Die Presse am Sonntag

Das Untadeligs­te aus beiden Welten

- VON FLORIAN ASAMER

oder: Warum Kanzler nicht mehr zurück-, sondern einen Schritt zur Seite treten.

man so getrost auf maximal zwei Jahre verkürzen. Länger hält in Österreich ohnehin keine Koalition mehr. Das reicht genau für Sondierung, Koalitions­verhandlun­gen, Angelobung und danach ein paar Flittermon­ate, bevor dann schon die hässliche Scheidungs­schlacht beginnt.

Neben ausgefalle­nen Koalitions­varianten bringen solche Phasen auch immer politische Wortneusch­öpfungen. „Untadelig“ist da in dieser Woche als Anforderun­gsadjektiv für einen Regierungs­chef in die Realverfas­sung eingeführt worden. Inhaltlich unbestritt­en, kann man förmlich mithören, wie in grünen War Rooms hektisch ein Begriff statt „anständig“gesucht wurde, der das gleiche meint, aber noch nicht „angepatzt“ist. Auch wirklich elegant: Statt Sebastian Kurz offen zum Rücktritt aufzuforde­rn, haben die Grünen das wunderbare Kurz solle „einen Schritt zur Seite machen“entwickelt. Als ob es auf dieser Seite irgendwie gemütliche­r wäre, als dort hinten, wo man bei einem Rücktritt unweigerli­ch landet. Der Bundeskanz­ler wiederum will nicht nur „handlungsf­ähig“sein, sondern er erklärt sich sogar „handlungsw­illig“. Das soll den Wählerinne­n und Wählern, an die sich das offensicht­lich schon richtet, Tatendrang signalisie­ren. Als Rechtferti­gung für die verheerend­en Chats greift Sebastian Kurz dagegen per Liveschalt­e zur besten Sendezeit auf abgestande­ne Beinahe-Entschuldi­gungsforme­ln aus dem Worthülsen­regal zurück: „(...) In der Emotion und Hitze des Gefechts so formuliert (... ), wie ich sie heute nicht mehr formuliere­n würde.“

Na, dann ist ja alles geklärt.

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