DIE FLÜCHTLINGSKANZLERIN
Es waren drei Worte, die in die Geschichte eingehen sollten: „Wir schaffen das“, hatte Angela Merkel im August 2015 gesagt. Es war jene Zeit, in der die Bundesrepublik mit der Ankunft von 800.000 Flüchtlingen – noch im selben Jahr – rechnete. Der Krieg in Syrien hatte eine Bewegung über die Balkanroute nach Ungarn und Österreich losgetreten, die auch vor der bayerischen Grenze nicht haltmachte. Die Kanzlerin sah es als humanitären Akt an, den Menschen die Einreise zu ermöglichen. Statt auf „deutsche Gründlichkeit“zu beharren, appellierte Merkel nun an die „deutsche Flexibilität“.
„Dunkeldeutschland“. So beherzt man den Flüchtlingen zunächst auch entgegengetreten war, sie spalteten schnell – nicht nur die Politik, auch die Gesellschaft. Und sie sprengten das deutsche Asylsystem. Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Land nahmen rapide zu, die rechtsradikale Szene erstarkte, und die islamfeindliche Pegida-Bewegung ging wieder auf die Straße. Im sächsischen Heidenau wurde der Besuch der Kanzlerin nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen mit Buhrufen quittiert. Es lag ein Schatten über Deutschland, das plötzlich „Dunkeldeutschland“(Joachim Gauck) hieß.
Aus der bayerischen Schwesterpartei, der CSU, kamen immer mehr Querschüsse gegen die Kanzlerin. Man war nicht mehr bereit, ihr Credo, „keine Obergrenze für Flüchtlinge“, mitzutragen. Und so schlitterte die Union von der Flüchtlingskrise in ihre eigene. „Die Welt sieht Deutschland als Hoffnung und Chance, das war nicht immer so“, sagte Merkel, weil sie in einer schweren Stunde für Europa nicht tatenlos zusehen wollte.
Sie sagte auch: „Wenn wir jetzt anfangen müssen, uns dafür zu entschuldigen, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“Doch mit dieser Art der Politik, die mit Kontrollverlust einherging, stellte sie sich – nicht nur in der Bundesrepublik – zunehmend ins Eck. Ihre emotionalen Regungen halfen da nicht.
Als größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung bezeichnete Merkel die Aufgabe, so vielen Menschen Schutz zu gewähren. Ihr zehntes Jubiläumsjahr als Kanzlerin hatte sie sich wohl anders vorgestellt.