Das Phänomen Banksy
Der Street-Art-Künstler Banksy arbeitet anonym und ohne Galerievertretung. Dennoch gehört er zu den fünf erfolgreichsten Künstlern der Welt.
Girl with Balloon“, ein Mädchen, das sich nach einem herzförmigen roten Ballon streckt, ist eines der bekanntesten Motive des Street-Art-Künstlers Banksy. Das liegt aber nicht am Motiv selbst, sondern an seiner spektakulären Schredderaktion vor laufenden Kameras während einer Auktion bei Sotheby’s. Im Oktober 2018 hatte eine europäische Käuferin in London das Bild für 1,1 Millionen Pfund ersteigert und musste miterleben, wie „Girl with Balloon“unmittelbar nach dem Zuschlag mithilfe eines im Rahmen verborgenen Mechanismus teilweise in schmale Streifen geschnitten wurde.
Der Künstler behauptete im Anschluss, er habe den Schredder schon während der Entstehung des Werks eingebaut. „Love is in the Bin“hat Banksy das Werk nach der Auktion persönlich umgetitelt und auch zertifiziert. Jetzt kommt „Love is in the Bin“am 14. Oktober bei Sotheby’s zur Auktion. Der Schätzwert beträgt vier bis sechs Millionen Pfund.
Nur einen Tag nach der Sotheby’sAuktion kommt eine weitere Version des bekannten Banksy-Motivs „Girl with Balloon“in London unter den Hammer: Konkurrent Christie’s hat das Diptychon – ein zweiteiliges Werk – des bis heute anonym gebliebenen britischen Künstlers als Höhepunkt seiner Auktion „20th/21st Century Evening Sale“am 15. Oktober angekündigt. Christies’s erwartet sich 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund. Das Diptychon stammt aus dem Jahr 2005. Das Mädchen mit dem Luftballon sei eine Vision von Unschuld und Hoffnung und zu so etwas wie einem Leitmotiv für Banksy geworden, kommentierte Katharine Arnold, Expertin für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst in Europa bei Christie’s das Werk.
Im Alter von 47 Jahren zählt der Street-Art-Künstler laut Daten der Kunstpreisdatenbank Artprice zu den fünf erfolgreichsten Künstlern der Welt – und zwar quer durch alle Sparten. Er reiht sich in die Liga von Picasso, Basquiat, Warhol und Monet ein. Er ist sogar einer der lukrativsten lebenden Künstler, und das alles ohne die Unterstützung von internationalen Megagalerien.
In den vergangenen fünf Jahren wuchs Banksys Auktionsumsatz sprunghaft: 2016 lag der Umsatz noch bei drei Millionen Dollar, 2017 waren es schon sieben Millionen, 2018 16 Millionen, 2019 29 Millionen und 2020 67 Millionen Dollar. Und der Trend setzt sich fort, denn in den ersten sechs Monaten 2021 erlösten rund 1200 Werke, die zur Versteigerung gelangten, insgesamt 123 Millionen Dollar. Den Rekordpreis von 23,2 Millionen Dollar erzielte am 23. März 2021 bei Christie’s die Leinwand „Game Changer“, die Banksy für eine Wohltätigkeitsauktion zur Verfügung gestellt hatte.
Superheldin der Pandemie. Das Werk zeigt einen Buben, der seine Batmanfigur und andere Superhelden-Figuren liegen lässt, um mit einer Puppe zu spielen, die eine Krankenschwester als Superheldin darstellt. Es ist die Hommage des Künstlers an die Pflegerinnen und Pfleger, die während der Pandemie Höchstleistungen erbringen. Der Erlös ging an das National Health Service von Großbritannien.
Im ersten Halbjahr 2021 teilte sich laut Artprice der Markt von Banksy in drei global bedeutende Kunstmarktregionen auf: 64 Prozent seines Auktionsumsatzes wurden in Großbritannien generiert, 15 Prozent in den USA und 13 Prozent in Hongkong. Anders ausgedrückt: London, New York und Hongkong, diese drei Kunstmetropolen, trugen wesentlich zur Wertsteigerung seiner Arbeiten bei. Das lässt sich anhand seiner kleinen Leinwand „Laugh Now But One Day We’ll Be in Charge“aus dem Jahr 2000 gut verdeutlichen: Am 15. Oktober 2007 erzielte es bei Sotheby’s in London 342.000 Dollar. Zehn Jahre später kam es im Juni bei Bonhams in London erneut zum Aufruf und stieg auf 380.000 Dollar. Im Juni 2021 kam es erneut zur Auktion, wieder bei Sotheby’s, aber diesmal in Hongkong, wo es auf 2,3 Millionen Dollar kletterte.
Der Grund für die große Nachfrage liegt wohl auch darin, dass Banksy von keiner Galerie vertreten wird und so gut wie nie Arbeiten auf dem Primärmarkt verkauft werden. Die letzte Auflage, die Banksy noch selbst herausgab, datiert ins Jahr 2010. Seit damals ist es für Sammler fast unmöglich geworden, einen Banksy auf dem Primärmarkt zu erwerben. Auf dem Sekundärmarkt hingegen sind seine Werke in Galerien, im Internet oder bei Auktionen begehrte Ware. Häuser wie Sotheby’s oder Christie’s rühren dann mächtig die Werbetrommel, wie auch zuletzt Christie’s für „Girl with Balloon“. Das Auktionshaus lud zur medienwirksamen „Enthüllung“seines Toploses.
Banksy ist aber auch selbst ein guter Geschäftsmann. Das bewies er mit seinem „System Pest Control“, mit dem er im Umlauf befindliche Arbeiten limitieren und authentifizieren kann. Durch diese Begrenzung der Verfügbarkeit seiner Arbeiten auf dem Markt steigerte er den Wert der in Umlauf befindlichen Werke. Dadurch erzielten seine Anhänger hohe Gewinne für die von ihnen erworbene Kunst. Laut Artprice stieg der durchschnittliche Wert seiner Arbeiten allein im Jahr 2020 um 42,6 Prozent.
Sowohl Sotheby’s als auch Christie’s versteigern nächste Woche ein Werk von Banksy.
Der Wert für Banksy-Werke stieg laut Artprice allein 2020 um 42,6 Prozent.
Obwohl oder vielleicht gerade weil Banksy als anonymer Künstler lebt und Kunstwerke schafft, die Jahrhunderte als Vandalismus galten, begeistert er die breite Masse. Er spricht aktuelle Themen wie Klimawandel, Krieg und Ungleichheit an. Beispiele dafür sind „The Walled Off Hotel“in Bethlehem oder sein Migrantenboot „Rescue“.
„Banksy schafft oft eine Gegenöffentlichkeit, zum Beispiel, wenn die französische Regierung sagt: Nein, wir setzen kein Tränengas in Flüchtlingslagern bei Calais ein. Dann macht er ein Werk, in dem das Mädchen vom ,Les Mise´rables‘-Poster weint, daneben ein 3-D-Handy-Code. Wenn man draufgeht, sieht man in einem Video, wie die französische Polizei Tränengas in einem Flüchtlingslager einsetzt“, sagte Street-Art-Experte Ulrich Blanche´ anlässlich einer Ausstellung im Museum Frieder Burda 2019 in einem Interview mit der „Deutschen Welle“.
Banksy schafft es, seine Werke als politische Waffe einzusetzen und trotzdem unterhaltend zu sein. „Seine Botschaft ist: Kunst muss für alle sein, muss verständlich sein. Und dennoch – glaubt nicht alles!“, erklärt Blanche´ das Phänomen Banksy.