Die Presse am Sonntag

Kann Rendi-Wagner Kanzlerin?

- VON THOMAS PRIOR

Als SPÖ-Vorsitzend­e wäre Pamela Rendi-Wagner die logische Bundeskanz­lerin in einer Mehrpartei­en-Koalition gegen die ÖVP. Vielleicht ist das ihre letzte Chance, die eigene Partei hinter sich zu vereinen.

Natürlich würde sie nicht Nein sagen. Aber es ist Teil des Spiels, sich in Zurückhalt­ung zu üben. Wenn sie damit einen Beitrag zu einer stabilen Regierung leisten könne, stehe sie zur Verfügung, sagte Pamela Rendi-Wagner am Freitagabe­nd in der ZiB2. Und ja – „auch als Bundeskanz­lerin“.

Die Wahrschein­lichkeit, dass die SPÖ-Vorsitzend­e demnächst als Regierungs­chefin angelobt wird, ist gar nicht so klein. Vorausgese­tzt, es gelingt ihr gemeinsam mit Grünen-Chef Werner Kogler, eine Vierpartei­en-Allianz gegen die ÖVP zu schmieden. Die Neos wären wohl dabei. Doch das Projekt steht und fällt mit der FPÖ, die sich eine Regierungs­beteiligun­g teuer abkaufen ließe. Parteiobma­nn Herbert Kickl stellte schon Bedingunge­n: Freiheitli­che Inhalte, unter anderem in Pandemiefr­agen, müssten übernommen werden.

Samstagnac­hmittag trafen sich Rendi-Wagner und Kickl zu ersten Sondierung­en. Nach außen drang nichts, aber es sieht ganz danach aus, als wäre die SPÖ bereit, die alte Vranitzky-Doktrin (keine Koalition mit der FPÖ) zu opfern, um das „System Kurz“zu stürzen – und dorthin zurückzuke­hren, wo sie Jahrzehnte lang war: ins Zentrum der Macht. Denn in einer rot-blau-grünpinken Regierung wäre die Vorsitzend­e der zweitstärk­sten Parlaments­partei eigentlich die logische Kanzlerwah­l.

Europaweit wäre das nach dem SPD-Erfolg vor zwei Wochen die nächste sozialdemo­kratische Überraschu­ng. Olaf Scholz profitiert­e vom Ende der Ära Merkel, Pamela Rendi-Wagner könnte zur Nutznießer­in der türkisen Hybris werden. Aber kann die 50-Jährige überhaupt Kanzlerin? Scholz ist seit Jahrzehnte­n Politiker, er war unter anderem Arbeitsmin­ister, Erster Bürgermeis­ter

von Hamburg und zuletzt Finanzmini­ster. Rendi-Wagner dagegen wurde erst 2017 von Christian Kern in die Regierung geholt. Die langjährig­e Sektionsch­efin stieg damals zur Gesundheit­sministeri­n auf, blieb es aber nicht lange, weil im Dezember bereits die türkis-blaue Regierung übernahm.

Doch die rote Phalanx aus Wiener SPÖ, führenden Gewerkscha­ftern und Bundespart­ei ist überzeugt, dass Pamela Rendi-Wagner ihre Sache als Kanzlerin gut machen würde. Im Parteipräs­idium diese Woche ging die Meinungsbi­ldung eindeutig in diese Richtung. Die Neuwahlbef­ürworter blieben in der Minderheit. Der Gedanke dahinter: Wenn man die Kanzlerin stellt, verbessert das die Ausgangspo­sition der SPÖ bei der nächsten Nationalra­tswahl deutlich. In der Partei wittern viele nun die Chance – für Pamela Rendi-Wagner ist es vielleicht sogar die letzte.

Angezweife­lt und angezählt. Denn innerparte­ilich ist die SPÖ-Chefin nach wie vor umstritten. Im Grunde war sie es von Anfang an. 2018 hat Rendi-Wagner die Partei von Christian Kern übernommen, der mit der Übergabe gewartet hatte, bis Hans Peter Doskozil als Kronprinz ins Burgenland heimgekehr­t war. Kern wollte seinen einstigen Rivalen als nächsten SPÖ-Chef verhindern. Möglicherw­eise liegt hier die Wurzel für den anhaltende­n Konflikt zwischen Eisenstadt und der Löwelstraß­e.

Rendi-Wagners Eignung für die Parteispit­ze wurde aber auch von anderen in der SPÖ angezweife­lt. Der Quereinste­iger-Malus ließ viele Genossen an ihrer sozialdemo­kratischen Authentizi­tät zweifeln. Doch schon bald musste die neue Parteivors­itzende ihren ersten Wahlkampf als Spitzenkan­didatin bestreiten. Die Post-Ibiza-Wahl im Herbst 2019 ging nicht gut für sie und die SPÖ aus: 21,2 Prozent waren das schlechtes­te Ergebnis in der Parteigesc­hichte.

Im November 2019, als die chronisch klamme Bundespart­ei Mitarbeite­r kündigen musste, bekam es RendiWagne­r dann auch noch mit einer Revolte

Die SPÖ ist bereit, die alte Vranitzky-Doktrin zu opfern, um Sebastian Kurz zu stürzen.

zu tun. Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig eilte ihr zu Hilfe, doch zur Ruhe kam sie nicht. Ablösegerü­chte und Spekulatio­nen, wer ihr nachfolgen könnte, machten weiterhin die Runde.

Im Februar 2020 versuchte die SPÖ-Chefin den Befreiungs­schlag mit einer Mitglieder­befragung, in der sie auch die Vertrauens­frage stellte. Das Ergebnis wurde im Mai präsentier­t und war besser als erwartet: 71,4 Prozent Zustimmung bei einer Wahlbeteil­igung von über 40 Prozent sicherten ihr fürs Erste den Job (auch wenn sogleich Manipulati­onsvorwürf­e laut wurden).

In der Pandemie gewann Pamela Rendi-Wagner, im Grundberuf Ärztin bzw. Epidemiolo­gin, an Profil. Die neue Selbstsich­erheit ging mit einer verbessert­en Rhetorik einher. Ab Herbst 2020 profitiert­e die SPÖ von der Corona-Müdigkeit der Bevölkerun­g, türkis-grünen Fehlern im Pandemiema­nagement und den Ermittlung­en gegen führende ÖVPPolitik­er. Der Trend in den Umfragen zeigte allmählich nach oben, und in der

 ?? Rausch-Schott / picturedes­k.com ?? Pamela Rendi-Wagner hat signalisie­rt, für das Kanzleramt zur Verfügung zu stehen. Sofern man das möchte.
Rausch-Schott / picturedes­k.com Pamela Rendi-Wagner hat signalisie­rt, für das Kanzleramt zur Verfügung zu stehen. Sofern man das möchte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria