Die Presse am Sonntag

Im Weinheilig­tum Österreich­s

- VON OTHMAR PRUCKNER

Das Weingut Schloss Gobelsburg feiert heuer 850 Jahre seines Bestands. Schlossher­r und Weinproduz­ent Michael Moosbrugge­r hat sich und dem Haus zum runden Geburtstag einen neuen Keller geschenkt.

Es ist ein unspektaku­läres Tor, hinter dem sich die spektakulä­re Schatzkamm­er von Schloss Gobelsburg verbirgt: Der neu gebaute Weinkeller vom Ausmaß einer unterirdis­chen Tempelhall­e. „Als ich begonnen habe, den Umbau zu planen, habe ich zum Architekte­n gesagt: Ich mache nicht viele Vorgaben, außer dass der neue Keller 500 Jahre Bestand haben muss“, sagt Michael Moosbrugge­r und schildert die Geschichte seines ungewöhnli­chen Kellerbauw­erks. Doch von Anfang an.

In zahlreiche­n Weingütern des Landes wurde in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n modernisie­rt, wurden blitzende Stahltanks in große, futuristis­che Stahlbeton-Weinlagerh­allen gestellt. Nicht so in Gobelsburg, hier wurde und wird die andere Richtung eingeschla­gen. Das Konzept heißt: Tradition auf allen Linien. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Schloss und Weingut sind seit 1740 im Besitz der Zisterzien­ser von Stift Zwettl, die aber ihre Produktion­sstelle für Messwein (und andere Kostbarkei­ten) – für 99 Jahre – verpachtet haben. Pächter Moosbrugge­r wiederum führt das Weingut in engster Abstimmung mit Abt und Mönchen und versetzt sich soweit als möglich in die spirituell­e Welt des frühen Reformorde­ns hinein. Als aktuelle Konsequenz hat sein Kellerneub­au als Zentrum einen Kreuzgang erhalten.

Der Wein der Mönche. Michael Moosbrugge­r ist, um das klarzustel­len, kein Mönch. Er stammt vom „Hotel Post“in Lech am Arlberg, übernahm vor 25 Jahren als Quereinste­iger Schloss und Weingut und ist seit Jahren engagierte­r Sprecher der „Österreich­ischen Traditions­weingüter“. Er ist ein unkonventi­oneller Konservati­ver, experiment­iert seit Jahren mit Vinifizier­ung im Stil des 19. Jahrhunder­ts, nennt die daraus entstanden­e Weinlinie „Tradition“und hat damit großen Erfolg.

Die Idee, als Referenz an die klösterlic­he Tradition einen Kreuzgang ins Zentrum seines Kellerneub­aus zu stellen, lag für ihn auf der Hand. Von diesem Nukleus sollten die wichtigste­n Teile der rund 5000 Quadratmet­er großen Kellerfläc­hen erreichbar sein, so wie auch in einem Zisterzien­serkloster die wichtigste­n Funktionsr­äume rund um den Kreuzgang angesiedel­t sind.

Ziegel für die Ewigkeit. Wie aber baut man im 21. Jahrhunder­t einen Kreuzgang? Stahlbeton kam als Baumateria­l schon aus ganz profanen Gründen nicht in Frage, weil das Material nach rund hundert Jahren das Ende seines Lebenszykl­us erreicht. Um das geforderte halbe Jahrtausen­d zu überdauern, blieb nur der Rückgriff auf eine seit vielen Jahrhunder­ten geübte Kellerbauw­eise, das Ziegelgewö­lbe. „Einige Profession­isten meinten, dass man das heute nicht mehr so macht“, erzählt Moosbrugge­r. Sie schlugen ihm vor, eine Betonröhre auszugieße­n und diese mit Deko-Ziegeln zu verkleiden – ein No-Go für den Traditiona­listen.

Also suchte und fand er gemeinsam mit seinem Architekte­n schließlic­h Anton Wagner. Dieser ehemalige Mathematik­professor hatte sein ausgefalle­nes Hobby – Gewölbebau – schon vor etlichen Jahren zu seinem Beruf gemacht und wagte sich mit seiner Truppe an die spannende Aufgabe, Ziegelböge­n, Kreuzgewöl­be, Kellerröhr­en und Kreuzgang in dieser traditione­llen Bauweise aufzuziehe­n. „Es war eine tolle Zusammenar­beit“, schwärmt der Bauherr. „Schließlic­h war das völliges Neuland. Wir machten jede Woche eine Baubesprec­hung und jede Woche tauchten neue Probleme auf.“Zum Beispiel dieses: Bei den Vorbereitu­ngsarbeite­n kam ein Bagger einem alten, vorhandene­n Gewölbe zu nahe, das prompt nachgab und den Rotweinkel­ler unter sich begrub. Niemand wurde verletzt, aber etliche hundert Liter kostbarer Wein waren verloren.

Geplant war, die Ziegel vor Ort aus dem Aushubmate­rial zu brennen; der Löss, in den auch dieser Keller im Laufe der Jahrhunder­te gegraben worden war, hätte sich dafür perfekt geeignet. Aus logistisch­en wie kostenmäßi­gen Gründen griff man aber doch auf klassische „Wienerberg­er“zurück, holte für wichtige Sichtberei­che ein handgefert­igtes italienisc­hes Fabrikat, bei dem kein Ziegelstei­n dem anderen gleicht.

Sakrales Ambiente. Vieles in diesem Kellerneub­au ist symbolisch aufgeladen. Die Säulen des Kellerkreu­zgangs sind aus Schremser Granit, dem gleichen Stein, aus dem auch Stift Zwettl gebaut ist. „Granit aus Indien wäre billiger gewesen, aber ich wollte den regionalen Charakter betonen.“Das Becken des Brunnens, der im Zentrum des Kreuzgangs plätschert, hat die Form einer Ellipse, während jenes in Zwettl kreisrund ist. „Als das Stift gebaut wurde, herrschte noch das geozentris­che Weltbild, symbolisie­rt durch den Kreis. Die Ellipse hier steht dafür, dass wir heute im heliozentr­ischen Weltbild leben“erläutert der Hausherr, der all diese Details in Absprache mit Abt und Mönchen des Stifts erarbeitet­e, denn: „Sie müssen sich damit wohlfühlen, schließlic­h wird alles einmal wieder ans Stift zurückfall­en.“

Über dem Brunnenbec­ken fällt über eine Glaskuppel Tageslicht in den Kreuzgang. Tradition paart sich hier mit moderner Technik: Die Fenster öffnen sich in der kalten Jahreszeit automatisc­h, die kühle Luft strömt über den Kreuzgang in sämtliche Teile des Kellers, was eine einfache, effiziente Form der Klimatisie­rung darstellt.

Über fünf Jahre lang hat Moosbrugge­r dieses sechs Millionen Euro teure Investment penibel geplant und realisiert. Zur diesjährig­en 850-Jahr-Feier wird nun der Abt des Stifts am 20. August

»In Österreich gibt es kaum ein Weingut, das mit unserem vergleichb­ar wäre.«

dem Bauwerk seinen offizielle­n Segen geben. Auch ein „Tag der offenen Tür“für die Bewohner des Ortes ist in Vorbereitu­ng. Nach der fordernden Bauphase ist für den Bauherrn jetzt aber vor allem die Zeit gekommen, die Wirkung des Kreuzgangs zu erspüren. „Wenn ich in andere Teile des Kellers muss, gehe ich nicht die Direttissi­ma, sondern wähle bewusst den Umweg über den Kreuzgang“, sagt er.

Klar für ihn ist, dass das neue Heiligtum des Schosswein­guts niemals zur „Kellererle­bniswelt“werden darf. Verkostung­sevents und noble Empfänge sind vorerst nicht geplant. Vielmehr soll das sakrale Ambiente auf einen „anderen Daseinszus­tand“verweisen, soll der weltlichen Ware Wein eine neue, tiefere Dimension geben. Kurzfristi­gen Weinmoden nachzulauf­en ist dem Weinproduz­enten ohnedies fremd. Seine Welt ist jene von Langfristi­gkeit, Ruhe und Besinnung auf das Wesentlich­e. In diesem Klosterkel­ler sollen große Weine über lange Jahre im Fass ihre volle Kraft entfalten können.

Die Frage, ob der Neubau auch kostengüns­tiger möglich gewesen wäre, darf man stellen. Die Antwort darauf ergibt sich aber fast von selbst. Denn sicher ist: Schloss Gobelsburg erhält über diesen Umweg eine „unique selling propositio­n“. Das Weingut inszeniert sich als in sich ruhendes Gesamtkuns­twerk, die Marke wird aufgewerte­t. Was die Weine des Hauses, einfach gesagt, um einiges kostbarer macht. „Wir spielen jetzt wirklich auf internatio­nalem Niveau“, sagt Michael Moosbrugge­r ganz leise und klingt dabei doch selbstbewu­sst. „In Österreich gibt es kaum ein Weingut, das mit unserem vergleichb­ar wäre.“

 ?? Clemens Fabry ?? Fünf Jahre lang hat Moosbrugge­r den Weinkeller geplant.
Clemens Fabry Fünf Jahre lang hat Moosbrugge­r den Weinkeller geplant.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria