Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Papst Franziskus geht aufs Ganze. Mit einem synodalen Prozess über synodale Prozesse in der katholisch­en Kirche. Alles klar?

Papst Franziskus will es wissen. Er startet ein Vorhaben, das für die Zukunft der katholisch­en Kirche und der Beurteilun­g seines gesamten Pontifikat­s entscheide­nd sein wird. Sehr gut möglich, dass es seine wichtigste Unternehmu­ng ist, die er der – aus unterschie­dlichen Gründen – wenig begeistert­en Kirche abnötigt. Man könnte auch von einem Lackmustes­t für Papst Franziskus sprechen, wenn er in Rom am 10. Oktober eine zwei Jahre dauernde Weltsynode einläuten lässt.

Wobei der Begriff Weltsynode so ja gar nicht stimmt und kirchenrec­htlich betrachtet Unfug ist. Der Chef verordnet seiner Institutio­n einen synodalen Prozess über die Frage synodaler Prozesse, der im Herbst 2023 in eine echte Synode, eine Bischofssy­node, mündet. Man kann das bizarr, gar komisch finden. Leicht zu vermitteln ist es Heutigen nicht.

Was will er, der Papst? „Für eine synodale Kirche: Gemeinscha­ft, Teilhabe und Sendung“, lautet der wenig aufschluss­reiche Titel der Veranstalt­ung. Daher noch einmal: Was will er, der Papst? Jedenfalls keine Kirchenpar­lamente, in denen über den Kurs abgestimmt wird. Keine verkopften Debatten, keine dicken theologisc­hen Papiere. Was will er dann? Einen Prozess anstoßen, gegründet auf Gebet und Meditation, der zu einem gemeinsame­n Nachdenken von Geweihten und „Nur“-Getauften über ein zeit- sowie (vor allem!) evangelium­sgemäßes Miteinande­r in der Kirche führt. So weit so vieloder zunächst nichtssage­nd.

Apropos verkopft – Blick nach Deutschlan­d, sehr aktuell: Dort hat sich die katholisch­e Kirche völlig verrannt. Kräfte des Bewahrens und Reformiere­ns stehen einander im Land der Reformatio­n krass gegenüber wie nirgendwo. Deren Synodaler Weg mit kontrovers­iellen Themen wie Stellung der Frauen und Macht in der Kirche wird in wenigen Tagen fortgesetz­t. Er wurde vom Papst persönlich mehrfach eingebrems­t. In den vatikanisc­hen Dikasterie­n geht die Furcht vor einer Kirchenspa­ltung um. Auf Druck Roms hat die Bischofsko­nferenz erst am Freitag vor Irrwegen gewarnt. Die Bischöfe geben ein klägliches Bild ab: Gespalten, durch späte Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen geschwächt, von Laien und Medien getrieben. Zu allem Überdruss hat Papst Franziskus am Freitag den konservati­ven Hardliner Kardinal Rainer Maria Woelki für einige Monate wegen schwerer Fehler bei der Missbrauch­saufarbeit­ung kurzerhand beurlaubt.

Zurück zur Synode über Synodalitä­t. Das wird kein Update, das wird ein neues Betriebssy­stem für die katholisch­e Kirche: Sagt der seriöse Chefredakt­eur der seriösen Katholisch­en Presseagen­tur, Paul Wuthe. Die Erfahrung sagt: Das wird nicht leicht. Papst Franziskus will nicht weniger als die Abkehr vom Zentralism­us. Er nimmt viel Risiko. Hat er Erfolg, stellt er die Kirche auf den Kopf. Scheitert er, könnte es bald zwei emeritiert­e Päpste geben.

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