»Damals hatte ich richtig Angst«
Österreichs Zweite Nationaratspräsidentin, Doris Bures, spricht über ihre Covid-19-Erkrankung, die immer noch anhaltenden Spätfolgen und die Fortschritte, die sie Tag für Tag macht.
Sie sind im März dieses Jahres an Covid-19 erkrankt, hatten einen mittelschweren Verlauf inklusive Spitalsaufenthalt in Wien, entkamen knapp der Intensivstation und begaben sich nun für drei Wochen auf Reha. Warum genau?
Doris Bures: Meine Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie heimtückisch diese Krankheit sein kann und dass der Begriff der Genesung bei Covid-19 relativ zu sehen ist. Ich hatte Monate nach der akuten Erkrankung immer noch Probleme mit der Atmung und der Sauerstoff sättigung im Blut, litt an Erschöpfungszuständen und ständiger Müdigkeit. Die Ursache dafür ist eine eingeschränkte Lungenfunktion. Deswegen war die dreiwöchige Rehabilitation so wichtig – um Kraft und Energie zurückzugewinnen.
Leiden Sie per Definition am Post-CovidSyndrom, etwas unpräzise auch Long Covid genannt? Davon ist die Rede, wenn zwölf Wochen nach der akuten Erkrankung immer noch typische Symptome vorhanden sind. Ja, dieses Syndrom wurde bei mir diagnostiziert.
Die Erschöpfungszustände – hatten Sie die vor allem bei körperlicher Anstrengung oder auch im Ruhezustand?
Mein Krankheitsverlauf war zunächst klassisch mit einer beidseitigen Lungenentzündung, hohem Fieber, starken Glieder- und Kopfschmerzen. Irgendwann waren all diese Symptome beseitigt, und ich nahm meine Tätigkeit im Parlament wieder auf. Aber ich merkte bald, dass mir im Alltag die gewohnte Kraft fehlt, ich rasch müde werde, erschöpft bin und auch Konzentrationsschwierigkeiten habe. Relativ schnell hat sich da nn herausgestellt, dass die Ursache für diese Beschwerden ein zu geringes Lungenvolumen bzw. ein zu geringer Lungendruck ist.
Hatten Sie neben den Konzentrationsschwierigkeiten auch andere kognitive Einschränkungen, Vergesslichkeit oder Verwirrtheit zum Beispiel?
Das nicht. Auch die Konzentrationsschwierigkeiten kamen eher von der Ermüdung. Wenn man erschöpft ist, hat man auch Probleme mit der Konzentration. Dann habe ich mich kurz hingelegt, und es ging wieder . Was Sie meinen, gibt es natürlich auch, während der Reha habe ich gesehen, was diese Krankheit anrichten kann. Da gab es noch viel dramatischere Verläufe.
Wie sieht es mit der Psyche aus? Viele Betroffene berichten ja auch von traurigen Phasen ohne offensichtlichen Grund und von depressiven Verstimmungen.
Am stärksten war die psychische Belastung während der akuten Erkrankung. Damals hatte ich richtig Angst. Diese Krankheit war etwas Neues, das kannte ich nicht. Besonders groß war die Sorge und die Angst, als ich ins Krankenhaus kam. Ich wusste nicht, wie der Verlauf bei mir sein wird und ob ich auf die Intensivstation muss. Diese Phase habe ich nicht nur körperlich, sondern auch psychisch als extrem belastend empfunden. Nach der Entlassung wurde es besser, weil mir mein Internist – und zuvor auch das gesamte für mich zuständige Team der Klinik Favoriten – immer genau erklärt hat, warum ich welche Symptome habe und was ich tun kann, um sie zu überwinden. Spätestens seit der Reha weiß ich, dass es vorwärtsgehen wird und ich zu meiner alt en Form auflaufen kann. Daher habe ich auch keine traurigen oder depressiven Phasen.
Aus welchen Therapien und Übungen bestand denn Ihre Reha?
Sie war sehr sehr anstrengend. Hauptsächlich ging es um Atemtraining, damit die Lungenmuskulatur gestärkt wird. Ich absolvierte also eine Art Krafttraining für die Lunge, indem ich permanent gegen Widerstand ein- und ausgeatmet habe. Das mache ich immer noch jeden Tag mithilfe eines speziellen Geräts, das diesen Widerstand beim Atmen erzeugt.
Machen Sie große Fortschritte?
Ja, ich denke, dass ich mittlerweile bei etwa 80 Prozent meiner früheren Fitness bin. Die restlichen 20 werde ich auch noch schaffen, davon bin ich überzeugt. Dabei dachte ich nach der akuten Erkrankung, dass ich nie wieder Sport treiben kann wie früher .Ichlaufe gern, spiele Tennis und fahre Ski. Damit hatte ich tatsächlich abgeschlossen. Durch das Training unter ärztlicher Beobachtung während der Reha habe ich die Sicherheit zurückbekommen, dass ich all das wieder machen werde. Das wird zwar noch ein bisschen dauern, aber ich baue meine Kondition und meine Kraft durch tägliche Einheiten langsam wieder auf. Auf dem Laufband zum Beispiel. Ich spiele auch wieder Tennis. Aber eben noch nicht ganz in der Intensität wie früher.
Das Ziel ist also die vollständige Genesung vonLongCovid?
Ja.
Sind Sie mittlerweile auch geimpft? Natürlich, ich bekam eine Dosis des Impfstoffs von Biontech-Pfizer, gelte also als genesen und geimpft.
Haben Sie Ihren Antikörpertiter bestimmen lassen – aus Neugier?
Ja, nach der Erkrankung, der Titer war sehr hoch. Nach der Impfung habe ich keinen Test mehr gemacht.
Wie lautet Ihre Botschaft an Personen, die sich bisher nicht impfen ließen, obwohl sie das könnten? Beispielsweise mit der Begründung, keine Angst vor einer schweren Erkrankung zu haben.
Ich habe die Heimtücke dieser Krankheit wie gesagt am eigenen Leib erlebt. Als ich im März angesteckt wurde, war ich noch nicht an der Reihe, geimpft zu werden. Wie alle anderen habe ich darauf gewartet und hätte bei einem angebotenen Termin keine Sekunde gezögert. Mittlerweile haben wir ausreichend Impfstoffe, daher appelliere ich an alle, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die ich damals nicht hatte und die viele Menschen auf der Welt bis heute nicht haben. Nur mit der Impfung können wir verhindern, dass diese Krankheit unser Leben bestimmt. Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umgebung. Das ist keine Frage der Ideologie, sondern der Wissenschaft und Medizin. Seien Sie pragmatisch, und vertrauen Sie bei dieser Entscheidung Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
Ihre Erkrankung zeigt ja auch, dass ein gut funktionierendes Immunsystem und der Umstand, nicht einer Risikogruppe anzugehören, keinen verlässlichen Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf und vor Langzeitfolgen bieten.
Genau. Das sagen alle Ärzte, und ich weiß es jetzt auch aus persönlicher Erfahrung.
Sie meinten vorhin, Sie hätten große Angst gehabt und mit vielem schon abgeschlossen. Hat sich durch diese Erfahrungen Ihre Karriere- und Lebensplanung geändert? Nein, weil ich zuversichtlich bin, meine Kraft und Energie zu 100 Prozent zurückzuerlangen. Ich habe keine Zukunftsängste und werde meine Arbeit imParlament fortsetzen.