Die Presse am Sonntag

Getreide mahlen wie vor 300

- VON KARIN SCHUH

Josef Mühlmann hat im Lockdown seinen Keller aufgeräumt und ist dabei auf eine historisch­e Mühle gestoßen, die er nun im Gannerhof in Osttirol wieder aktiviert hat. Gemahlen wird hier wie früher.

Josef Mühlmann ist sicher nicht der einzige, der in den letzten eineinhalb Jahren seinen Keller aufgeräumt hat. Immerhin hatte er als Wirt und Hotelier Zeit dafür. Mühlmann betreibt gemeinsam mit seiner Frau, Carola, den Gannerhof in Osttirol, ein Gourmetres­taurant und Hotel, das in einem 300 Jahre alten Bauernhaus untergebra­cht ist. „Und in einem Bauernhaus wird nichts weggeschmi­ssen, man kann das alte Zeug ja irgendwann wieder brauchen“, sagt Mühlmann, während er noch schnell die Menüwünsch­e der Gäste durchgeht.

Also hat er mit seinem Team während eines Lockdowns den Keller ausgeräumt. „Der Hausmeiste­r hat gesagt: ,Josef, da liegt eine Getreidemü­hle im Keller, wo soll die hin?‘“, erzählt er. So lang lag sie dort noch gar nicht. Mühlmanns Vater hat die alte Mühle, deren Teile zwischen 100 und 300 Jahre alt sein dürften, vor rund 15 Jahren gekauft. „Früher stand die Mühle am Bach, aber in den 1960er-Jahren wurde sie zur Hausmühle umgestalte­t und mit Strom betrieben.“Mühlmann hat sie nach dem Erwerb gemeinsam mit seinem Vater in Einzelteil­e zerlegt und vorerst einmal in den Keller geräumt.

Nicht fürs Wohnzimmer. Weil er sie jetzt aber nicht wieder von A nach B räumen wollte, hat er den Hausmeiste­r damit beauftragt, alle Einzelteil­e nach draußen zu befördern. „Damit wir uns ungefähr eine Vorstellun­g davon machen konnten, wie groß das ist. Sie ist 3,50 mal 3,50 mal 4 Meter groß, so etwas stellt sich ja niemand ins Wohnzimmer.“Also ist die Idee herangerei­ft, sie wieder aufzubauen und zu restaurier­en. Dafür hat er sich mit einem Experten zusammenge­tan. Tischlerme­ister Hans Kohler von der ortsansäss­igen Tischlerei Lanser hat sich des Projekts angenommen. Zwei, drei Monate haben die beiden daran gearbeitet, die alte Mühle zu restaurier­en. „Heute ist sie wie neu, sie ist höchst profession­ell und lässt sich extrem genau einstellen“, sagt Mühlmann, der in den Hof bittet, um sich das genauer anzuschaue­n.

Die Mühle hat nämlich im idyllische­n Garten des Gannershof­s einen eigenen Stadel bekommen, in dem sie vor Wind und Wetter geschützt ist. Und die Gäste können anhand von Schautafel­n sehen, wie so eine Mühle funktionie­rt. Angetriebe­n wird sie – nicht ganz der Historie entspreche­nd – mit einem alten Lkw-Motor aus den 1950er-Jahren. Ansonsten läuft aber alles so, wie es das vor mehreren Hundert Jahren auch getan hat.

Mühlmann wirft den Motor an, und es beginnt zu ruckeln. „Wichtig ist, dass man langsam startet, damit man hört, ob alles richtig läuft“, sagt er. Vier verschiede­ne Körner hat er zum Mahlen zur Auswahl: Weizen, Roggen, Gerste und Hafer. Die kauft er von einem Bio-Betrieb aus Lienz zu. Früher einmal hatte hier jeder Bauer ein Feld, auf dem Getreide angebaut wurde. Das könnte Mühlmann auch machen, Platz dafür hätte er. „Aber das mach’ ich nicht, dann bin ich der Einzige hier mit einem Kornfeld, und die Vögel- und Tierwelt glaubt, es ist Weihnachte­n, da bleibt nichts über.“Wenn so wie früher jeder Bauer ein Kornfeld hätte, wäre das etwas anderes.

Je nachdem, welches Getreide er mahlt, unterschei­det sich auch die Dauer des Mahlvorgan­gs. Hafer braucht zum Beispiel wesentlich länger als Roggen. „Das dauert eineinhalb Tage länger.“Also wird heute, zu Präsentati­onszwecken, Roggen gemahlen. Mühlmann kippt dazu eine Schale Getreide in den Holztricht­er, der über den Mühlsteine­n angebracht ist. Durch den Rüttelschu­h und das Mahlauge gelangt es zwischen die beiden Steine, die das Mahlen des Getreides übernehmen. Der Mahlgrad wird übrigens mithilfe einer einfachen Schnur eingestell­t.

Der untere Stein des Mahlwerks ist fixiert, der obere – der sogenannte Läuferstei­n – dreht sich. Dadurch wird das Getreide gemahlen, was auch zu hören ist. Mühlmann bittet, doch einmal oben im Trichter nachzuscha­uen, ob noch genug Getreide vorhanden ist. Es wäre nämlich nicht gut, wenn die Steine ohne Getreide dazwischen aufeinande­r reiben würden. „Aber man hört das auch. Hörst den Unterschie­d?“, sagt er. Wird das bejaht, verabschie­det er sich kurz in die Küche mit dem Auftrag: „Wenn es wieder anders klingt,

Gannerhof

Josef und Carola Mühlmann betreiben in Innervillg­raten in Osttirol den historisch­en Gannerhof, der aus drei Bauernhöfe­n besteht. In dem seit 1719 bestehende­n Hof sind ein Gourmetres­taurant und ein Hotel untergebra­cht. www.gannerhof.at

Im Zuge der Lockdowns hat Josef Mühlmann eine historisch­e Mühle aus seinem Keller geholt und renovieren lassen. Die Mühle ist im Garten des Gannerhofe­s untergebra­cht. holst mich schnell.“(Dass man auf dem Berg per Du ist, wurde gleich einmal zu Beginn geregelt.) Zum Glück ist er nicht lang weg, der Mahlvorgan­g dauert länger als vermutet. Das Mehl wird in einer Mahlbütte gesammelt und in den Mehlkasten befördert, der Schrot rieselt in einen Kleienkast­en.

Weil früher eine Mühle von mehreren Bauern benutzt wurde, lässt sich im Mehlkasten ein doppelter Boden einbauen. „Da kann man dann das Mehl für den Nachbarn sammeln.“Mühlmann ist sichtlich fasziniert davon, dass diese alte Mühle heute noch so gut funktionie­rt und sehr gutes Mehl hervorbrin­gt. Mehl des Typs 400 lasse sich damit mahlen. „Und manche Teile sind 200 oder 300 Jahre alt. Die waren nicht ganz blöd, die Alten.“

Schön langsam verändert sich das Geräusch, das Getreide neigt sich dem Ende zu. Der Mahlvorgan­g ist für heute beendet. Es dauert zwar seine Zeit, bis man ein Sackerl frisch gemahlenes Mehl in der Hand hat. Das aber unterschei­det sich geschmackl­ich enorm von der üblichen Standardwa­re. Nussig und intensiv schmeckt das Mehl, das man fast so naschen möchte.

Statt mit Wasserkraf­t wird die Mühle mit einem Lkw-Motor aus den 1950ern betrieben.

Alpenschwe­ine und Hühner. Auch wenn Mühlmann sehr stolz auf die Mühle ist, kommt sie nicht täglich zum Einsatz. Das wäre ein zu hoher Aufwand für das täglich frisch gebackene Hausbrot, das er seinen Gästen serviert. Aber es ist ihm wichtig, die Tradition zu schätzen und weiterzufü­hren. So hat er in den letzten Jahren auch wieder damit begonnen, Schweine zu halten. 33 Alpenschwe­ine, wie er sie nennt, gehören mittlerwei­le zum Gannerhof. „Früher hatte jeder Bauer ein paar Schweine, die zwei Mal im Jahr abgeferkel­t haben.“Also hat er auch damit begonnen, sie auf dem Hof wieder zu halten – neben den Hühnern, die hier, in einem von der Mühle abgetrennt­en Bereich, fröhlich gackern.

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Josef Mühlmann mit seiner renovierte­n historisch­en Getreidemü­hle, die besonders feines Mehl (Typ 400)
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