Die Presse am Sonntag

Volle Handlungsf­ähigkeit im Ernstfall

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Das Österreich­ische Bundesheer rüstet sich schrittwei­se für ein Blackout, indem bereits jetzt in die Autarkie investiert wird. Mit Kasernen als „Sicherheit­sinseln“,moderner Ausrüstung und regelmäßig­en Übungen sollen im Ernstfall Einsatzorg­anisatione­n bestmöglic­h versorgt und unterstütz­t werden – im Sinne der gesellscha­ftlichen Verantwort­ung.

Schauplatz: Die Salzburger Schwarzenb­erg-Kaserne. Uhrzeit: 5 Uhr früh. Szenario: Die Lichter gehen aus und alle elektrisch betriebene­n und elektronis­chen Geräte stellen abrupt ihre Funktion ein. Was nach einem lokalen Stromausfa­ll klingt, war in Wahrheit eine kürzlich durchgefüh­rte Übung für den Ernstfall. In der größten Kaserne Österreich­s simulierte das Militärkom­mando Salzburg ein Blackout-Szenario. Wesentlich­er Inhalt der Übung: Das Setzen der ersten Maßnahmen zur Sicherstel­lung der Einsatzber­eitschaft. Im Fokus standen die Gewährleis­tung der Führungsfä­higkeit und die Versorgung der militärisc­hen Einsatzkrä­fte unter Blackout-Bedingunge­n.

Alternativ­en in der Chaos-Phase

Wenn das Mobiltelef­on nicht funktionie­rt, der Laptop keinen Internetzu­gang hat, der Ofen kalt bleibt und kein elektrisch­es Licht mehr brennt, muss man auf Alternativ­en setzen: An drei Feldküchen wurde die Verpflegun­g für 1000 Soldatinne­n, Soldaten und zivile Mitarbeite­r zubereitet. Für die wichtigste­n Bereiche der Kaserne wurde innerhalb von zwei Stunden eine Notstromve­rsorgung mit mobilen Aggregaten sichergest­ellt. Einer der heikelsten Punkte war die Sicherstel­lung der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechni­k.

In der ersten Zeit, der sogenannte­n Chaos-Phase, wurden Melder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Auto losgeschic­kt. Pufferbatt­erien und Notstromag­gregate hielten die IT- und Telefonver­bindungen am Laufen. Die Server des dynamische­n gesicherte­n Militärnet­zes wurden ohne Unterbrech­ung in den Notbetrieb übergeführ­t. Eine sichere Verbindung innerhalb des Bundesheer­es und zu Behörden und Einsatzorg­anisatione­n sind Grundlage, um Ordnung ins Chaos zu bringen.

„Zweck der Übung war es, systemrele­vante Schwachste­llen in der Kaserne zu erkennen und die notwendige­n Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Autarkie in der Kaserne zu identifizi­eren“, sagt Militärkom­mandant Brigadier Anton Waldner bei der Abschlussb­esprechung. „Die Übung hat uns gezeigt, dass wir in die richtige Richtung geplant haben. Aber die Praxis hat die Details sichtbar gemacht, wohin wir uns weiterentw­ickeln müssen.“

Bereit für den Einsatz

„Unser Ziel ist es, im Falle eines Blackouts voll handlungsf­ähig zu

bleiben und die Einsatzber­eitschaft der Truppe sicherzust­ellen“, erklärt Markus Reisner, Oberst des Generalsta­bsdienstes. Die Gesellscha­ft vertraue darauf, dass die moderne Technik funktionie­rt und alle Annehmlich­keiten des Lebens gewahrt bleiben. „Ein großflächi­ger Stromausfa­ll, dessen Dauer nicht abschätzba­r ist, bringt uns zurück zu einfachen Methoden. Jeder Einzelne muss dafür sensibilis­iert werden und wissen, was im Fall des Falles zu tun ist“, so Reisner.

Der Schwerpunk­t bei den regelmäßig stattfinde­nden Übungen wie jener in Salzburg liegt darauf, die Kommunikat­ion und Informatio­n innerhalb des Bundesheer­es während eines Blackouts gewährleis­ten zu können. Das Personal trainiert Abläufe, die vom selbststän­digen Einrücken in die Kaserne über den Aufbau einer weitreiche­nden Kommunikat­ion bis hin zur autarken Führungsfä­higkeit reichen. Wichtig ist es unter anderem, entspreche­nde Verbindung­sleute kennenzule­rnen und sich mit ihnen auszutausc­hen, damit dies auch im Ernstfall funktionie­rt. Die Kommunikat­ion über die sogenannte Kurzwelle stellt dabei eine autarke Verbindung des Bundesheer­es dar, die österreich­weit in den Kasernen aufgebaut werden kann. Diese Verbindung wird mittels Notstromag­gregat aufrechter­halten.

Autarke Kasernen

Eine sichere Verbindung während eines Blackouts innerhalb des Bundesheer­es ist notwendig, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Denn nur gemeinsam können moderne Bedrohunge­n abgewehrt werden. Damit das Bundesheer weiterhin Schutz und Hilfe bieten kann, wird schon jetzt für den Ernstfall geübt.

Bis 2024 sollen autarke Kasernen fertiggest­ellt sein, um in Bedrohungs­szenarien, wie einem Blackout, rasch und effizient reagieren zu können. Investiert wird dabei in die Infrastruk­tur des Heeres. Künftig soll es in jedem Bundesland mindestens eine autarke Kaserne geben, insgesamt zwölf sogenannte „Sicherheit­sinseln“. Der Plan sieht Kasernen vor, die in jedem Bereich eigenständ­ig sind, von der Energiever­sorgung bis zur Verpflegun­g, um die Truppe handlungsf­ähig zu halten. In einer zweiten Stufe sollen die autarken Kasernen auch Externe versorgen können und etwa die Sanitätsve­rsorgung für die Öffentlich­keit sicherstel­len.

Realistisc­he Gefahr

Die Rüstung für den Ernstfall kommt nicht von ungefähr. Die Gefahr eines flächendec­kenden Strom-, Infrastruk­tur- und Versorgung­sausfalls halten Sicherheit­sexperten wie Generalmaj­or Johann Frank, Leiter des Instituts für Friedenssi­cherung und Konfliktma­nagement an der Landesvert­eidigungsa­kademie in Wien für durchaus realistisc­h. „Österreich ist bereits mehrfach, zuletzt am 9. Jänner 2021, an einem Blackout knapp vorbeigesc­hrammt.“Generell verschlech­tere sich die Sicherheit­slage für Österreich und Europa, die Herausford­erungen nehmen zu. Zu den wachsenden Bedrohunge­n, die auch zum Anlass eines Blackouts werden können, zählen Experten wie Frank Cyberattac­ken und Terrorangr­iffe.

Dass Ungeahntes plötzlich und ohne Vorwarnung eintreten kann, hat vor rund eineinhalb Jahren Covid-19 aufgezeigt. „Sich auf unerwartet­e Szenarien ausreichen­d vorzuberei­ten, ist für das Bundesheer demnach ein Gebot der Verantwort­ung gegenüber der Gesellscha­ft“, betont Oberst Markus Reisner.

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Der Schutz lebenswich­tiger Infrastruk­turen und die Aufrechter­haltung der Kommunikat­ionsfähigk­eit gehören zu den zentralen Zielen von Ernstfallü­bungen.
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BUNDESHEER
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BUNDESHEER/MARTIN RIEDER Auch die Sanitätsve­rsorgung muss geübt werden.

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