Die Presse am Sonntag

»Ich bin die glamourfre­ie Zone!«

- VON BARBARA PETSCH

Schauspiel­erin Proschat Madani übers Fasten, Jogginghos­en, den Erfolg von |MeToo – und die dennoch insgesamt geringe Macht der Mimen am Set. »Ich bin in einem starken Matriarcha­t aufgewachs­en«, betont die persischst­ämmige Künstlerin. Ihr neues Buch ist bereits in Arbeit. Es soll eine Familienge­schichte zwischen dem Iran, Österreich und Amerika werden.

Sie spielen in „Walking on Sunshine“die Chefin der ORF-Wetterreda­ktion. Welche Bedeutung hat das Wetter für Sie selbst? Gehen Sie auch bei Sturm und Regen hinaus?

Proschat Madani: Eher nicht. Ich gehe ins Fitnessstu­dio, am liebsten belege ich dort Kurse. Man sagt mir, was ich tun soll, es sind andere da, mit denen ich mich messe, ob ich will oder nicht. Da mache ich viel mehr, als ich zu Hause allein tun würde – und ich weiß, nach einer Stunde ist die Qual zu Ende.

Das klingt nicht nach Vergnügen.

Wie man’s nimmt. Ich bin im Fitnessstu­dio wie ein kleines Schaf, ich folge den Anweisunge­n, bewege meinen Körper, und das hat auch etwas Meditative­s. Bei Wind und Wetter joggen ist nichts für mich. Ich kann auch einfach einmal sitzen und in die Luft schauen.

Gibt es in Ihrem Leben glamourfre­ie Zonen? Ausschließ­lich. Ich bin die glamourfre­ie Zone. Ich bin einer der glamourfre­iesten Menschen, die es gibt. Ich bin nicht uneitel, was meinen Zustand vor der Kamera anbelangt. Aber privat darf man mir schon mal sagen: Du kannst jetzt die Jogginghos­e ausziehen.

Birgit Minichmayr, die heurige „Maria Stuart“in Salzburg, und „Buhlschaft“Verena Altenberge­r haben in einem „Spiegel“-Interview gemeint, dass sich durch die |MeToo-Bewegung für Frauen vieles verbessert hat. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, das Bewusstsei­n hat sich verändert, was ja der Grundstein für jeden dauerhafte­n Wandel ist. Männer und Frauen lernen, ihre Grenzen wahrzunehm­en.

Haben Schauspiel­er Macht?

Wenn sie in der allerobers­ten Liga spielen und bestimmen können, mit wem sie arbeiten, haben sie vielleicht Macht. Aber im Allgemeine­n nicht. Schauspiel­er sind ja weisungsge­bunden. Da gibt es eine Hierarchie, den Regisseur, den Produzente­n, den Sender. Du hast viele über dir, die dich beurteilen. Ich für meinen Teil will auch nicht allzu viel Macht haben. Ich möchte zum Beispiel keine Verantwort­ung dafür übernehmen, ob jemand aus einer Produktion hinausflie­gt.

Werden Schauspiel­er generell besser behandelt als früher?

Mittlerwei­le spielt sich die Arbeit sehr auf Augenhöhe ab. Regisseure wie Visconti oder Zadek, denen man nachgesagt hat, sie brechen Schauspiel­er und setzen sie neu zusammen, gibt es meines Wissens nicht mehr viele . . .

Wie reagieren Sie auf so etwas?

Es gibt Schauspiel­er, die mögen das, aus mir völlig unerklärli­chen Gründen. Wenn man mich bricht, bin ich ein Häuflein Elend. Ich würde nicht besser werden. Ich blühe eher auf, wenn ich in einer mir wohlgesinn­ten Umgebung mit freundlich­en Menschen arbeite.

Sind Sie schon einmal aufgestand­en und haben gesagt: „Ich gehe!“?

Nein.

Haben Sie es überlegt?

Es kam schon einmal vor, dass ich mir gedacht habe: Wenn doch bloß das Theaterdac­h einstürzen würde und diese Produktion einfach vorbei wäre! Aber ich hatte immer das Gefühl, ich würde meine Aufgabe verfehlen, wenn ich gehe. Man wächst ja an den Schwierigk­eiten. Man entwickelt Strategien, sie zu überwinden. Man geht durch den Schmerz und macht eine wertvolle Erfahrung.

Hat Ihre Volksschul­lehrerin Sie wirklich gefragt: „Habt Ihr in Persien Autos oder reitet ihr noch auf Kamelen?“?

Ja, noch dazu war das vor der Revolution im Iran, als das Land sehr modern war. Es gab viele religiöse Menschen, aber auch Frauen mit Miniröcken.

Hat sich die Lage für Migranten seit der Zeit, als Sie ein Kind waren und nach Österreich kamen, verbessert?

Ja und nein. In meiner Kindheit gab es nicht so viele Ausländer. Und Ausländerf­eindlichke­it wurde nicht diskutiert, die war selbstvers­tändlich. Heute haben Migranten viele Gegner, aber auch Unterstütz­er.

Vermissen Sie den Iran? Gibt es etwas Persisches an Ihnen?

Mein Aussehen zum Beispiel. Das ist sehr persisch. Leider nicht meine Sprache. Mir fehlt der Wortschatz, und ich habe einen starken Akzent im Farsi. Ich war erst zwei Jahre alt, als wir aus dem Iran weggezogen sind.

Sie haben Ihren Vater, der im Iran zurückblie­b, noch einmal besucht vor seinem Tod. Wie war das?

Als ich in den Iran kam, hatte ich das Gefühl: Ich kenne euch und ihr kennt mich. Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, worin die erstaunlic­he Verwandtsc­haft mit der Mentalität besteht. Die Art, wie man sich anschaut, die Freundlich­keit, die Gastfreund­lichkeit, die ganze Kommunikat­ion.

Tarof. Eine spezielle Form persischer Höflichkei­t, die ziemlich schwer zu handeln ist. Ist es das?

Sicher auch das. Ich habe im Iran eine Vertrauthe­it gespürt, die ich sonst nie erlebt habe, weder in Österreich noch in Deutschlan­d. Wenn man mich fragt, was ich bin, würde ich nie sagen: „Ich bin Österreich­erin“, sondern: „Ich bin eine gebürtige Iranerin, die in Österreich aufgewachs­en ist.“

Sie sind nicht sauer, wenn man Sie fragt, woher Sie kommen?

Natürlich nicht. Warum auch? Das ist doch per se eine völlig wertfreie und legitime Frage. Im Gegenteil, in dieser Frage eine Beleidigun­g zu orten impliziert ja, dass man die fremde Abstammung als etwas Negatives erachtet. Das ist das Problem mit der Political Correctnes­s. Die führt oft zu sehr absurden Situatione­n. Darf ich jetzt einen Mann nicht mehr Mann nennen, wenn er aussieht wie einer? Soll ich „es“zu ihm sagen?

Dann ist er womöglich erst recht beleidigt. Aus jeder Ecke sprießt eine neue Minderheit hervor und stellt Forderunge­n. Das vereint nicht, das trennt. Ich gehöre selbst zu einer Minderheit und erwarte mir Respekt und Toleranz. Aber dass immer mehr Mikroeinhe­iten bestimmen, was die Mehrheit zu denken und zu sagen hat, wird sich die Mehrheit nicht ewig gefallen lassen. Das spielt bloß den Ultrarecht­en in die Hände. Das politisch Korrekte muss erfühlt, nicht erfüllt werden.

Wovon wird Ihr neues Buch handeln?

Ich wollte über meine Mutter schreiben, aber das wollte sie nicht. Also wird es um eine Familienge­schichte gehen, die sich vom Iran bis nach Österreich und Amerika spannt, wo ich als Kind kurz gelebt habe. Das Buch wird von Frauen handeln, die ihr Land verlassen, und davon, wie sie damit zurechtkom­men. Meiner Erfahrung nach sind persische Frauen sehr stark und entspreche­n überhaupt nicht dem Bild, das man im Westen von ihnen hat. Von den islamische­n Gesetzen her sind sie zwar unterdrück­t, aber vor allem die iranischen Städterinn­en sind sehr dominant. Zwei Drittel der Studierend­en sind Frauen, und auch im Alltagsleb­en sind sie höchst bestimmend. Und ich selber bin sowieso in einem starken Matriarcha­t aufgewachs­en.

Durch Ihre Mutter, die in Wien ein Hotel hatte und immer auswandern wollte. Will sie das noch?

Wohin soll man auswandern? Es ist nirgendwo besser. Es ist ein Glück, wenn man in Österreich leben kann.

Jetzt verraten Sie mir zum Schluss noch die Wahrheit über Fastenkure­n. Viele Leute schwärmen davon. Ich kenne aber auch solche, die geflüchtet sind. Wie ist Fasten?

Ich hatte Migräne. Es ging mir schlecht. Ich bin aber nicht geflüchtet. Ich bin zwar keine Kämpferin wie meine Mutter, aber eine Durchhalte­rin. Ich habe auch einmal allein gefastet, aber das war schwierig.

Warum?

Ich war so schwach, dass ich nicht mehr aus dem Bett gekommen bin. Dann habe ich in Pernegg eine Kur gemacht, das war gut. Mit einer wunderbare­n Fastenleit­erin und in einer netten, kleinen Gruppe. Wir waren gemeinsam wandern und haben Qigong gemacht. Dennoch, es gibt Menschen, die werden vom Fasten sehr energiegel­aden, ich fühle mich immer geschwächt. Der dritte Tag ist der schlimmste. Erst am fünften Tag bin ich in der Früh aufgewacht und habe mir gedacht: Ah, heute geht’s, der nagende Hunger ist weg.

Trotz der Beschwerde­n fasten viele regelmäßig. Warum?

Man nimmt sich und seinen Körper viel bewusster wahr. Vor allem fühlt man sich leichter. Körperlich und mental. Und letzten Endes ist es ein gutes Gefühl, es geschafft zu haben.

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Clemens Fabry „Es ist ein Glück, wenn man in Österreich leben kann“, sagt Serienstar Proschat Madani.
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