»Die Vorstellung, jeder muss sich ein E-Auto kaufen, ist unsinnig«
Ist Wien für den Klimawandel gerüstet? Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb über den Lobautunnel und überflüssige Straßen, einen sabotierenden Bundeskanzler und warum die freie Marktwirtschaft aus ihrer Sicht ausgedient hat.
Frau Kromp-Kolb, Sie haben vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass Sie „nichts“an Österreichs Klimapolitik positiv stimmt. Ist das mit Wien anders?
Kromp-Kolb: In Wien ist es teilweise anders. Wien hat sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt und unternimmt wirklich Schritte, diese auch zu erreichen. Aber es gibt natürlich auch Schwächen: Das großräumige Verkehrskonzept, das nicht mehr zeitgemäß und keinesfalls zukunftsorientiert ist. Dann gibt es noch viele Details, wo man verbessern kann. Denn auch Wien liegt nicht auf Kurs für das Pariser Klimaziel mit eineinhalb Grad.
Warum liegt Wien nicht auf Kurs? Czernohorszky: Man muss dazusagen, dass keine Gebietskörperschaft und kein Staat derzeit auf Kurs liegen. Wir haben viel gemacht, aber wir müssen noch viel mehr tun, das stimmt. Das Ziel ist für Wien – als einziges Bundesland in Österreich – klar ausgesprochen: Bis 2040 CO2-neutral zu sein.
Sie sitzen im wissenschaftlichen Beirat des Wiener Klimarats. Hört die Wiener Stadtregierung auf Sie und Ihre Vorschläge? Kromp-Kolb: Unsere Vorschläge finden sich zu einem guten Teil im Regierungsprogramm wieder, jedenfalls in viel größerem Ausmaß, als wir das auf der Bundesebene feststellen können, für die die Wissenschaft auch einen Referenzplan erstellt hat.
Was der Bund gemacht hat, ist etwa das Klimaticket, das jetzt voraussichtlich ohne Wien, Niederösterreich und Burgenland startet. Sollte Wien als selbsternannte „Klimamusterstadt“nicht vorn mit dabei sein? Czernohorszky: Dieses Ticket ist als 123-Ticket angekündigt worden, und ich finde es schade, dass das jetzt nicht mehr so kommt. Das 1er-Ticket um einen Euro pro Tag gibt es nirgends außer in Wien. Das, was jetzt am Tisch liegt, klammert 60 Prozent aller Pendler aus. Was uns verwundert ist, dass man Halbfertiges präsentiert, und nicht einfach
HELGA KROMP-KOLB
Meteorologin und Klimaforscherin fertig verhandelt. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch mit einer Landtagswahl zu tun hat. Natürlich wollen wir eine Lösung finden. Eine, die für ganz Österreich gleich ist.
Über Lobautunnel und Stadtstraße wird seit Wochen diskutiert. In Wien besetzen nun Jugendliche erste Baustellen. Bürgermeister Ludwig hat kürzlich gemeint, die Grünen würden zwölfjährige Kinder dort hinbringen. Glauben Sie nicht, dass diese jungen Menschen selbstbestimmt handeln? Czernohorszky: Jede Art von zivilgesellschaftlichem Engagement hat eine Berechtigung. Zugleich sollten wir versuchen, die Lebenssituationen der vielen Menschen besonders im Norden der Stadt miteinzubeziehen, die diese Straßen über viele Jahre eingefordert haben. Die Frage, wie wir die Mobilitätswende hinkriegen, ist zentral, aber auch die Tatsache, dass Wien wächst. Und da hat der Bürgermeister hat einen richtigen Punkt erwähnt: Es wird sehr bewusst versucht, eine Kampfsituation, eine Schwarz-Weiß-Situation darzustellen.
Von wem? Den Grünen?
Czernohorszky: Zum Beispiel.
Kromp-Kolb: Es gehört aber auch dazu, Dinge, die über Jahre verfolgt wurden, auch noch einmal infrage zu stellen. Ja, es geht nicht nur um die Verkehrsanbindung, sondern auch um Stadtentwicklung: Sind das Schlafstädte oder sind das selbsttragende Grätzel, wo die Notwendigkeit hinauszugehen und daher der Verkehrsbedarf nicht so groß sind? Was die Zwölfjährigen betrifft: Ich glaube nicht, dass der Großteil der Jugendlichen von Fridays for Future instrumentalisiert wird von irgendjemandem, sondern das sind selbstverantwortlich agierende junge Leute.
Man muss Lobautunnel und Stadtstraße also noch einmal hinterfragen?
Kromp-Kolb: Es geht nicht so sehr darum, dass diese Straße so viel CO2 verursacht. Es geht darum, dass es ein Signal
in Richtung einer Stadtentwicklung ist, die auf einem Konzept von vor 20, 30 Jahren beruht. Die Frage ist: Wozu werden die Straßen verwendet und wird es diese Verwendung in 20 Jahren noch geben? Wenn nicht, sollte man es sich jetzt überlegen, ob man das Geld nicht für andere Zwecke einsetzt. Czernohorszky: Was den Vorwurf veralteter Konzepte für Stadtentwicklung und Verkehr betrifft, muss ich widersprechen. Wien ist seit den 1980er-Jahren um 400.000 Menschen gewachsen und diese bis 2030 um 50 Prozent, bis 2050 um 100 Prozent senken. Heißt übersetzt: Viel weniger Autos in der Stadt. Warum sträubt sich die SPÖ Wien dennoch so gegen Einschränkungen des Kfz-Verkehrs? Czernohorszky: Es gibt einige, die stark daran arbeiten, Verkehrspolitik grundsätzlich als Kampf darzustellen. Klimapolitik geht nur über Mehrheiten und das Mitnehmen der Menschen. Meine Partei geht diesen Weg durchaus erfolgreich. Wir sind das Bundesland mit den wenigsten Autos in Privathaushalten und das mit dem geringsten CO2-Ausstoß. Aber ja, wir müssen sicherstellen, dass es weniger Individualverkehr und deutlich mehr öffentlichen Verkehr gibt, dass mehr Wege mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Und dass die E-Mobilität rasch umgesetzt wird. Das tun wir auch.
Ist der Weisheit letzter Schluss, dass wir alle auf E-Autos umsteigen?
Kromp-Kolb: Sicher nicht. Die Vorstellung, jeder muss sich ein E-Fahrzeug kaufen, ist unsinnig. Die Zukunft der Mobilität ist wesentlich mehr zu Fuß gehen, Radfahren, öffentlicher Verkehr und die Fahrzeuge gemeinsam nutzen. Diese Idee, es bleibt alles beim Alten, nur der Antrieb ändert sich, ist grundfalsch. So ein Fahrzeug herzustellen, braucht unheimlich viele Ressourcen,
2040 alle Wiener Haushalte Energie, die ohne fossile Brennstoffe auskommt, beziehen. Fotovoltaik wird dabei einen riesengroßen Teil ausmachen. Auch Erdwärme und Fernwärme bauen wir massiv aus.
In Wien sollen 4500 Bäume pro Jahr gepflanzt werden, in Paris sind es 170.000 Bäume bis 2026. Gleichzeitig wird die Stadt radikal umgebaut und begrünt. Kann man sich da nicht noch etwas abschneiden? Czernohorszky: Ja, klar. Allerdings gibt es in Paris einen Bruchteil der Parkflächen und Bäume in Wien. Was wir vorhaben ist realistisch und trotzdem ambitioniert. Wir pflanzen nicht nur neue Bäume, wir schaffen auch neue Baumstandorte, indem wir Straßen aufbrechen. Da ist der Untergrund betroffen, von der Kanalisation angefangen, das ist es ein riesiger Aufwand.
Kromp-Kolb: Was man sich von Paris schon abschauen kann, ist der Mut, mit dem die Bürgermeisterin das durchzieht. Von oberster Stelle zu sagen: Ja, das tut manchen weh, aber wir brauchen das. Ich weiß zwar nicht, ob ihr das bei der nächsten Wahl gedankt werden wird, aber ich bin sicher, dass man irgendwann zurückschauen und sagen wird, das war der Anfang einer vernünftigen Entwicklung.
Wie wird das Leben in Wien aussehen, wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen? Kromp-Kolb: Es wird sehr heiß werden.
JÜRGEN CZERNOHORSZKY
Wiener Klimastadtrat (SPÖ)
Wenn wir uns die Entwicklung der mittleren Temperaturen ansehen, hinken die Maximaltemperaturen eigentlich hinterher. Früher oder später wird es sprunghaft über 40 Grad haben, und nicht nur einen Tag und ein paar Zehntel, sondern deutlich. Das ist in einer Stadt viel problematischer als am Land. Darunter leiden jene, die keinen Garten haben, die die Fenster nicht aufmachen können, weil zu viel Verkehr da ist. Das wird zu sozialen Spannungen oder sogar Unruhen führen. Es ist zwar nicht sehr ausgeprägt, aber doch nachweisbar: Hitze macht Menschen aggressiv. Auch für starke Niederschläge müssen wir uns wappnen, Wien könnte auch wieder massiv von Hagel betroffen sein.
Der Bundeskanzler hat mit seiner Aussage, Klimapolitik soll ohne Verzicht möglich sein, polarisiert. Braucht es den Verzicht? Sie fahren etwa nicht mehr nach Griechenland auf Urlaub, haben Sie gesagt?
Kromp-Kolb: In Österreich ist es wunderschön, insofern ist es kein Verzicht. Wenn die Politik Rahmenbedingungen schafft, die angenehmer sind, die man lieber macht, dann ist es kein Verzicht. Czernohorszky: Es ist nicht nur das falsche Wort, sondern bewusste Sabotage des Bundeskanzlers an einer gemeinsamen Anstrengung, die Welt zu verändern. Und da gibt es so viel zu gewinnen. Klimapolitik ist etwas, was die Gesamtgesellschaft mitnehmen muss, sonst bekommen wir keine Mehrheiten, sonst wird das ein Hobby von Intellektuellen und dann scheitern wir. KrompKolb:
Letzten Endes müssen sich nicht nur Gewohnheiten ändern, sondern es braucht die Veränderung von Systemen. Profit über alles, Optimierung für den Einzelnen, so wird es nicht funktionieren. Wir brauchen das Gegenteil von freier Marktwirtschaft, wo das Gemeinwohl einfach wichtiger ist.
Wollen Sie das Gegenteil der freien Marktwirtschaft, Herr Czernohorszky? Czernohorszky: Die Art und Weise, wie wir wirtschaften, und wie turbokapitalistisch die Welt organisiert ist, wird sich ändern müssen, sonst wird unser Planet nicht zu retten sein.
Ausgerechnet in der Brigittenau hat mit dem Xian eine Sake-Bar eröffnet, die auch chinesisches Streetfood bietet und sich als Kunstraum versteht.
Man muss nicht immer weit reisen, um andere Esskulturen zu erkunden. Das geht in Wien ganz gut. In jüngster Zeit ist dafür eine neue Adresse dazugekommen, die das Angebot noch vielfältiger macht und sich auf Sake spezialisiert hat. Sake ist zwar in den letzten Jahren auch hierzulande verstärkt aufgetaucht, meist aber doch als Nebenprodukt. Jetzt aber hat in der Brigittenau ein Lokal eröffnet, das sich auf den asiatischen Reiswein spezialisiert. Das Xian versteht sich als Sake-Bar, Teahouse und Artspace und ist in das einstige Gasthaus Mösslinger „Zum Tausender“eingezogen.
Es ist anzunehmen, dass das Xian die erste Sake-Bar der Stadt ist. Mir wäre sonst keine bekannt, und auch bei anderen dürfte sich die Sache mit dem Sake noch nicht ganz herumgesprochen haben. Vielleicht liegt es auch an der Lage, aber das Xian hinter dem Augarten ist zumindest unter der Woche nicht gerade gut besucht. Vielleicht war aber auch das schöne Wetter schuld. Es gibt zwar einen Schanigarten, der ist aber genauso minimalistisch wie das Lokal selbst. Sagen wir so, wer im Grünen sitzen will, ist hier nicht ganz richtig.
Wer sich aber an Sake herantasten will, ist genau richtig. Die Auswahl ist groß, und der freundliche Kellner hilft gern bei der Frage, mit welchem Sake man anfangen soll, wenn man nicht wirklich vertraut ist damit. Midori Junmai Ginjo (9,40 Euro für ein Achterl in der Karaffe) beschreibt er als mild und sanft und ideal für Einsteiger. Da hat er recht, der mundet durchaus. Der Ozeki Dry (4,80 Euro), sozusagen der Hauswein, ist da noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Aber die Auswahl ist groß, es ist einiges dabei. Dazu gibt es chinesisches Streetfood, wie die sehr zu empfehlenden chinesischen Teigtaschen Jiaozi (vegetarisch oder mit Schweinefleisch, 9,50 Euro) oder aber indische Samosa mit ErdäpfelErbsenfülle und Chili-Dip (5,50 Euro). Nur bei den chinesischen Creˆpes Jian Bing (8,50 Euro) fragt er zu Recht, ob sie nicht ein bisschen zu trocken waren. Waren sie, aber daran kann man arbeiten. Währenddessen machen wir uns mit dem Sake vertraut. Xian: Rauscherstraße 17, 1200 Wien, täglich 12–0 Uhr, 0650/330 80 94, xian-artcafe.business.site