Die Marke, die aus der Turnhalle kommt
Erst vor drei Jahren gegründet, verkauft die Neo-Marke Cupra heute schon mehr Autos als Alfa Romeo – dabei gehen ihre Ursprünge auf eine Abteilung zurück, die man eigentlich zusperren wollte. Nun soll ein Elektroauto das weitere Wachstum treiben.
Für Seat-Chef Wayne Griffiths ist die globale Chip-Krise ein Ärgernis, das sich mit einer Summe beschreiben lässt: 500 bis 700 Millionen Euro. So viel an Umsatz werden ihn in diesem Jahr jene Autos kosten, die sich ohne Mühe verkaufen ließen, die er aber nicht bauen kann, weil es an Halbleitern fehlt. Und weil sich im nächsten Jahr nicht wahnsinnig viel an der misslichen Lage ändern wird, könnte die gleiche Summe ein weiteres Mal beim Teufel sein.
Für Griffiths doppelt ärgerlich: Bequem hätte er heuer an Absatz wettmachen können, was im Vorjahr wiederum die Pandemie gekostet hat. Die spanische Marke ist seit 2013 auf Erfolgskurs, wächst seither Jahr für Jahr und feierte 2019 ihren bisherigen Verkaufsrekord (mit fast 575.000 verkauften Fahrzeugen). Vom wieder erwachten Kaufinteresse der Kundschaft hätte Seat gut profitieren können.
Bauchgefühl. Trösten kann sich Griffiths mit zweierlei: Dass es anderen in der Branche auch nicht besser geht. Und dass der jüngste Spross des Hauses gar so gut gedeiht: Die Neo-Marke Cupra, erst 2018 ins Leben gerufen, gerät zur großen Erfolgsstory im Autobusiness. Schon in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres hat sich der Absatz der Cupra-Modelle – und das sind bislang nur drei – im Vergleich zum gesamten Vorjahr nahezu verdoppelt. Aus den 27.400 Exemplaren von 2020 werden heuer mindestens 75.000, wie man bei Seat rechnet.
Damit ist offenbar eine Rechnung aufgegangen, die nicht auf ausgefuchstes strategisches Marketing-Kalkül zurückgeht, sondern auf Bauchgefühl – und eine Art Experiment. Cupra als eigenständige Marke hat Wayne Griffiths von seinem Vorgänger Luca de Meo, 54, geerbt. Der hochdekorierte Automanager war Seat-Chef seit 2015, bis er im Vorjahr bei seinem früheren Arbeitgeber Renault den Chefposten antrat.
Nicht zusperren. Ganz zu Beginn seiner Zeit bei Seat fing de Meo rund 100 Köpfe aus dem Unternehmen zusammen und sperrte sie zu einem einwöchigen Brainstorming „in eine Turnhalle“, wie sich ein Teilnehmer aus Österreich erinnert, der heimische SeatMarkenchef Wolfgang Wurm. „Bei so vielen Leuten kann doch nix rauskommen“, war sein erster Gedanke, doch der charismatische de Meo brachte schnell Schwung in die Runde – und erklärte die Spielregeln: „Keine, es ist alles erlaubt. Was kann man anders machen? Welche neuen Wege könnte man beschreiten? Jede Idee sollte auf den Tisch“, so Wurm.
Würde man Alfa Romeo neu erfinden, käme wohl etwas wie Cupra dabei heraus.