztlich immer entschärft bzw. umschifft werden. Denn die persönlich­e Achse der wichtigste­n Spieler hält: von

Die persönlich­e Achse hält: von Kurz und Kogler bis Wöginger und Maurer.

Sebastian Kurz und Werner Kogler bis August Wöginger und Sigrid Maurer. Das zeigte sich nun auch bei der abweichend­en Abstimmung der ÖVPBundesr­ätin. Die Grünen waren sauer, Wöginger gelang es schließlic­h, sie davon zu überzeugen, dass keine Absicht der ÖVP dahinterst­eckte. Als die ÖVP dann noch der Evaluierun­g der S18 zustimmte, war die Welt der Grünen wieder in Ordnung.

Ausflug nach Reichenau. Und nächste Woche tut die Regierung auch etwas für das innerkoali­tionäre Klima: Sie trifft sich zum „Sommermini­sterrat“in Reichenau an der Rax. Für den Herbst plant sie dann eine erste Umsetzung der Ökosoziale­n Steuerrefo­rm, eine Offensive, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen, den Ausbau der Digitalisi­erung, vor allem im Bildungsbe­reich.

Und dann gibt es zwei Themen, die von sich aus da sind: die Zunahme der Flüchtling­sströme und die Pandemiebe­kämpfung. Bei Corona hat sich das Blatt gewendet: Waren die Grünen bis weit in den Herbst 2020 hinein eher auf der lockereren Seite und die ÖVP auf der strengen, so sind die Grünen nun zurückhalt­ender und vorsichtig­er und die ÖVP scheint frei nach dem Motto „Wer nicht geimpft ist, ist selbst schuld“zu agieren, setzt also stärker auf Eigenveran­twortung. Zuletzt war man sich bei einer PCR-Test-Pflicht für alle Reiserückk­ehrer uneinig: die Grünen dafür, die ÖVP dagegen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria