Von der Einswerdung mit dem weißen Pferd aus Japan
Die Glückshormone glühen im Mazda MX-5, dem meistverkauften Roadster, schnell. Wie konnte man nur jahrzehntelang ohne so etwas auskommen? Gebaut seit 1989, wird bald eine neue Generation folgen. Wir durften uns mit dem kleinen, feinen, knackigen Ding und 184 PS in der Sonderedition »100 Years« verschmelzen.
Donald Ducks rote Karre mit dem Kennzeichen »313« als Roadster-Paradebeispiel.
Der Wienerwald war noch nie so schön. Schon unten in der Donauebene bei Tulln hatten seine schaumig grünen Flanken und Kuppen an dem sonnigen Juni-Nachmittag so herzlich gewirkt wie selten zuvor. Dann kam die Steigung, kamen die paar scharfen Kurven der B1 den Riederberg hinauf, die Aussicht stellenweise erstaunlich und alles grün, jedes Blatt vom Sonnenlicht einzeln umflort, dazu der Geruch nach Sommer, Wiesen, Wald und ein wenig würzigem Abgas, der durchs offene Dach weht und die Glückshormone glühen lässt. Und während die Sisters of Mercy dröhnen, gibst du wieder tüchtig Gas, und die kleine Maschine, in der du passgenau sitzt wie ein Pilot im Kampfjet, ja fast liegst, drückt dich auf präziser Bahn brüllend und wie eine Rakete die Steigung hinauf, wobei: Das Tempolimit halten wir schon grob ein, gell.
Es gibt Momente, da wird einem klar, dass man über Jahrzehnte etwas verpasst hat. Ende der 80er war da zwar Mike, der Schulfreund, der von seinem Dad den MGA auslieh und mit dir auf Spritztour ging. Es war ein roter, offener, antiquierter englischer Sportwagen, ein Roadster, gebaut gegen 1960. Man saß so tief, dass man Hunden ins Gesicht sah und sich vor Radlern fürchtete, und wie wir von Vorarlberg aus über Bergstraßen der Ostschweiz brummelten war lustig, aber im Hirn besonders verhakt hat sich’s nicht. Dagegen war diese Tour jüngst, die auch durch den Wienerwald führte, ein Motorgasmus. Man muss dafür vielleicht reif genug sein.
Jetzt fuhren wir einen weißen Mazda MX-5 der Sonderedition „100 Years“, eingedenk der Gründung von Mazda bzw. dessen Vorgängerfirma Toyo Cork Kogyo 1920. Sie erzeugte Kork-Ersatz. Okay, es ist 2021, man feiert halt gern lang. Mit einklappbarem Hardtop und 184-PS-Vierzylinder, der ob nur rund 1,1 Tonnen Leergewicht magische Effekte zaubern kann. Der MX-5, gebaut seit 1989 und seit 2015 in 4. Generation, ist Legende, viel wurde darüber geschrieben, wie volle Kanne cool er nicht sei, wie er aus einem simplen Bummelcruise einen Kurzurlaub mache, wie viele Glücksmomente pro Kilometer er induziere. Leider gibt es heute nicht gar so viele Roadster.
Zugpferd? Straßenräuber? Was ist überhaupt ein Roadster? Der „Webster“, die Bibel der englischen Sprache, erklärt (hier übersetzt): (1) ein Zugpferd, etwa für Straßentransporte; (2) ein Straßenräuber, Wegelagerer; (3) ein robustes Fahrrad für einfache Straßen, eine leichte Kutsche, ein offenes Automobil mit einer Sitzreihe und Gepäckraum hinten oder manchmal Notsitz.
Autos, die als Roadster galten, hatten Anfang des 20. Jahrhunderts in der Tat meist kein Dach, keine Windschutzscheibe, mitunter keine Türen. Donald Ducks rote Karre mit dem Kennzeichen „313“ist ein Paradebeispiel. Später wurden abnehmbare oder
Beim Spiel von Rot und Weiß (hier im Bezirk Baden/NÖ)
denkt man an „American Beauty“. Im Grunde ist der MX-5 ja eine Idee aus Amerika mit englischen Ahnen und japanischer
Umsetzung. versenkbare Stoffdächer bzw. Hardtops üblich. Im Fall unseres Test-MX lässt sich dabei diskutieren, ob er für Puristen ein Roadster ist: Vom Hartdach verschwindet nur der Mittelteil im Wagen, während es B-Säulen gibt und diese samt dem Rest des Fließheckaufbaus und Heckscheibe bleiben. Eigentlich ist das ein Targa-Dach (wobei bei diesen das Mittelteil oft vom Auto entfernt wird). Mazda darf das aber so nicht nennen, denn der Begriff gehört markenrechtlich Porsche, seit dem 911 Targa ab 1965. Dächer a` la Targa gab/ gibt es etwa auch für den Chevy Corvette C3 (1967–1982), mehrere Ferraris, den Alfa Romeo Spider, Honda NSX.
Also spricht Mazda hier von „RF“, für Retractable Fastback, einklappbares Schräg-/Fließheck. Manche stellen diesen MX-5 RF dem MX-5 Roadster gegenüber, weil Letzterer ein komplett versenkbares Stoffdach hat und beim „echten“Roadster außer Kopfstützen, A-Säulen, Scheiben und eventuell Überrollbügel nichts über die Schultern der Insassen ragen darf. Aber seien wir vor lauter Fahrspaß nicht so tüpferlreitend und sagen etwa Roadster Coupe´ dazu: Ein Modell jenes Namens fand sich auch schon in Generation 3, halt mit komplett versenkbarem Hardtop.
Die Szene aus Star Trek V. Das RF-Dach lässt sich jedenfalls in 13 Sekunden einbzw. ausfahren, der exakte Tanz der drei Segmente ist genial. Beim Abholen sagte der Mann beim Händler zu meinem Zehnjährigen: „Jetzt hockst in einem Transformer.“Damit hatte er ihn sofort. Nach wenigen Kilometern hatte uns auch der Rest des spritzigen, kernigen und so kleinen Wagens gefangen. Die Japaner nennen die Idee dahinter „Jinba ittai“– die Einswerdung von Pferd und Reiter. Kenner denken da an die Szene in Star Trek V, wo sich Spock beim Reiten patschert anstellt, worauf Kirk in Anlehnung an die typischen Spock’schen Seelenverschmelzungs-Sprüche spottet: „Spock, Sie müssen eins werden mit dem Pferd!“
Und da ist etwas dran: Das Cockpit empfängt dich perfekt wie das Holster eine Pistole oder ein Handschuh die Hand. Die runden Hauptanzeigen wirken schön klassisch und mehrheitlich analog, der Drehzahlmesser im Zentrum stellt klar, was Sache ist. Denn der hoch verdichtende Motor mag es hochtourig, ab 3500, 4000 U/min rockt die Party. Dabei sind die Dinger der Skyactiv-G-Klasse auch ohne Filter supersauber (EU-Norm Euro 6d) und klingen toll: stark, dumpf, nicht präpotent.
Das Aussteigen hat so seine Tücken und der Kofferraum mit einer Bierkiste genug.
Vorn wölben sich die Kotflügel raumgreifend lässig hoch, dazwischen spannt sich die lange Motorhaube. Instrumente und Schalter sind einfach, übersichtlich, haptisch griffig. Der Drehknopf auf der Mittelkonsole steuert den Zentralmonitor selbsterklärend, der golfballgroße Knopf der Gangschaltung liegt super in der Hand und vermittelt Motorvibrationen, was einen erdet, dazu mit nur wenige Zentimeter langen Schaltwegen eine Macht,
die der reaktionsschnelle Motor und die eisenbahnschienenpräzise Lenkung verstärken. Das harte Fahrwerk auch. So folgt schnell das Gefühl der Verschmelzung. Auch mit der Fahrbahn.
Wobei man sich übrigens oft schneller wähnt, als man wirklich fährt. Roadster sind Geschwindigkeitshochstapler. Und dank Heckantrieb darf man bisweilen das Gefühl des Driftens spüren, es ist ein sicheres Ausbrechen, denn der MX-5 stabilisiert sich sofort und fährt in die angestrebte Richtung.
Die Innenverkleidung fühlt sich angenehm an, mit Leder, Weichkunststoff, einige Felder aus Hartplastik stören nicht, wirken sogar authentisch. Das Bose-Soundsystem tönt prächtig, verkuppelt sich easy per Bluetooth mit dem Handy, schwierig wird’s halt ab etwa 110 km/h mit offenem Dach, wobei es innen aber fast windstill bleibt. Die Sitze (hier weinrotes Leder) sind sehr gut, selbst jemand, den oft das Kreuz plagt, empfindet sie fast als heilsam, du willst nicht mehr aussteigen.
Kein Poser wie ein Porsche. Letztlich ein wunderschönes Auto. Edler, dezenter, freundlicher und viel weniger poserhaft als etwa ein Porsche.
Die mechanische Handbremse auf der Mittelkonsole ist indes übertrieben groß und hätte mehr sinnvollem Raum Platz geben können. Denn die Ablagen sind irre klein, da ist kaum mehr Platz als für ein Handy, eine Geldbörse, das Handschuhfach fehlt, es steckt aber ein Fach mittig hinter den Sitzen. Der Kofferraum lässt dich grinsen, mit einer Kiste Bier hat er zie mlich genug. Das Aussteigen will speziell bei geschlossenem Dach auch für kleinere Leute gelernt sein. Mit der falschen Technik wird’s zur Qual, man haut sich an, es gibt leicht Schuh-Kratzspuren an der Tür. Dass mir just die Schwiegermutter (81) en passant zeigen musste, wie man sich dem Wagen mit einem Hüftdreher elegant entwindet, ist so eine Sache.
Aber es waren auch Amerikaner, die die Japaner zum MX-5 brachten. US-Motorjournalist Bob Hall (*1953) meinte 1979 auf die Frage hoher Maz
Mazdas Beginn war 1920 in Hiroshima die Firma Toyo Cork Kogyo, sie machte Kork-Ersatz. Neuer Chef wurde 1921 Jujiro Matsuda (1875–1952), der mit Pumpen und Waffen vermögend geworden war. Als „Toyo Kogy o“baute man Maschinen, ab 1931 dreirädrige Motorrad-Laster Typ Mazda-Go, ein Hit in Asien. 1940 ein PkwPrototyp, ihn stoppt der Krieg, dann folgen kleine Nutzfahrzeuge. Erster Serien-P kwist 1960 der hübsche Kleinstwagen Mazda R360. Europa-Auftritt ab 1967 (Österreich: 1969), in Nordamerika ab 1968. Erst 1984 wird Toyo Kogyo formal zu Mazda. KfzAbsatz 2020: 1,24 Mio. (Rang 14); 6876 in Ö (|14, MA: 2,8%).
Der Name istReferenz an den zoroastrischen Schöpfergott Ahura Mazda als Brücke zwischen Ost und West, der ähnlich klingt wie der Name von Gründer Matsuda.
Der Himmel über dem Cockpit. Innen ist aber auch eine Art Himmel. da-Manager, welche Autos in Nordamerika fehlen würden: simple, günstige Roadster englischer Art. Indeed hatten vor allem Briten (und Italiener) weit vor allen anderen nach dem Zweiten Weltkrieg Roadster (in Italien: „Spider“) als Spaßautos blühen lassen. Schärfere Umwelt- und Sicherheitsnormen dämmten das ab den 70ern ein, dazu kam die wachsende Beliebtheit von Kombis. Und vor allem der Crash des britischen Pkw-Baus samt Versagen und Verblassen des Mischkonzerns British Leyland (1968–1986), der die meisten UK-Marken wie Jaguar, Austin, MG, Mini, Rover bündelte. 1981 endete der Bau des Triumph TR8, des letzten Großserienroadsters Englands. Solche Autos kamen fast nur noch aus Italien.
Born in the USA. Im selben Jahr wurde Hall Produktentwickler bei Mazda und stieß das Thema neu an. Bald plante ein Team in Kalifornien einen leichten Sportwagen, auf Basis des englischen Lotus Elan – googeln Sie das, die Sache ist eindeutig. Der Neue sollte freilich zuverlässig er sein. 1984 unterlag ihm ein in Japan kreierter Gegenentwurf, eine Firma in England baute einen Prototypen. 1986 gab Mazda grünes Licht. Dabei schien die Marktlage ungewiss, man plante nur einige Tausend Stück pro Jahr. Schon im Startjahr 1989 wurden es über 45.000. Volltreffer! Seither entstanden rund 1,1 Millionen MX-5, in den USA „Miata“genannt. Das ist Roadster-Rekord, obwohl andere nachzogen: BMW (Z-Serie), Mercedes (SLK), Audi (TT), Fiat (Barchetta), auch etwa Opel, Nissan. Und Lotus mit der „Elise“.
Ein Greta-tauglicher MX-5 soll kommen. Der Burner bleibt aber das einzig Wahre.
Trotz all er Öko -Unkenrufe wird’s weiter einen Markt für solche Autos geben. Vielleicht sieht man einmal sogar Greta in so einem: Sollte nämlich 2022 eine neue MX-5-Generation folgen, dürfte bald eine zumindest hybridisierte Version dabei sein. Mit dem guten alten Burner ist’s trotzdem schöner.