Das plötzliche Ende von Kurz und Kogler
Noch vor einer Woche, gegen fünf Uhr früh am Sonntagmorgen, prosten sie einander zu. Sebastian Kurz und Werner Kogler haben sich gerade auf die letzten Details geeinigt. Dieses Mal ist es die ökosoziale Steuerreform, die sie gemeinsam paktiert haben. Aber auch sonst sind es die beiden, die die heikelsten Verhandlungen führen. Nicht nur, weil das Duo gemeinsam die Regierungsspitze bildet. Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP und Werner Kogler von den Grünen haben eine erstaunlich gute Gesprächsbasis.
Wobei man nun ins Präteritum wechseln muss: Sie hatten eine gute
Gesprächsbasis. Am Samstag war man sich nicht einmal sicher, ob und wann das nächste persönliche Treffen stattfindet. Telefonisch sei man zwar in Kontakt, hieß es. Es sollen unterkühlte Gespräche gewesen sein. Kogler lud Kurz in einer Aussendung zu einem Sonderministerrat am Dienstag ein. Dort könnte man den Fahrplan für das künftige Budget absegnen. Und danach im Parlament beschließen.
Die Türkisen reagierten zuerst gar nicht, dann ablehnend: Der Ministerrat und die Nationalratssitzung für den Budgetbeschluss seien planmäßig für Mittwoch vorgesehen. „Ob dieser Fahrplan so hält, hängt von den Grünen ab und ob sie in der Sondersitzung am Dienstag staatspolitische Verantwortung übernehmen“, hieß es aus dem Finanzministerium. Öffentlich wollte keiner der zwei Parteichefs am Samstag auftreten. Sie loteten im Hintergrund ihre Chancen aus.
Das Vertrauen ist ganz offensichtlich zerstört. Auf beiden Seiten. Seit Mittwoch distanzieren sich Kurz und Kogler immer weiter voneinander. Ihre Standpunkte sind so weit voneinander entfernt, dass sie gesichtswahrend nicht zusammenfinden können. Beide wollen zwar weiterhin regieren. Aber die einen, die Grünen, nur ohne einen Bundeskanzler Kurz. Und die anderen, die ÖVP, nur mit ihm. Spätestens bis Dienstag müsste sich eine von beiden Seiten bewegen: Dann findet eben im Nationalrat eine Sondersitzung statt. Die Opposition will Kurz das Misstrauen aussprechen – sollte er zu diesem Zeitpunkt noch Kanzler sein. Die Grünen werden es vermutlich auch tun.
ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher twitterte am Sonntag – etwas kryptisch – einen Wikipedia-Artikel zum „Feiglingspiel“. Das ist eine Art Mutprobe. Zwei Autos fahren aufeinander zu. Wer zuerst ausweicht, hat verloren. Wenn keiner ausweicht, sterben beide. Bewegen sich alle ein bisschen, geht es für jeden gut aus.
Ein Sinnbild für das, was passieren könnte? Selbst wenn – wie wie würde diese Bewegung aussehen? Eine mögliche Option wäre, dass Kurz einen Schritt zur Seite macht. Den Kanzlerstuhl jemand anderem überlässt, mit dem Kogler koalieren könnte. Den Chefsessel in der ÖVP würde Kurz weiterhin besetzen. Nach außen hin könnte er kommunizieren, sich auf seine Vaterschaft und die Strafermittlungen zu konzentrieren. Im Hintergrund könnte er weiterhin die Fäden ziehen.
Der Ersatz? In der ÖVP wird diese Variante durchgedacht, aber sie hat Haken. Einer: Lichtgestalt gibt es hinter Kurz in der ÖVP keine. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler werden zwar als Ersatzkandidaten genannt. Aber beide haben signalisiert, nur wenig
Lust darauf zu haben.