DIE SANFTE DOMINA EUROPAS

Sie war das Feinbild Nummer eins, erst in Griechenland, dann in Italien. Dort galt sie als Domina im Völkerkerker Eurozone, die den armen Südländern preußische Finanzdisziplin aufzwingt und sie so ins Verderben treibt. Silvio Berlusconi beschimpfte sie in einem abgehörten Telefonat auf vulgärste Weise – der Umfang ihres Gesäßes lade nicht zu sexuellen Handlungen ein, geiferte der Macho sinngemäß. Und wie reagierte die Gedemütigte? Bei einer Pressekonferenz auf einem der zahllosen EU-Krisengipfel fing sie bei einer Frage, die Berlusconi betraf, erst verlegen, dann breit zu lächeln an – und legte einen erstaunlich kecken Hüftschwung hin.

Hochform. In der Eurokrise lief Angela Merkel zur Hochform auf. Mochten die Alphamännchen von Athen bis Paris, im Chor mit der angelsächsischen Wirtschaftspresse, noch so laut über ihr Spardiktat schimpfen, mochten liberale Wutprofessoren sie zu Hause dafür geißeln, dass sie schon viel zu viel Geld an die maßlosen Griechen verschenkt habe – die Kanzlerin blieb gelassen, zog ruhig die Fäden, setzte bedächtig Schritt für Schritt und wiederholte geduldig ihr fades Mantra, dass Solidarität an Strukturreformen geknüpft sei. Solchermaßen sediert, mussten irgendwann alle eingestehen, dass sie die uneingeschränkte Herrscherin Europas war.

Die Wahl 2013 schlug sie souverän. Die Deutschen hatten das Unbeholfene, Biedere, die eigene Kraft Kaschierende an ihrer Regierungschefin schätzen gelernt. Aus den Niederungen der Innenpolitik hielt sie sich heraus, als ginge sie das alles nichts an. Eine ständig streitende schwarz-gelbe Koalition, eine holprige Energiewende, das peinliche Debakel mit ihrem Wunschpräsidenten Wulff: All das konnte der zur Euroretterin stilisierten Merkel nichts mehr anhaben.

Der Korrespondent stand staunend vor dem unauffälligen Haus in Berlin-Mitte, in dem sie in einer der Wohnungen lebte. So bescheiden! Und so schlecht bewacht, dass einmal sogar erfolgreich eingebrochen wurde. Was soll’s, das Haus Europa war halbwegs saniert, und die Deutschen konnten wieder ruhig schlafen. Bis zum nächsten Krawall.