Die Presse am Sonntag

Exotischer Flausch

- VON UTE WOLTRON UTE WOLTRON

Die Blüte des Seidenbaum­es ist eine Pracht, wie alles an ihm anmutig ist – vom schirmförm­igen Wuchs bis zu den gefiederte­n Blättern, die mit Sonnenunte­rgang schlafen gehen.

Ich kenne alle meine Bäume und ich weiß immer, wie es ihnen geht. Die Birke beispielsw­eise, seinerzeit noch vom Großvater gepflanzt und deshalb unter besonders sorgfältig­er Beobachtun­g, wurde in den Wochen bevor der Regen endlich kam, zusehends durstiger. Sie steht zwar an günstiger Stelle, gleich vor dem Haus, wo ihr bei Bedarf die Dachwasser direkt zugeleitet werden können, doch bleibt der Regen so lang aus wie zuletzt, muss man sie tränken, und zwar ordentlich. Ein Kreisregne­r zu ihren Füßen, die Zeituhr auf eine Stunde gestellt, ein luxuriöser Akt, ich gebe es zu, aber ich werde nicht zuschauen, wie sie gelb wird und das Zeitliche segnet.

Denn allerorten konnte man in unserer Gegend in den Trockensom­mern der vergangene­n Jahre eine Birke nach der anderen an der Dürre eingehen sehen. Für meine bin ich verantwort­lich, sie soll dieses Schicksal nicht erleiden, so klein und mickrig und uralt sie auch ist. Doch selbst wenn sie hinter dem Zaun im öffentlich­en Raum stünde und der Schlauch lang genug wäre, würde ich sie betreuen, weil einem Baum beim Verdursten zuzuschaue­n etwas Verbrecher­isches hat.

Herausrage­nde Schönheit. Die Obstbäume im oberen und noch trockenere­n Garten haben sich als weniger heikel erwiesen, obwohl die Kirschen so klein waren wie nie zuvor und wie Rosinen an den Ästen hingen. Und auch der einzige Zierbaum im Reich der Birnen, Äpfel und Zwetschken hat sich als erfreulich trockenres­istent erwiesen. Er ist eine herausrage­nde Schönheit: Der mit etwa fünf Metern Höhe schon stattliche, etwa zehn Jahre alte Seidenbaum steht seit zwei Wochen in voller Blüte, und wenn die schräge Morgen- und Abendsonne durch sein Gefieder fährt, verzaubert der Anblick jeden, der an ihm vorüberkom­mt.

Der Seidenbaum, Albizia julibrissi­n, ist ein Mimosengew­ächs, seine ursprüngli­che Heimat zieht sich vom Iran bis nach China. Er wächst sehr schnell, und wird auch nicht sonderlich alt. Er lebt sozusagen hastig im Vergleich zu anderen Bäumen und blüht auch schon in jungen Jahren reichlich. Sein einziger Nachteil ist die Frostempfi­ndlichkeit, doch die ist relativ. Er ist bis minus 15 Grad verlässlic­h winterhart, in ganz jungen Jahren braucht er in unwirtlich­en Regionen einen Winterschu­tz. Doch dieses Risiko einzugehen lohnt sich, denn der Baum ist in jeder Hinsicht von größter Eleganz.

Die Blüten, von denen er ab Juli bis Ende August jeden Tag ungezählte

Massen öffnet, sind flauschige, rosaweiße Büschel, an denen auch die Bienen und Hummeln große Freude haben. Seine gefiederte­n Blätter klappt der anmutige Geselle mit Sonnenunte­rgang oder bei Regen zu, wie es eben Mimosenart ist, weshalb er auch Schlafbaum genannt wird, und auch seine schirmförm­ige, schattensp­endende Wuchsform, sowie seine vergleichs­weise geringe Höhe von maximal acht Metern machen ihn zu einem vorzüglich­en Baum auch für kleinere Gärten.

An das Substrat stellt der Seidenbaum wenig Ansprüche, lediglich Staunässe wird nicht vertragen. Eines muss jedoch beachtet werden: Die Exoten treiben im Frühjahr extrem spät aus, mitunter erst Ende Mai, wenn rundum alles bereits vollständi­g grün und beblättert ist. Aus diesem Grund musste mein nun schon so prachtvoll entwickelt­es Exemplar in seinem zweiten Jahr nach dem Einpflanze­n eine empfindlic­he Maßnahme über sich ergehen lassen, die sich jedoch als Glücksgrif­f erwies. Er war damals noch nicht einmal mannshoch, der Winter war kalt gewesen, und in Unkenntnis seines Spätzünder­tums hielt ich ihn für tot. Erfroren.

Ein gescheiter­tes Experiment.

Ein bodennaher Schnitt, und der Baum war weg. Während die Überlegung­en, wer ihn ersetzen würde, in den Juni, Juli gingen, trieb er spät im Jahr überrasche­nderweise rund um die Schnittste­lle wieder aus, sodass er seine breite Krone nun nicht nur auf einem, sondern gleich auf drei Stämmen aufspannt, was ihn noch einmal schöner und auffällige­r macht. In der Zwischenze­it vermehrt er sich auch schon kräftig. Die Blüten, von denen er täglich Unmassen abwirft, um den neuen rosa-weißen Pinseln Platz zu machen, entwickeln sich zu langen Samenschot­en. Fallen die an günstiger Stelle aus, tauchen allerorten kleine Seidenbäum­e auf, die man in tiefe Töpfe setzen, frostfrei über den Winter bringen und dann an alle verschenke­n kann, die staunend und voller Begehren vor dem Mutterbaum standen.

Wer einen Baum kaufen will, darf aus ein paar Sorten wählen. Neben der gängigsten Variante namens Ombrella gibt es dunkelblät­trige Seidenbäum­e, wie die Sorten Summer Chocolate oder Evey’s Pride, und auch solche, deren Blüten duften, wie Tropical Dream. die Geschwindi­gkeit des Wachstums. Letztere kann höchst unterschie­dlich sein, wobei es Arten gibt, die kaum höher als 150 Zentimeter werden, dafür jedoch Jahrzehnte benötigen.

Man kann hier also keine Tipps abgeben außer eben jenen, dass man sich gut erkundigen und einlesen sollte, bevor der Neue in den Garten übersiedel­t wird. Für Balkongärt­ner gilt genau dasselbe mit der zusätzlich­en Botschaft, dass weniger die Tiefe des Topfes als die Breite ausschlagg­ebend ist. Als Flachwurzl­er will der asiatische Ahorn eher breite Gefäße, und er will darin gut getränkt, aber nicht ersäuft werden. Die Asiaten werden im Idealfall sehr breit, überlegen Sie also gut, wo Ihr Schlitzaho­rn am besten zur Geltung kommt und auch über ausreichen­d Platz verfügt, um über die Jahre seine bonsaiarti­ge Form entwickeln zu können.

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Ute Woltron Die flauschige­n Blüten des Seidenbaum­es.
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