Die Rache eines Vaters
London-Thriller.
Simon Beckett geht fremd. Der britische ThrillerAutor lässt seinen forensischen Anthropologen David Hunter links liegen –zugunsten von Jonah Colley, Mitglied einer Spezialtruppe der Londoner Polizei. Colley ist ein seelisch beschädigter Mann, der nie über das Verschwinden seines kleinen Sohnes hinweggekommen ist. Als sich ein alter Freund mit mysteriösen Hinweisen meldet, geraten die Dinge in Bewegung, bald stapeln sich die Leichen, Colley selbst gerät unter Verdacht. Spannender Auftakt zu einer neuen Reihe, Beckett-Fans werden begeistert sein.
Simon Beckett: „Die Verlorenen“, üb. von K. Witthuhn, S. Längsfeld, Wunderlich-Verlag, 410 S., 24,70 €
ie triggern Erinnerungen, beeinflussen das Wohlbefinden und entscheiden mitunter auch darüber, wen wir lieben: Düfte spielen eine große Rolle in unserem täglichen Leben. Das Riechen ist – im Gegensatz zum Hören und Sehen – jener Sinn, den die Menschen entwicklungsgeschichtlich am längsten besitzen. Dessen sind wir uns im Alltag aber nicht immer bewusst.
Die Nase in den Mittel punktseiner Aufmerksamkeit stellt hingegen Stefan Zwickl seit mittlerweile zweieinhalb Jahren: Düfte und deren Gewinnung sind der Job des 33-jährigen Burgenländers, der auf seinen Feldern in Frauenkirchen Duft- und Heilpflanzen anbaut, um deren ätherische Öle, die er daraus gewinnt, unter der Marke Steppenduft zu verkaufen. Zitronenthymian, Majoran, Rosengerani en oder – „erstmals in Österreich“, wie er sagt – exotische Sorten wie Eukalyptus und Zitronengras gedeihen auf seinen sonnendurchfluteten Feldern in der pannonischen Tiefebene. Für das provenzalische Flair sorgen endlose Reihen von Lavendelstauden, deren tiefes Lila man schon von Weitem erkennt.
„Wir leben in einer Welt, in der Düfte chemisch hergestellt werden“, sagt Zwickl bei einer seiner „Duftsafaris“, bei der er Interessierte auf eine Tour durch die Felder nimmt, um sie zu animieren, die Gerüche bewusst wahrzunehmen. Mit Sichel, Leinenhemd und viel Humor erzählt er dann von Herkunft, Duft und Anwendung seiner Pflanzen. Das Entdecken immer neuer Sorten sei für ihn zur Sucht geworden, meint er.
Dabei ist es noch gar nicht so lang her, dass sich der ehemalige Produktionsleiter einer Lebensmittelfirma mit Konservierungsstoffen anstatt natürlicher Düfte beschäftigte. Als studierter
Lebensmitteltechnologe machte Zwickl Karriere abseits des elterlichen Bauernhofs, der unter ander en McDonald’s mit Erdäpfeln beliefert. Viehzucht betreibt man dort zwar schon seit dem Großvater nicht mehr, der alte Schweinestall erlebte vor zwei Jahren durch Zwickl dennoch eine Revitalisierung: Als Schauraum dient er seither zum Schnuppern der Duftkreationen. Der frühere Produktionsleiter wurde zum „Duftenthusiasten“, wie er sich nennt, der „Duftwolken“kreiert, die Geist und Körper „sanft berühren“sollen.
Dass dort, wo sich früher Säue und Ferkel im Schlamm suhlten, unter dem Dach langsam Lavendel vor sich hin trocknet, haben zuvor viele nicht für möglich gehalten. Den „Träumereien“des Jungbauerns war man im Ort recht skeptisch begegnet. Auch sein Vater war anfangs nicht überzeugt. „Der Papa macht die bodenständigen Sachen, ich die wahnsinnigen“, sagt der 33-Jährige. Die Überzeugungsarbeit scheint seither aber geglückt: Heute schenken die Eltern den Hausgästen in den Pausen weißen Spritzer aus. Auch bei Ernte und Verkauf wird fleißig mitgeholfen.
Destillieren wie da Vinci. Bis zu 70 Gäste empfängt Zwickl pro „Duftsafari“Rundgang. 2500 sollen es über den Sommer werden. Zwickls Idee und Handwerk treffen dabei offensichtlich den Zeitgeist. Immerhin wächst das Bedürfnis danach, bewusster zu leben, die eigenen Sinne wiederzuentdecken und die Natur zu erleben.
„Ich habe einen Gutschein bekommen“, begründet eine Dame mittleren Alters den Besuch gemeinsam mit ihrer Freundin. Ihr gefalle es hier. Der Duftbauer hat bei ihr offenbar einen Nerv getroffen. Aber nicht nur bei ihr: Auch das mediale Interesse an der Erlebniswelt wächst. Zum 100-Jahr-Jubiläum seines Bundeslands kreierte Zwickl kürzlich auch einen „Burgenlandduft“mit Majoran, Rosmarin, Lavendel und Minze. Für die hiesige Pfarre tüftelte er am „Klosterduft“– ein Verkaufsschlager.
Wo sich früher Säue suhlten, trocknet heute der Lavendel unter dem Dach vor sich hin.