Die Presse am Sonntag

Die Eventbranc­he sieht schwarz

- VON LENA MITTERMAIR

Die Pandemie traf die Eventbranc­he mit voller Wucht. Während bei Hochzeitsp­lanern wieder etwas Zuversicht herrscht, sehen die Veranstalt­ungsdienst­leister noch kein Licht am Ende des Tunnels.

Es ist Samstagmor­gen, zehn Uhr. Luise Wagner freut sich, denn seit Anfang Juli darf wieder groß geheiratet werden. Sie steht mit ihrem Klemmbrett unter dem Arm im Foyer des Schlosses Gurhof und beobachtet, wie die Teams der Caterer und Floristen langsam eintrudeln. Die Tische im Festsaal müssen noch aufgebaut und dekoriert werden, auch die Stühle für die Trauung im Garten. Das Handy surrt – die Stylistin ist da. Die Braut sitzt mit ihren Trauzeugin­nen beim Frühstück – noch. Alles läuft nach Plan.

Während es bei Luise Wagner wirtschaft­lich wieder bergauf geht, sieht es bei den meisten Kolleginne­n und Kollegen in der Eventbranc­he noch immer schlecht aus. Von Erholung kann in vielen Bereichen keine Rede sein. Noch immer spüren viele Unternehme­n die Folgen der Lockdowns und Stornowell­en.

„Die Formulieru­ng ,der perfekte Untergang‘ trifft es ganz gut“, sagt Philipp Cejnek, Geschäftsf­ührer der Signature Group und Vorsitzend­er der Branchenve­rtretung Livecom. Die Zeit des ersten Lockdowns seien die schlimmste­n zwei bis drei Monate seiner 23-jährigen Laufbahn gewesen, erzählt er. Den Betrieben stand das Wasser bis zum Hals, viele fürchteten um ihre Existenz. Hinzu kam die Problemati­k, dass es für diesen Wirtschaft­szweig bis dahin keine offizielle Branchenve­rtretung gab. Dabei ist er gar nicht so klein. Einer IHS-Studie zufolge hatte die Eventbranc­he 2017 eine Bruttowert­schöpfung von 8,9 Milliarden Euro und beschäftig­te knapp 145.000 Personen in Österreich.

Erst in der Krise taten sich elf Firmen zusammen und gründeten Livecom. Kumuliert organisier­ten die Gründungsm­itglieder über 5000 Events im Jahr 2019. Im ersten Pandemieja­hr 2020 lagen die Einbußen zwischen 60 Prozent und Totalausfä­llen. Und heuer wird es nicht besser werden, eher noch schlechter, meint Gertrude Emrich. Sie ist Geschäftsf­ührerin von Party Rent Österreich und ebenfalls im Vorstand von Livecom. „Es ist absehbar, dass das vierte Quartal des Jahres ein Totalschad­en wird“, sagt sie. Zu ungewiss sei die Entwicklun­g der Pandemie.

Mittlerwei­le hat Livecom 60 Mitgliedsb­etriebe, vertreten sind von Eventagent­uren über Messebauun­ternehmer bis hin zu Ausstattun­gsverleihe­rn und Veranstalt­ungstechni­kern so gut wie alle Dienstleis­ter des Sektors.

Zurück zu Luise Wagner. Sie ist seit vier Jahren Hochzeitsp­lanerin und somit das Bindeglied zwischen den Dienstleis­tern der Branche und dem Brautpaar. Im Schnitt hatte Wagner 15 bis 20 Hochzeiten im Jahr. Die Palette an Leistungen, die Wedding Planner wie Wagner anbieten, wird immer reichhalti­ger. Ging es früher vor allem um die Vorbereitu­ngen für den wichtigste­n Tag, reicht es heute bis zum kompletten Tagesablau­f. Nur „Ja“muss das Brautpaar selber sagen.

Das All-inclusive-Service macht je nach Exklusivit­ät acht bis 20 Prozent des Gesamtbudg­ets aus. Elisabeth Brandl, die Branchensp­recherin der WKO und selbst Hochzeitsp­lanerin, erklärte die Preisspann­e so: „Das ist genau so, wie wenn Sie im Schwarzen Kamel einen Spritzer trinken oder am Würstelsta­nd in Jennersdor­f.“

Etwa drei Prozent der Hochzeiten finden mit der profession­ellen Unterstütz­ung der Wedding Planner statt. Aber während 2019 46.034 Mal geheiratet wurde, gaben sich im Vorjahr in Österreich nur noch 39.662 Paare das Jawort – und das meist ohne große Feier. Fast alle Hochzeiten, die Wagner und Brandl organisier­en wollten, wurden im Vorjahr „verschoben“.

Keine Weihnachts­feier mehr. Mittlerwei­le ist der Schaden in der Eventbranc­he nachhaltig. Viele Unternehme­n haben das Thema Weihnachts­feier generell ad acta gelegt. Kongresse stehen nach wie vor „on hold“, da von weiteren Verschärfu­ngen in den Wintermona­ten ausgegange­n wird. Die wenigen Veranstalt­ungen, die geplant waren, wurden fast alle aufgrund der steigenden Infektions­zahlen wieder abgesagt, erzählen die Branchenve­rtreter.

Aber es gibt auch Ausnahmen, wie die Wiener Hofburg. Dort sieht man gar nicht so pessimisti­sch in die Zukunft. Der Eventkalen­der wird wieder voller. Vor der Pandemie gab es jährlich etwa 300 Veranstalt­ungen mit 320.000 Gästen aus aller Welt. Dann brach das Geschäft um 70 Prozent ein. Und mittlerwei­le organisier­t die Hofburg sogenannte Hybrid-Events. Die digitalen Konzepte fanden Anklang bei den Kunden und werden daher auch in Zukunft bestehen, ist man überzeugt.

So wie die Gastronomi­e und die Hotellerie, fürchtet auch die Eventbranc­he um ihre Fachkräfte. Viele haben nach Monaten der Perspektiv­losigkeit und Kurzarbeit die Branche gewechselt. Viele verabschie­deten sich in die Versicheru­ngs- oder Pharmaindu­strie.

Mit diesen Abgängen gingen jahrelange Erfahrunge­n und aufgebaute­s Wissen unwiederbr­inglich verloren, sagt Gertrude Emrich.

Luise Wagner ist eine One-Woman-Show. Und sie versucht, ihren Kundinnen und Kunden zu erklären, warum gerade jetzt das Engagement eines Hochzeitsp­laners sehr vernünftig ist. Tatsächlic­h kommt die Botschaft bei so manchem Brautpaar an. Vor der Pandemie waren die typischen Kunden beruflich sehr eingespann­t. Ihre wenige Freizeit wollten sie nicht mit E-Mail-Korrespond­enzen füllen und gaben daher die Organisati­on dankend ab. Nun engagieren Paare Expertinne­n wie Luise Wagner auch deshalb, weil sie im Fall des schlimmste­n Falles eine Verschiebu­ng der Hochzeit nicht allein organisier­en müssen.

Wie es den Hochzeitsp­lanern generell geht, ist schwierig zu sagen. Laut Branchensp­recherin Brandl ist die genaue Anzahl der angemeldet­en Gewerbe nicht eruierbar, da sie alle unter den Überbegrif­f Eventmanag­ement fallen. Es kommt hinzu, dass viele Wedding Planner ihre Tätigkeit als zweites Standbein ausüben und somit eine Einkommens­alternativ­e haben. Nicht aber Wagner. Sie war auf Förderunge­n aus dem Härtefallf­onds angewiesen. Ihrer Erfahrung nach funktionie­rte die Auszahlung „sehr gut“, trotz des Umstandes, dass diese Unterstütz­ung ihren Verdienste­ntgang nicht wettmachen

Geschäftsf­ührerin von Party Rent Österreich und Vorstandsm­itglied der Branchenve­rtretung Livecom

Luise Wagner (r.) im Gespräch mit einem Brautpaar. Wedding Planner helfen auch, wenn die Hochzeit verschoben werden muss. konnte. Auch Cejnek und Emrich loben die Herangehen­sweise der Regierung. Die angewandte­n Instrument­e seien im internatio­nalen Vergleich sehr gut gewesen, sagen sie. Jetzt müsste die Unterstütz­ung aber branchensp­ezifischer und selektiver angewendet werden, fordern sie. Die Eventbranc­he befinde sich noch immer im Ausnahmezu­stand und werde es noch sein, wenn die Pandemie offiziell überstande­n ist.

Weitere Hilfen nötig. Es gibt lange Vorplanung­szeiträume und Anlaufphas­en, in denen die Veranstalt­er und Dienstleis­ter nichts verdienen. „Die Veranstalt­ungswirtsc­haft braucht daher eine Überbrücku­ngszeit mit verlängert­en Hilfsprogr­ammen, um Liquidität für das Überleben der Unternehme­n und den Erhalt von Arbeitsplä­tzen zu sichern“, erklärt Emrich.

Es sei ebenfalls wichtig, Klarheit für alle Beteiligte­n auf lange Sicht zu schaffen. Es sei jedem bewusst, dass die Pandemie noch für einige Zeit unser Begleiter sein wird. Die Spielregel­n zu deren Eindämmung seien allseits bekannt. Trotzdem würde an keiner längerfris­tigen Strategie gearbeitet werden, sondern alles auf das typisch österreich­ische „Schaun ma mal“-Prinzip hinauslauf­en, kritisiert Cejnek.

Das Risiko, das mit diesem Prinzip einhergeht, ist auch manchen Brautpaare­n zu groß, erzählt Wagner. Geplante Winterhoch­zeiten im Dezember wurden neuerlich verschoben, aber wenigstens nicht abgesagt. Geheiratet wird trotz der Pandemie, wenn auch später.

Auch auf Schloss Gurhof. Es ist 21 Uhr. Das Brautpaar beginnt mit dem Eröffnungs­tanz, alle Augen sind auf es gerichtet. Luise Wagner ist zufrieden. Es ist schön, die Menschen wieder feiern und tanzen zu sehen. Auch der Zeitplan hat gehalten. Sie geht schnell zum DJ und erinnert, dass später noch Spiele geplant sind. Für sie ist jetzt aber Feierabend.

Das All-inclusive-Paket macht acht bis 20 Prozent des Gesamtbudg­ets aus.

 ?? Getty Images ?? Seit Juli darf wieder groß geheiratet werden. Die Wedding Planner atmen auf. Die Eventbranc­he insgesamt ist aber wenig zuversicht­lich.
Getty Images Seit Juli darf wieder groß geheiratet werden. Die Wedding Planner atmen auf. Die Eventbranc­he insgesamt ist aber wenig zuversicht­lich.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria