Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Unsere Werte. Die Idee der britischen Regierung, BBC & Co. „Britishness“vorzuschreiben, ist vielleicht doof, aber legitim. Die Angewohnheit, zu dergleichen „Nazi“zu sagen, ist es nicht.
Ein von mir geschätzter ehemaliger „Presse“-Kollege hat kürzlich einen Artikel gepostet, in dem es um den Willen der britischen Regierung geht, das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf ein Ausmaß von „Britishness“in ihren Produktionen zu verpflichten. Dazu hat der Ex-Kollege notiert: „Und Joseph Goebbels nickte anerkennend aus dem Grab?“Am Mittwoch hat das Medienministerium tatsächlich Gesetzesvorschläge angekündigt, „um zu bewahren, was am britischen Rundfunk speziell ist“. Es gehe nicht „um den Union Jack und ein Bild der Queen in jeder Szene“, sondern um Programme, „die unsere sind und nur unsere, die nur im Vereinigten Königreich so gemacht werden können“.
Als Beispiele wurden etwa Fleabag, Derry Girls, Blackadder, The Great British Bake Off und Line of Duty genannt. Immer mehr Produktionen würden aber wirken, „als seien sie von einem Algorithmus zur Maximierung globaler Zielgruppen angeleitet“. Dabei müsse öffentlich-rechtliches Fernsehen den „Menschen in jeder Ecke des Königreichs ermöglichen, sich selbst und ihre Lebensart auf den Bildschirmen widergespiegelt zu sehen“. Britische Markenqualität, Geist und Identität sollten vital bleiben – und „unsere Werte und unsere einzigartige Identität“und „die Dinge, auf die wir am meisten stolz sind“, in die Welt hinausgestrahlt werden.
Das Bedürfnis dahinter ist klar: In einer Zeit des Auseinanderfallens ein Wir-Gefühl zu reproduzieren, das zusammenhält. Aber ist das in einer auch so diversen Gesellschaft wie der britischen überhaupt möglich, wo die gemeinsamen Bezugsfelder dahinschmelzen wie der Schnee im Mai? Worauf sind eine genderfluide Aktivist:in, ein Textilunternehmer aus Pakistan und ein walisischer Bergarbeiter gemeinsam stolz? Auf James Bonds Unerschütterlichkeit? Auf Fleabags Offenherzigkeit? Und wessen Alltag widerspiegelt Jane Austen?
Rather clumsy. Aber gleich Goebbels? Als der 1933 die Rundfunkdirektoren aufforderte, „eine nationalistische Kunst und Kultur ans Licht der Welt zu bringen, die wirklich auch dem modernen Tempo und dem modernen Zeitempfinden entspricht“, ging es doch um die totale Gehirnwäsche und Umwertung im Sinn des diabolischen Satzes „Recht ist, was dem deutschen Volk nützt“.
Ich verstehe jedes Unbehagen über Regierungen als Champions „unserer“, am Ende dann doch vielleicht nicht so gemeinsamer Werte – aber es ist auch in einer liberalen Demokratie ein legitimes und diskutierbares Anliegen. Nicht legitim scheint mir die gängige Übung, das, was uns nicht behagt, aus dem Verfassungsbogen schieben zu wollen.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.