Die Stadt als Jagdgebiet
Rund 2500 Jägerinnen und Jäger gibt es mittlerweile in Wien. Neben der Versorgung mit Wildbret müssen sie in der Stadt vor allem Aufklärungsarbeit leisten.
Beim Wein hört sich der Spaß auf. Das versteht auch der Wiener. Denn generell wird den Stadtbewohnern ja ein verklärtes Naturverständnis nachgesagt, teilweise zu Recht, wie so manche Geschichten von Wiener Jägern zeigen. Aber wenn eine Herde von Wildschweinen einen Weingarten, in dem ein hochwertiger Lagenwein wächst, in Windeseile kahl frisst, dann schreit auch der Wiener nach dem Jäger, der die wilden Tiere im Zaum halten soll.
„Bis zu einem gewissen Grad haben die Leute in der Stadt kein Verständnis dafür, warum bejagt wird“, sagt der Wiener Landesjägermeister Norbert Walter, der selbst übrigens auch Winzer und Obmann des Wiener Bauernbundes ist. Wenn ein Fuchs zum Beispiel beim Heurigen vorbeispaziert, würden das viele „lieb und nett“finden. Wildschweine werden gar als lustige Tiere beäugt, denen so mancher Jogger interessiert nachläuft, ohne sich dabei etwas zu denken. Aber wenn es zu Problemen kommt, dann ist die Jägerschaft plötzlich sehr gefragt.
Dienstleister der Gesellschaft. Und die gibt es in Wien genauso wie in den anderen Bundesländern, auch wenn die Stadt nicht gerade das erste Gebiet ist, das man mit einem Jagdgebiet assoziieren würde. Aber auch innerhalb der Stadtgrenze wird gejagt, gepflegt und darauf geachtet, dass das Gleichgewicht der Wildtiere bestehen bleibt. „Gerade in der Stadt müssen wir die Argumente der Jagd besser erklären und den Dialog suchen. Ich sehe uns als Dienstleister der Gesellschaft“, sagt Theresa Zwettler, die akademische Jagdwirtin ist, die Jagdschule des Wiener Landesjagdverbands leitet und mit Jagdkarte.at ihre eigene Jagdschule in Perchtoldsdorf betreibt. Dienstleister sei man deshalb, weil die Jägerschaft
Viele machen die Jagdprüfung, nur um mehr über die Natur zu lernen.
etwa zur Seuchenprävention beiträgt – „damit sich nicht der Fuchsbandwurm am Kinderspielplatz verbreitet“– oder auch bei Kitzrettungen zur Verfügung steht. Und natürlich auch für Wildbret sorgt, „Fleisch mit einem CO2-positiven Fußabdruck“, wie Zwettler sagt.
Die Zahl der Wiener Jägerinnen und Jäger ist übrigens gar nicht so klein. Norbert Walter beziffert sie auf rund 2500, wobei da auch einige „Anschlussmitglieder“(also Besitzer einer gültigen Jagdkarte in einem anderen Bundesland) aus Niederösterreich dabei sein dürften. Die Jagdgebietsfläche erstreckt sich auf rund 16.500 Hektar – oder anders gesagt rund 40 Prozent der Gesamtfläche Wiens. Zieht man die ruhend gestellten Jagdgebiete wie den Prater, die Donauinsel oder den Wienerberg ab, sind es rund 13.000 Hektar, die in Wien bejagt werden können, aufgeteilt auf 20 Eigen- und 13 Gemeindejagdgebiete. Der Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien ist der größte Eigenjagdberechtigte in Wien, aber auch das Schottenstift ist Eigentümer eines Jagdgebiets. Gejagt wird natürlich nicht innerhalb des
Gürtels, sondern in den Randbezirken, etwa im 19.,
21., 22. und 23., aber auch im
die die vielen Menschen in den Jagdgebieten mit sich bringen. „Es stapeln sich viele Nutzungsinteressen auf einem Quadratmeter Natur, die ja eigentlich keine Natur ist, es ist ja alles Kulturlandschaft.“Am Wochenende brauche man in der Stadt (oder am Stadtrand) nicht jagen zu gehen, auch der Montag sei schwierig. „Besser Mittwoch, da haben sich die Tiere ein bisschen beruhigt.“
Vielen sei gar nicht bewusst, was sie anrichten, wenn sie abseits der Wege gehen, vielleicht auch noch mit Hund. Die Auswirkungen auf die Wildtiere seien aber bereits sichtbar, erklärt die Jägerin. „Das Wild verändert sich, es werden schwächere Tiere geboren, weil die Muttertiere geschwächt sind.“Der Lebensraum des Rebhuhns sei etwa durch die Landwirtschaft schon massiv minimiert. „In der Schweiz ist das Rebhuhn schon ausgestorben, bei uns kann es nicht mehr lang dauern.“
Auch die Hunderisse sind mehr geworden. Zwettler plädiert deshalb für mehr Aufklärung und Bewusstseinsbildung. Und: „Die Jagd muss entstaubt werden“, sagt sie. Das Bild vom „alten Wurzelsepp“sei nicht mehr zeitgemäß. Sie schätzt den Frauenanteil auf rund ein Drittel. „Unlängst hatte ich erstmals einen Kurs, bei dem die Frauen in der Überzahl waren.“Die Jägerschaft hat auch bei den Kommunikationswegen aufgeholt (und betreibt etwa mit www.wild-oesterreich.at eine Plattform für Wildbret).
Auf die Frage, wie sie selbst zur Jagd gekommen ist, antwortet Zwettler schlicht mit „Muttermilch“. Ihre Eltern und auch ihr Großvater jagen. Sie habe zwar auch eine Phase gehabt, in der sie sich von der Jagd abgewendet hatte, aber die ging vorüber. Heute kann sie sich nichts anderes vorstellen. Die Jagdkurse nimmt sie sehr ernst, von Crashkursen hält sie wenig. „Ich mache acht bis zehn Jagdreisen mit meinen Kursteilnehmern, da will ich auch wieder heil nach Hause kommen.“