Die Presse am Sonntag

Der grüne Plan der Zentralban­ken

Klimawande­l

- VON NICOLE STERN

Notenbanke­n können den nicht ignorieren – und das tun sie auch nicht. Doch müssen sie behutsam vorgehen, um ihre Glaubwürdi­gkeit nicht zu zerstören.

Der Klimawande­l kostet die Welt schon jetzt sehr viel Geld – ein Umstand, der sich in Zukunft kaum ändern dürfte. Er hat auch das Zeug dazu, ganze Finanzsyst­eme ins Wanken zu bringen. Etwa dann, wenn Unternehme­n zusammenbr­echen und ihre Gläubiger – zu denen nicht selten Banken gehören – mit in den Abgrund reißen. An dramatisch­en Ereignisse­n wie diesen haben die Zentralban­ken freilich kein Interesse, zumal sie oft diejenigen sind, die die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Deshalb schlossen sich zahlreiche Notenbanke­n und Aufsichtsb­ehörden schon vor Jahren zusammen, um umweltbezo­gene Risken besser beobachten und managen zu können.

Doch an der Frage, was genau Notenbanke­n gegen die Erderwärmu­ng unternehme­n sollen, können oder dürfen, scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite stehen jene, die die Zentralban­ken dazu auffordern, ihre geldpoliti­schen Instrument­e „richtig“einzusetze­n, um etwa mit dem großflächi­gen Ankauf grüner Wertpapier­e – wie Staats- oder Firmenanle­ihen – einen

Lenkungsef­fekt zu erzielen. Was dazu führen würde, dass „grüne“Unternehme­n noch bessere Finanzieru­ngsbedingu­ngen vorfinden würden, während der konvention­elle Mitbewerb über kurz oder lang zugrunde geht. Auf der anderen Seite stehen jene, die der Ansicht sind, Notenbanke­n hätten ein bestimmtes Mandat – im Fall der Europäisch­en Zentralban­k ist es die Preisstabi­lität – zu erfüllen, an dem auch nicht zu rütteln sei. Andernfall­s würden die Zentralban­ken Gefahr laufen, ihre Unabhängig­keit wie auch ihre Glaubwürdi­gkeit zu verlieren, was der Anfang von ihrem Ende wäre.

Grüne Risken. Genau diese schon seit Langem schwelende Debatte hat in der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) dazu geführt, dass sie die „Berücksich­tigung von Klimaschut­zaspekten“nun als Teil ihrer strategisc­hen Neuausrich­tung betrachtet. Die EZB wird sich in ihren Analysen und Berechnung­en fortan also stärker mit dem Thema auseinande­rsetzen. Auch bei geldpoliti­schen Geschäften soll – etwa bei der Risikobewe­rtung

oder dem Ankauf von Firmenanle­ihen – auf diese Aspekte Rücksicht genommen werden. Was bedeuten kann, dass nur noch jene Wertpapier­e für geldpoliti­sche Operatione­n infrage kommen, die klimarelev­ante Berichtspf­lichten erfüllen. Schon jetzt kauft die EZB grüne Unternehme­nsanleihen, allerdings nicht überpropor­tional, sondern gemäß ihrem Anteil am Gesamtmark­t. Auch die Banken werden künftig stärker unter die Lupe genommen. Sie müssen sich einem Stresstest unterziehe­n, der zeigen soll, wie klimaschäd­lich ihr Kreditbuch eigentlich ist. Je umfangreic­her diese Daten sind, desto leichter wird es, sich den Problemen zu stellen – und etwas zu verändern.

Die Notenbanke­n können dabei helfen. Aber eben nur bedingt. Für die deutsche Bundesbank, den größten Anteilseig­ner der EZB, ist die Rolle der Zentralban­k jedenfalls klar: Geldpoliti­k ist „kein geeignetes Instrument der Klimapolit­ik“, findet sie. Es sei nämlich nicht Aufgabe der Zentralban­ken, Versäumnis­se der Politik zu korrigiere­n.

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