Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Der Mensch formt seit prähistorischen Zeiten die Welt nach seinen Bedürfnissen um und beutet sie aus. Dies sei ein zutiefst menschlicher Charakterzug, meinen Historiker.
Seit Beginn der Industriellen Revolution wächst der Einfluss des Menschen auf die Gestalt der Erde dramatisch. Aus gutem Grund bezeichnen viele Forscher die Gegenwart als „Anthropozän“, als Zeitalter des Menschen. Dieser drückt der Umwelt freilich schon viel länger seinen Stempel auf. So zeigte nun eine internationale Forschergruppe um Joseph McConnell (mit österreichischer Beteiligung), dass sich 700 Jahre alte Rußablagerungen im ewigen Eis der Antarktis auf Brandrodungen in Neuseeland zurückführen lassen – als die ersten Menschen die Inseln besiedelten und sofort daran gingen, sie für ihre Zwecke umzugestalten (Nature, 6. 10.).
Der Mensch passt sich, wie alle Lebewesen, an seine Umgebung an. Überdies gestaltet er aber auch aktiv seine Nische so um, dass es sich darin gut (über-)leben lässt. Auf diese Tatsache gründen z. B. die US-Anthropologen Joy McCorriston und Julie Field ihr großartiges (leider bisher nicht auf Deutsch erschienenes) Buch „Anthropocene: A New Introduction to World Prehistory“(375 Seiten, Thames & Hudson, 34 Euro). Sie argumentieren, dass das Anthropozän nicht erst in modernen Zeiten begonnen habe, sondern in die Anfänge des Homo sapiens zurückreiche: Schon in der Steinzeit brannten unsere Vorfahren Wälder nieder und trugen zum Aussterben großer Säugetiere bei. Mit der Entwicklung immer besserer Werkzeuge, der Landwirtschaft, von Bewässerungssystemen und Städten formte der Mensch das Antlitz der Erde grundlegend um und beutete Ressourcen immer stärker aus – die ökologischen Folgen kennen wir.
Noch deutlicher wird der US-Umwelthistoriker Daniel Headrick: Der Grundtenor seines neuen Buchs „Macht euch die Erde untertan“(639 Seiten, wbg Theiss, 51,95 Euro) lautet, dass der heute drohende ökologische Kollaps in unserem Wesen angelegt sei: „Seit dem Erscheinen des Homo sapiens ist das Motiv, der Umwelt so viele Ressourcen zu entnehmen, wie die Technologie es zulässt, ein menschlicher Charakterzug“, schreibt er. Denn: Die Intelligenz der Menschen sei „weitaus größer als für das Überleben erforderlich“. Schon unsere Urahnen „schossen oft übers Ziel hinaus, jagten Tiere, bis sie ausgestorben waren, überschritten die Belastungsfähigkeit ihrer Umwelt und versklavten und ermordeten einander schließlich in großer Zahl“.
Auch wenn alle erwähnten Autoren betonen, dass man aus dieser Einsicht für die Zukunft lernen könne: Dies stimmt für die Bewältigung unserer Probleme nicht gerade optimistisch.
Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.