Königstiger und Menschenfresser
Vom StehplAtz zum StAAtsoperndirektor. Eberhard Waechter, einer der bedeutendsten BAritone des 20. JAhrhunderts, ist Auch eine der schillerndsten Figuren der Opernwelt – mit einzigArtiger Bühnenpräsenz. Ein WeltstAr, der lieber in Wien bleibt.
Erwin Kerber, Direktor der Wiener Staatsoper, pflegt stets an die Tür des eigenen Büros zu klopfen, um zu erkunden, ob sein Nachfolger schon drinnen sitzt. Ein halbes Jahrhundert danach wird der Sänger Eberhard Waechter Leiter des Hoftheaters ohne Hof (Theodor W. Adorno). Eines Opernhauses, in dem schon seit Gustav Mahler vor 120 Jahren zermürbende Intrigen zum Alltag des Direktors gehören.
Waechter, einer der bedeutendsten Baritone des 20. Jahrhunderts, ist auch eine der schillerndsten Figuren der Opernwelt. Mit Bühnenpräsenz, die einzigartig ist. Autoritär und jähzornig, ungeduldig und temperamentvoll, aber auch charmant und gewinnend, erträgt er keinen Widerspruch. Wie ein „Menschenfresser und zugleich Schützer der Schwachen, ein Königstiger, der nur will, dass man ihn im Auge hat“(Otto Schenk). Als Betriebsrat der Staatsoper ist Waechter mächtiger als der Direktor.
Michael Horowitz
Die liebsten Dirigenten sind für ihn jene, die möglichst wenig probieren. Wann immer es geht, meidet er Proben, nur mit Schenk probt er gern. Zur Freude der anderen sind diese Begegnungen immer kabarettreif. Er wird in der Staatsoper gern als Herr Baron angesprochen, nie geschminkt und hasst Perücken. Waechters Arbeitstag als Direktor – „Bridge spielen ist eine Kunst, Oper leiten eine Situation“– beginnt um 9 und endet pünktlich um 13 Uhr. Die Vormittagsjause ist ihm heilig, er bringt sie selbst mit. Mittags isst er immer zu Hause – denn „nur Vagabunden speisen in Gasthäusern“.
Ioan Holender über seinen langjährigen Freund und Vertrauten: „Er war hoch musikalisch, ein guter Pianist und mit einer besonders schönen, technisch bestens geführten Baritonstimme gesegnet. Dazu auch darstellerisch hoch begabt und eine imposante Erscheinung. Er war der beste Bariton im deutschen Fach – sang aber am liebsten in italienischen Opern. Er war der beste Don Giovanni seiner Zeit, doch er mochte die Rolle nicht, sie sei viel zu lang.“Holender erinnert sich an Waechters Anruf aus einem uralten Schilling-Automaten: „Ich bin beim Heurigen mit den zwei Wedeln (Scholten und Springer), die mir die Operndirektion anbieten. Also machst mit? Antwort schnell, denn der Schilling läuft gleich ab . . .“
Eberhard Waechter ist der Sohn eines aristokratischen Musikwissenschaftlers: Bereits im Alter von zwölf Jahren „waren wir täglich am Stehplatz in der Oper. Zu Hause haben wir dann immer herumgeplärrt, sangen Opern mit verteilten Rollen. Meine Partien waren die Isolde, Brünnhilde und Santuzza, Siegmund und Tannhäuser.“
Nach der Matura wird Eberhard zum Koch ausgebildet und studiert nebenbei Musik. Er will Dirigent, später Pianist werden. 1950 beginnt er eine Gesangsausbildung bei der berühmten Elisabeth Rado´ . Aus finanziellen Gründen arbeitet er im Bankhaus Schöller. Sein Schulfreund Waldemar Kmentt, bereits gefragter Tenor, vermittelt Eberhard ein Vorsingen an der Wiener Volksoper, er wird dort und dann an der Staatsoper Ensemblemitglied. Zwischen 1954 und 1982 singt Waechter die wichtigsten Partien seines Fachs wie die Titelrollen in „Don Giovanni“,
„Simon Boccanegra“und „Dantons Tod“, den Grafen in „Le nozze di Figaro“, den Mandryka in „Arabella“oder den Scarpia in „Tosca“. Aber auch in Operetten zum Beispiel als Eisenstein in der „Fledermaus“begeistert er das Publikum und Experten – deren Kritiken er nie liest.
Noblesse in Stimme und StAtur, Aber Auch Selbstironie dominieren sein Leben.
Bereits wenige Jahre nach seinem Debüt tritt er meist umjubelt an der Scala, an der MET und in Bayreuth auf. Doch das Reisen wird ihm bald zur Last. Seinen Status als Weltstar opfert er, es ist bequem, nur in Wien oder Salzburg aufzutreten. Im Salzkammergut baut er sich eine Sommerresidenz. Als fanatischer Fußballfan lässt er einen eigenen Platz errichten. Vermutlich einen der schönsten der Welt – mit Blick auf den funkelnden Irrsee. Sonntagnachmittags wird während der Salzburger Festspiele Fußball gespielt. In der Waechter-Mannschaft laufen seine Söhne und der ein oder andere Halbprofi ein – denn der Hausherr verliert ungern. Zu gewinnen ist ihm wichtiger als abends den „Don Giovanni“mit Karajan in Salzburg zu singen . . .