Das triviale Sein eines Filmstars
»Hell strahlt die Dunkelheit«: In Ethan Hawkes Roman spielt Protagonist William auf der Theaterbühne um sein Leben – und nimmt Anleihen an jenem des Autors.
Ein Seitensprung und seine weitreichenden Folgen: leider allzu menschlich, doch umso schmerzvoller für die Betrogenen. In seinem neuen Roman „Hell strahlt die Dunkelheit“lässt Ethan Hawke über den 32-jährigen Filmstar William Harding nach einem solchen Fehltritt kübelweise mediale Schmutzkampagnen ausleeren. „Außenstehende neigen dazu, die trivialsten oberflächlichen Aspekte aus dem Leben eines Schauspielers zu zelebrieren und seine Persönlichkeit in den Stand von Plastik-Göttlichkeit zu erheben.“Nachsatz: „Aber die eigentliche Freude des Schauspielens liegt in der Abwesenheit von Persönlichkeit.“
Eine Abrechnung des Schauspielers Ethan Hawke mit dem Publikum? Denn tatsächlich hat William neben der Profession einiges gemeinsam mit Hawke: Angeblich führte vor knapp 20 Jahren ein Seitensprung Hawkes zur Scheidung von seiner Frau Uma Thurman, einer ebenso bekannten Schauspielerin. Zwei Stars im Rampenlicht, da scheint ein „ganz normales Familienleben“mit Kindern gar nicht mehr möglich, wie es sich William wünschte – und auch Ethan Hawke nach eigener Aussage erhoffte.
Wie ergeht es also vermeintlichen, durch Seitensprünge in Ungnade gefallenen Schauspielgöttern wie William? Nicht gut. Er steckt gerade in den Proben zu Shakespeares „Heinrich IV“, seine Rolle ist die des Rebellenführers Hotspur. Um seinen Frust zu übertünchen, wählt William Alkoholexzesse, Bettgeschichten und Drogen, hangelt sich von Szene zu Szene, von Akt zu Akt, macht sich Vorwürfe, bemitleidet sich – und hofft, seine Exfrau, eine Musikerin, möge zu ihm zurückkehren.
Ruhm, der schwarze Tod. Ein erfahrener Theaterkollege redet Tacheles mit ihm: „Weißt du, deine Droge ist Anerkennung. Egal, was die ,New York Times‘ schreibt – sie kann dich nicht retten. Das Gericht der öffentlichen Meinung tagt. Und du bist ein betrügerischer Scheißkerl und ein mittelmäßiger Schauspieler. Du hast eine Königin verraten. Sie ist eine Pop-Göttin, und du bist ein Sterblicher.“
William muss sich noch mehr über die „Pest“Ruhm anhören, an der er leidet; dazu plagen ihn andere, reelle Beschwerden: Seine Stimme versagt, eine Bauchverletzung entzündet sich, kurz vor der Premiere erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Hypochonder, Unsympath oder Opfer seines Ruhms? Die Grenzen von Spiel und Wirklichkeit verschwimmen.
William erkennt zwar, dass das Schwierigste für einen Akteur nicht ist, sich einen Text zu merken – den muss man nur auswendig lernen; viel schwieriger ist es, echte Emotionen zu empfinden und zu vermitteln und die Zuschauer mitzureißen. Doch erst am Ende der Spielzeit dämmert William, dass er (auch) als Hotspur der Bösewicht ist oder war. Für einen Moment „bekam ich meine Schatten zu fassen“: just als er ausgebuht wird. Reichlich spät fragt er sich angesichts der Doppelung von Theater und Leben: „Wann war ich der Böse geworden? Wann war ich auf Abwege geraten?“
Mit 19 Jahren feierte Ethan Hawke im Film „Der Club der toten Dichter“den Durchbruch als Schauspieler; unterschiedlichste Rollen spielte er seither, viermal war er für den Oscar nominiert. 1996 erschien sein Erstlingsroman „Hin und weg“, es folgten „Aschermittwoch“, „Regeln für einen Ritter“und die Graphic Novel „Indeh – A Story of the Apache Wars“. Seine Romane offenbaren eine eindringliche, direkte, emotionale Sprache, die Plots ziehen rasch in ihren Bann.
In seinem dritten Roman kann man sich nun nicht des Eindrucks erwehren, Hawke spreche selbst in der Figur des William, der wiederum als Hotspur, wörtlich: Hitzkopf, auftritt. So kämpft William nicht nur in seiner Rolle um sein Leben, sondern zugleich um seine reale Existenz(-Berechtigung) und gegen innere Abgründe. Dieser Kampf ist allzu real und greifbar – und Ethan Hawke findet die passenden Worte.
Ethan Hawke: „Hell strahlt die Dunkelheit“
Übersetzt von
Kristian Lutze Kiepenheuer & Witsch 336 Seiten
23,70 Euro