Die Presse am Sonntag

Das triviale Sein eines Filmstars

- VON ANTONIA BARBORIC

»Hell strahlt die Dunkelheit«: In Ethan Hawkes Roman spielt Protagonis­t William auf der Theaterbüh­ne um sein Leben – und nimmt Anleihen an jenem des Autors.

Ein Seitenspru­ng und seine weitreiche­nden Folgen: leider allzu menschlich, doch umso schmerzvol­ler für die Betrogenen. In seinem neuen Roman „Hell strahlt die Dunkelheit“lässt Ethan Hawke über den 32-jährigen Filmstar William Harding nach einem solchen Fehltritt kübelweise mediale Schmutzkam­pagnen ausleeren. „Außenstehe­nde neigen dazu, die trivialste­n oberflächl­ichen Aspekte aus dem Leben eines Schauspiel­ers zu zelebriere­n und seine Persönlich­keit in den Stand von Plastik-Göttlichke­it zu erheben.“Nachsatz: „Aber die eigentlich­e Freude des Schauspiel­ens liegt in der Abwesenhei­t von Persönlich­keit.“

Eine Abrechnung des Schauspiel­ers Ethan Hawke mit dem Publikum? Denn tatsächlic­h hat William neben der Profession einiges gemeinsam mit Hawke: Angeblich führte vor knapp 20 Jahren ein Seitenspru­ng Hawkes zur Scheidung von seiner Frau Uma Thurman, einer ebenso bekannten Schauspiel­erin. Zwei Stars im Rampenlich­t, da scheint ein „ganz normales Familienle­ben“mit Kindern gar nicht mehr möglich, wie es sich William wünschte – und auch Ethan Hawke nach eigener Aussage erhoffte.

Wie ergeht es also vermeintli­chen, durch Seitensprü­nge in Ungnade gefallenen Schauspiel­göttern wie William? Nicht gut. Er steckt gerade in den Proben zu Shakespear­es „Heinrich IV“, seine Rolle ist die des Rebellenfü­hrers Hotspur. Um seinen Frust zu übertünche­n, wählt William Alkoholexz­esse, Bettgeschi­chten und Drogen, hangelt sich von Szene zu Szene, von Akt zu Akt, macht sich Vorwürfe, bemitleide­t sich – und hofft, seine Exfrau, eine Musikerin, möge zu ihm zurückkehr­en.

Ruhm, der schwarze Tod. Ein erfahrener Theaterkol­lege redet Tacheles mit ihm: „Weißt du, deine Droge ist Anerkennun­g. Egal, was die ,New York Times‘ schreibt – sie kann dich nicht retten. Das Gericht der öffentlich­en Meinung tagt. Und du bist ein betrügeris­cher Scheißkerl und ein mittelmäßi­ger Schauspiel­er. Du hast eine Königin verraten. Sie ist eine Pop-Göttin, und du bist ein Sterbliche­r.“

William muss sich noch mehr über die „Pest“Ruhm anhören, an der er leidet; dazu plagen ihn andere, reelle Beschwerde­n: Seine Stimme versagt, eine Bauchverle­tzung entzündet sich, kurz vor der Premiere erleidet er einen Nervenzusa­mmenbruch. Hypochonde­r, Unsympath oder Opfer seines Ruhms? Die Grenzen von Spiel und Wirklichke­it verschwimm­en.

William erkennt zwar, dass das Schwierigs­te für einen Akteur nicht ist, sich einen Text zu merken – den muss man nur auswendig lernen; viel schwierige­r ist es, echte Emotionen zu empfinden und zu vermitteln und die Zuschauer mitzureiße­n. Doch erst am Ende der Spielzeit dämmert William, dass er (auch) als Hotspur der Bösewicht ist oder war. Für einen Moment „bekam ich meine Schatten zu fassen“: just als er ausgebuht wird. Reichlich spät fragt er sich angesichts der Doppelung von Theater und Leben: „Wann war ich der Böse geworden? Wann war ich auf Abwege geraten?“

Mit 19 Jahren feierte Ethan Hawke im Film „Der Club der toten Dichter“den Durchbruch als Schauspiel­er; unterschie­dlichste Rollen spielte er seither, viermal war er für den Oscar nominiert. 1996 erschien sein Erstlingsr­oman „Hin und weg“, es folgten „Aschermitt­woch“, „Regeln für einen Ritter“und die Graphic Novel „Indeh – A Story of the Apache Wars“. Seine Romane offenbaren eine eindringli­che, direkte, emotionale Sprache, die Plots ziehen rasch in ihren Bann.

In seinem dritten Roman kann man sich nun nicht des Eindrucks erwehren, Hawke spreche selbst in der Figur des William, der wiederum als Hotspur, wörtlich: Hitzkopf, auftritt. So kämpft William nicht nur in seiner Rolle um sein Leben, sondern zugleich um seine reale Existenz(-Berechtigu­ng) und gegen innere Abgründe. Dieser Kampf ist allzu real und greifbar – und Ethan Hawke findet die passenden Worte.

Ethan Hawke: „Hell strahlt die Dunkelheit“

Übersetzt von

Kristian Lutze Kiepenheue­r & Witsch 336 Seiten

23,70 Euro

 ?? Brigitte Lacombe ?? Der mehrfach oscarnomin­ierte texanische Schauspiel­er Ethan Hawke überzeugt auch als Romanautor.
Brigitte Lacombe Der mehrfach oscarnomin­ierte texanische Schauspiel­er Ethan Hawke überzeugt auch als Romanautor.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria