Auf der Flucht vor der Schuld
Prometheus hat etwas getan. Nun kämpft er mit sich selbst und seinen Gefühlen: Jasmin Schreibers Roman über Tod, Freundschaft und Vergebung.
Kopflos. So beginnt die Flucht von Prometheus (richtiger Name Marvin). Im Auto mit voller Geschwindigkeit einfach weg. Bis er an einem Strand in Dänemark aufwacht – der Plan, all seinem Leiden im Meer ein Ende zu machen, hat nicht funktioniert. Sein Auto sitzt im Sand fest. All die Verzweiflung, all der Schmerz, den er in sich trägt, drohen ihn zu zerreißen.
Er hat etwas getan, hat Schuld auf sich geladen. Und nun kämpft er mit sich selbst. Wer Jasmin Schreibers Arbeit kennt, weiß, dass der Tod darin eine große Rolle spielt. Das ist auch diesmal so. Wenn die Autorin ihn hier auch nur als Grundlage für ein anderes Thema nimmt. „Der Mauersegler“dreht sich um Schuld, die Prometheus zu zerreißen droht. Aber auch um Freundschaft, denn es ist Jakob, sein bester Freund, dessen Sterben diesen inneren Konflikt im Protagonisten erst entzündet.
Zwei eigentümliche Frauen, die ihn vom Strand auflesen und auf ihren Pferdehof bringen, versuchen ihm wieder Boden unter den
Füßen zu geben. Viele Fragen stellen sie nicht – sie haben ihre eigenen Geheimnisse. Doch sie geben ihm Gelegenheit, um nachzudenken. Es gibt viele Tränen. Viele emotionale Ausbrüche. Und auch viel Hoffnungslosigkeit.
Erst nach und nach schält sich heraus, was Prometheus getan hat. Und warum es so schwierig für ihn ist, auf Vergebung zu hoffen. Als Leser leidet man mit, begleitet von Schreibers souveräner – und trotz der tristen Ausgangssituation auch immer humorvoller – Sprache. Und ja, das Mitleiden zahlt sich aus.
Jasmin Schreiber: „Der Mauersegler“, Eichborn, 238 S., 22,70 Euro