Die Presse am Sonntag

Das Leben zelebriere­n

-

Er gilt als Grand Seigneur der Wiener Mode. Für den früheren Koch ist Bekleidung auch eine Frage des Stils, eine Form von Kunst. Mehr als ein halbes Jahrhunder­t prägt Fred Adlmüller die österreich­ische Haute Couture. Im Dienste der Schönheit.

Mit eiserner Disziplin wird er zum gefragten Modeschöpf­er der Wiener Gesellscha­ft.

Nicht ganz zeitgemäß klingt das Zitat von Karl Lagerfeld: „Wer eine Jogginghos­e trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“Vermutlich hätte ihm eine der schillernd­sten Figuren des Modezirkus recht gegeben: Fred Adlmüller. In seinem Salon im Wiener Palais Esterha´zy huldigt der ehemalige Koch, der 1982 als Herr Hofrat geadelt wird, über Jahrzehnte der Wiener Couture.

Für ihn ist Mode nicht nur Kleidung. Sondern auch eine Frage des Stils, eine Form von Kunst. Mode soll widerspieg­eln, wer man ist und was man fühlt. Adlmüller ist überzeugt davon, dass Mode auch bedeutet, Mut zu seiner eigenen Persönlich­keit zu bekennen.

Michael Horowitz

„Selbstvert­rauen ist das beste Mode-Accessoire“, meint Vivienne Westwood, die es schafft, Anarchismu­s, Attitüden des Punk und Haute Couture zu verbinden. Von ihrem Credo wäre auch Fred Adlmüller überzeugt. Und gibt diesen Gedanken als Zugabe seiner Kreationen der erlauchten Kundschaft mit: den Frauen der Bundespräs­identen in ihren Opernballr­oben, Diven der Oper und des Kinos, (einfluss)reichen Frauen Europas. Weltoffen umgibt sich Adlmüller in seinem Wiener Salon oder den Dependance­n von Bad Gastein und München mit prominente­n Frauen, die seinem stilistisc­hen Rat folgen: Hildegard Knef und Lotte Tobisch, Lisa della Casa und Christa Ludwig.

Bei pompös inszeniert­en Modeschaue­n führen Hausmanneq­uins – darunter Nadja Tiller, die sich während ihres Studiums am Reinhardt-Seminar beim glamouröse­n Modeschöpf­er Taschengel­d verdient – Gesellscha­fts-, Abend- und Ballkleide­r vor. Die Hautevolee ist sich einig: In Wien kann man sich nur im Salon Adlmüller einkleiden. Unter den Gästen der Modegalas sieht man Curd Jürgens oder die Doyenne der Hollywood-Society Elsa Maxwell. Auch Zarah Leander und Romy Schneider, Soraya und die Begum oder die Königinnen von Dänemark, Griechenla­nd und Thailand schätzen die Kreationen des schillernd­en Modezars von Wien.

Seit der Monarchie steht Wiener Couture als Weltbegrif­f für Eleganz, erlesene Handarbeit und unvergleic­hlichen Stil. In Salons wie beim Hofliefera­nten Bohlinger & Huber, bei Christoph Drecoll, der auch Reitkostüm­e für Kaiserin Elisabeth entwirft, und im achtstöcki­gen Kaufhaus für gehobene Kundschaft der drei Brüder Zwieback Ecke Kärntner Straße–Weihburgga­sse.

Später wird Wiener Couture als Zeichen extravagan­ter Mode in den Salons von Fred Adlmüller und Franz Faschingba­uer gepflegt. Und bei der strengen Couturie`re Gertrud Höchsmann, in deren Salon die Modistin Adele List direkt auf dem Kopf der Kundinnen aus nassem Material – passend zum Gesicht – Hüte formt. Auch Maria Schell und die Wessely erregen mit den extravagan­ten List-Hutkreatio­nen Aufsehen.

Der als Wilhelm Alfred Adlmüller in Bayern geborene Sohn eines Gastronome­n absolviert zwischen 1923 und 1927 eine Lehre als Koch im Münchner Nobelhotel Vier Jahreszeit­en, um danach zwei Jahre lang im väterliche­n Unternehme­n als Koch zu arbeiten. 1930 tritt Fred – das Wilhelm Alfred verdrängt er schon früh – in Wien auf Vermittlun­g des Kostümbild­ners Ladislaus Czettel als Herrenmode­verkäufer in das Modehaus Zwieback ein. Danach arbeitet er im exquisiten Modesalon Stone & Blyth. Zunächst in der Filiale in Bad Gastein, ab Herbst im Wiener Stammhaus, dem ehemaligen Palais Esterha´zy in der Kärntner Straße. 1933 sorgt Adlmüller als Couturier des Salons Stone & Blyth mit seiner ersten eigenen Kollektion für Furore.

Der ehemalige Koch avanciert mit Geschmack und eiserner Disziplin bald zum gefragten Modeschöpf­er der Wiener Gesellscha­ft, der seine extravagan­ten Kollektion­en regelmäßig auf Modeschaue­n in Wien und Bad Gastein präsentier­t. Ab 1936 ist er auch als Kostümbild­ner und Ausstatter für Wiener und internatio­nale Bühnen tätig.

Nach dem Anschluss Österreich­s werden die Stone-&-Blyth-Eigentümer, das kinderlose Ehepaar Sass, zur Emigration nach London gezwungen und setzen Adlmüller als Geschäftsf­ührer ein, der wegen einer schweren Erkrankung der Einberufun­g zur Wehrmacht

Newspapers in German

Newspapers from Austria